Die 15 Jahre alte US-Schülerin kämpft mit gesundheitlichen Problemen. Nadal, Federer und Williams sind dagegen in Bestform.
London. Das Tennis-Märchen von Cori Gauff fand am "Manic Monday" ein etwas bitteres Ende, ein Quartett der Superstars hielt sich dagegen schadlos. Während Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Serena Williams in Wimbledon souverän das Viertelfinale erreichten, hatte Gauff beim Duell mit der Rumänin Simona Halep offensichtlich auch mit Übelkeit zu kämpfen. Nach einer Zweisatz-Niederlage schied das 15 Jahre alte US-Wunderkind letztlich aus – genauso wie überraschend die Weltranglistenerste Ashleigh Barty.
Trotz der vielen klangvollen Namen fand das Match, das alle sehen wollten, am Nachmittag auf Court 1 statt. Bereits eine halbe Stunde, bevor die als „Wunderkind“ gefeierte Gauff gegen die ehemalige Weltranglistenerste Halep aufschlug, waren alle 12.345 Plätze belegt. Doch das nächste Wunder, auf das die große Mehrheit der Zuschauer gehofft hatte, blieb aus. Gegen die 27 Jahre alte French-Open-Siegerin von 2018 blieb die 15-Jährige, die im selben Jahr in Paris die Juniorinnenkonkurrenz gewinnen konnte, weitgehend chancenlos.
Zwar konnte sie beim Stand von 2:5 im zweiten Satz zwei Matchbälle abwehren, den dritten verwandelte Halep allerdings nach 75 Spielminuten zum 6:3 und 6:3. Im Viertelfinale wartet die Chinesin Shuai Zhang (30/Nr. 50) auf die Weltranglistensiebte.
"Coco" Gauff wirkte nach sechs Matches innerhalb von zwölf Tagen und dem weltweiten Rummel um ihre Leistungen müde. Am "verrückten Montag" mit allen 16 Achtelfinal-Partien bei Männern und Frauen – erstmals seit 2015 gänzlich ohne deutsche Beteiligung – hatte sie trotz der offensichtlichen gesundheitlichen Probleme erneut in vielen Momenten ihr großartiges Potenzial angedeutet. Allerdings diktierte Halep, die früherere French-Open-Siegerin und Nummer eins der Welt, von Beginn an das Geschehen und ließ Gauff durch geschicktes Winkelspiel viel Laufen.
Magen-Probleme bei Coco Gauff?
Nach dem Gewinn des insgesamt ausgeglichenen ersten Satzes verschwand Gauff im Kabinentrakt, hielt sich immer wieder den Bauch und ließ sich letztlich vom Turnierarzt eine Tablette reichen. „Ich habe viel gelernt und bin sehr dankbar für diese Erfahrungen. Ich war nicht bei 100 Prozent, aber Simona hat heute auch überragend gespielt“, sagte sie. Nach ihrer magischen Wimbledon-Premiere zog der Teenie aber dennoch ein rundum positives Fazit: "Ich habe viel gelernt. Wie man vor einem großen Publikum spielt, wie man mit dem Druck umgeht. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen."
Noch ist Gauff die Nummer 313 der Weltrangliste, nach dem Turnier wird sie in die Top 150 vorrücken – bis zur Spitze ist es noch ein weiter Weg. Ihr Potenzial hat sie aber gezeigt. Bei ihrer Grand-Slam-Premiere hatte sich das Leben der Jugendlichen in "Sekundenschnelle" gewandelt: Aus einem Tennis-Talent mit vielversprechender Zukunft wurde eine Achtelfinalistin der Gegenwart, die die Herzen der Fans gewann. Auch gegen Halep wurden Spielgewinne der Qualifikantin frenetisch bejubelt.
Als Gauff nach dem Match den Platz verließ, wurde sie mit Standing Ovations begleitet. Die Briten haben den Teenager in ihr Herz geschlossen.
Gauff darf nur zehn Turniere im Jahr spielen
Als junges Mädchen war Gauff einst von Serena Williams inspiriert worden. Nun wurde die 23-fache Grand-Slam-Turniersiegerin "stolz" selbst zum Fan des Teenagers. "Ich war überhaupt nicht wie sie mit 15. Ich habe nicht so gespielt. Ich habe irgendwo Cartoons geschaut", sagte Williams nach ihrem Achtelfinalerfolg und lachte.
Seit 28 Jahren, seit US-Teenager Jennifer Capriati ins Halbfinale kam, war keine Achtelfinalistin mehr so jung wie Gauff. Die 15-Jährige wurde auch zur jüngsten Grand-Slam-Achtelfinalistin seit Anna Kurnikowa bei den US Open 1996. Die Erfolge könnten schnell zu früh kommen, hatte BBC-Kommentator John McEnroe gewarnt. Die Russin Kurnikowa beendete ihre Karriere, ohne einen Titel gewonnen zu haben. Capriati verlor einst die Kontrolle über ihr Leben.
Gauff hat das Potenzial, Wimbledon zu gewinnen
Um Talente wie Gauff zu schützen, ist die Anzahl der Turniere, die sie spielen dürfen, für sie auf zehn im Jahr beschränkt. Bis zu ihrem 16. Geburtstag im März 2020 könnte Gauff demnach noch fünfmal auf der WTA-Tour starten.
Über eine Lockerung der Regel, um den Hype am Kochen zu halten, wurde in den vergangenen Tagen viel diskutiert. Doch wer die extrem selbstbewusste Gauff spielen sah in Wimbledon, der weiß: sie hat keine Ausnahmeregelungen nötig.
Vielmehr scheint es nicht vermessen zu glauben, dass sie im kommenden Jahr die jüngste Wimbledon-Siegerin aller Zeiten werden kann. Die Schweizerin Martina Hingis war 1997 16 Jahre und neun Monate alt, als sie den bis heute gültigen Altersrekord brach.
Serena Williams unaufhaltsam
Gauffs Vorbild Williams hatte zuvor mit der Spanierin Carla Suarez Navarro (Nr. 30) keinerlei Probleme gehabt. Für ihren mühelosen 6:2, 6:2-Erfolg benötigte die 37-Jährige am Ende nur 64 Minuten. "Ich hatte in dieser Woche mehr Matches als in den letzten Monaten. Ich fühle mich körperlich immer besser, endlich kann ich Tennis spielen", sagte Williams anschließend: "Ich will es noch immer, sonst wäre ich nicht da."
Williams, die am Sonnabend Julia Görges als letzte Deutsche im Wettbewerb ausgeschaltet hatte, hinterließ gegen Navarro einen starken Eindruck. Mit gutem Service und konsequentem Spiel diktierte sie das Geschehen nach Belieben. Ihre Einschätzung dazu dürfte der verbliebenen Konkurrenz nicht gefallen. „Ich fühle mich richtig gut und werde von Match zu Match besser“, sagte die siebenmalige Wimbledon-Siegerin, die am Sonnabend im Finale mit ihrem 24. Grand-Slam-Triumph den Rekord der Australierin Margaret Court egalisieren könnte.
Williams' nächste Gegnerin ist nun überraschend Riske, die nach ihrem Coup gegen Barty erstmals in ihrer Karriere ein Grand-Slam-Achtelfinale erreicht hatte.
Nadal und Djokovic im Eiltempo
Ebenfalls in guter Form präsentierte Rekordchampion Federer, der durch ein 6:1, 6:2, 6:2 in 73 einseitigen Minuten gegen Stuttgart-Sieger Matteo Berrettini den insgesamt 99. Sieg bei seinem Lieblings-Major feierte. Zuvor hatten bereits der zwölfmalige French-Open-Champion Rafael Nadal, der den Portugiesen Joao Sousa 6:2, 6:2, 6:2 bezwang, und Titelverteidiger Djokovic, der sich bei seinem 6:3, 6:2, 6:3-Erfolg gegen den Franzosen Ugo Humbert ebenfalls schadlos hielt, die Runde der letzten Acht erreicht.
Barty: Es ist nicht das Ende der Welt
Die zunächst einzige Überraschung war somit das Aus der French-Open-Siegerin Barty, die gegen Alison Riske aus den USA 6:3, 2:6, 3:6 verlor. "In den wichtigen Momenten hat sie ihr bestes Tennis ausgepackt", analysierte die Australierin, die zuvor 15 Siege in Serie auf der WTA-Tour gefeiert hatte. Statt dem erwarteten Knaller-Duell zwischen Barty und Williams ist es nun Riske, die ihre berühmte Landsfrau im Viertelfinale fordert.
„Hey, ich habe ein Tennismatch verloren, aber das ist nicht das Ende der Welt! Auch morgen wird die Sonne wieder aufgehen“, sagte die 23 Jahre alte Barty. In einer Zeit, in der im Wirtschaftsbetrieb Profisport jede Pleite Geld kostet und der Spaß am Spiel deshalb zu häufig im Ernst des Lebens untergeht, ist es schön, dass es noch Menschen wie die Australierin gibt.