Hamburg. Alexander Zverev kündigt vor Rothenbaum-Turnier Ende des Rechtsstreits mit Manager Apey an und kritisiert Trainer Lendl scharf.

Alexander Zverev war ein großes Kind, und das ist gut so. Ansonsten hätte es Probleme geben können, als Deutschlands bester Tennisprofi am Mittwochabend nach drei Jahren zum ersten Mal wieder in seinem Kinderzimmer im Haus der Familie in Lemsahl übernachtete. „Das Bett ist groß genug“, sagte der 198 Zentimeter lange Weltranglistenfünfte grinsend, als er sich am Donnerstag in der Adrenalin-Lounge im „Hamburger Ding“ am Nobistor neben Rothenbaum-Turnierdirektorin Sandra Reichel und Sportsenator Andy Grote auf ein grünes Sofa gefaltet hatte.

Viel hätte es zu erzählen gegeben über die Erinnerungen an seine behütete Kindheit und die Tennis-Anfänge im Uhlenhorster HC. Aber es gab wichtigere Themen, zu denen der 22-Jährige befragt werden musste. Immerhin schlägt er in der kommenden Woche bei den Hamburg European Open – im Einzel und im Doppel mit Bruder Mischa (31) – erstmals wieder in seiner Geburtsstadt auf, seit er sich 2016 mit einer 5:7, 6:7 (2:7)-Erstrundenpleite gegen den Spanier Inigo Cervantes und einer 39-minütigen Doppel-Abfuhr an der Seite seines Bruders – 0:6, 2:6 gegen Lukasz Kubot (Polen) und Alexander Peya (Österreich) – unrühmlich verabschiedet hatte.

Alexander Zverev ist das Zugpferd

Über die Gründe für sein Fernbleiben in den vergangenen zwei Jahren wollte der amtierende ATP-Weltmeister, der in Monte Carlo lebt, wenig sagen. Viel wichtiger sei doch, „dass ich wieder hier bin“. Das kann man so sehen. Vor allem für die neuen Veranstalter Sandra Reichel (48) und ihren Vater Peter-Michael (66) ist die Zusage des Zugpferds ein Segen, der sich bereits in den Ticketvorverkäufen niedergeschlagen hat. Die geschätzt rund 300.000 Euro Antrittsgage dürften gut angelegtes Geld sein. „Für uns ist es ein Traum, der in Erfüllung geht. Sascha ist der wichtigste Spieler für dieses Turnier“, sagte Sandra Reichel.

Die Österreicher, die im September 2017 vom Deutschen Tennis-Bund die Lizenz zur Ausrichtung des Turniers von diesem Jahr an bis 2023 erhalten hatten und Michael Stich nachfolgen, hatten sich seit 14 Monaten um Zverevs Rückkehr bemüht. Dass diese nun erfolgt, hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist die Anfang des Jahres trotz Vertrags bis 2023 vollzogene Trennung von seinem Manager Patricio Apey, um die aktuell ein Rechtsstreit tobt. Der in Chile geborene Brite hatte seit 2012 daran gearbeitet, den dreifachen Masterssieger zur globalen Marke aufzubauen. Zverevs Heimat Deutschland spielte in diesen Plänen eine untergeordnete Rolle.

Zverevs Vorfreude auf die Rückkehr nach Hamburg wirkt glaubhaft

Apey war es, der einen mit Stich 2014 geschlossenen Fünfjahresvertrag mit Hauptfeld-Startgarantie 2017 als nichtig erklärte und damit für nachhaltige Verärgerung beim Wimbledon-Sieger von 1991 sorgte. Auf Nachfrage erklärte Zverev, er habe aktuell zu seinem einstigen Förderer Stich keinen Kontakt, könne dessen Verärgerung aber nachfühlen.

„Ich kann verstehen, dass er wollte, dass ich spiele“, sagte er. Seine Planung habe aber in den vergangenen beiden Jahren vorgesehen, nach der Rasensaison nicht auf Sand zurückzukehren, sondern sich beim Turnier in Washington auf die nordamerikanische Hartplatztour vorzubereiten. „Ich habe dort 2017 und 2018 den Titel geholt, deshalb war die Entscheidung nicht ganz falsch“, sagte er. Nach einem Streit mit der Turnierdirektion in der US-Hauptstadt habe er nun jedoch die Liebe zur Heimat wiederentdeckt. „Das ist ganz allein meine Entscheidung“, sagte er.

Tatsächlich wirkte die Vorfreude auf die Rückkehr an den Ort, an dem er 2013 als 16-Jähriger sein erstes ATP-Turnier spielte, glaubhaft. „Ich wollte nach Hause, dorthin, wo das Publikum hinter mir steht, wo ich gemocht werde“, sagte Zverev, der sich zweieinhalb Wochen nach seinem Erstrundenaus beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon gelöst und sympathisch präsentierte. Der Kontrast zu seinem Medienauftritt in London, in dem er nach der Schlappe gegen den tschechischen Qualifikanten Jiri Vesely hilflos und verzweifelt gewirkt und den Streit mit Apey erstmals als Ursache für seine Leistungsschwankungen angeführt hatte („Es ist abartig, was er macht, um mir zu schaden“), hätte größer kaum sein können. Der juristische Konflikt solle in den nächsten Tagen außergerichtlich zum Abschluss kommen, kündigte Zverev an. „Wir sind weiter als vor 14 Tagen. Hoffentlich wird es bald kein Thema mehr sein, damit ich mich wieder voll auf Tennis konzentrieren kann“, sagte er.

Experten rieten Zverev zu längerer Turnierpause

Inwieweit sich der Daviscupspieler sportlich stabilisiert hat, bleibt abzuwarten. Manche Experten hatten ihm geraten, nach Wimbledon eine längere Turnierpause zu nehmen, um neue Lösungen für sein in dieser Saison oft eindimensional wirkendes Spiel zu erarbeiten. Er entschied sich nach einwöchigem Urlaub und zehn Tagen intensiven Trainings für Spielpraxis. Begleiten wird ihn in Hamburg sein Vater und langjähriger Trainer Alexander senior, der in Wimbledon gefehlt hatte. Offiziell wegen eines Erholungsurlaubs nach einem operativen Eingriff; tatsächlich jedoch, weil ihm die Zusammenarbeit mit Hauptcoach Ivan Lendl (59) missfällt. Den US-Amerikaner kanzelte Zverev junior in einer Art ab, die eine weitere Zusammenarbeit undenkbar erscheinen lässt: „Sein Fokus auf unsere Arbeit ist nicht ausreichend. Manchmal steht er eine halbe Stunde mit dem Rücken zu mir und erzählt, wie toll er am Morgen Golf gespielt hat und wie er seinen zwei Monate alten Hund erzieht, wo der sein Geschäft machen soll. Das geht nicht, das habe ich ihm auch so gesagt.“ Auf die Frage nach der gemeinsamen Zukunft sagte er vielsagend: „Es werden sich viele Dinge ändern.“

Ob die erwartbare Entscheidung für den Familienfrieden der richtige Schritt auf dem Weg zu Grand-Slam-Titeln ist, muss sich zeigen. Alexander Zverev hat, wenn er wieder vertragsfrei ist, das Heft des Handelns in der eigenen Schlaghand. Und er ist ja kein großes Kind mehr.

Tennis meets Music an diesem Sonntag, 21. Juli, mit Eröffnungsfeier, Mixed-Showdoppel und Konzerten von Max Giesinger und den Hamburger Goldkehlchen. Tickets (20 bis 30 Euro) unter hamburg-open.com/tickets, in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, oder über die Ticket-Hotline 040/30 30 98 98.