Horn. Beteiligte spielen bei Großprojekt für Galopper und Traber in Horn auf Zeit. Trotz Überlebenskampf der Sportarten.
Einer brachte es auf den Punkt. Torsten Sevecke, Staatsrat der Wirtschaftsbehörde, sagte mit Blick auf die Historie der Hansestadt: „Die Geschichte Hamburgs ohne Pferde ist undenkbar.“ Mehr noch: „Ohne Pferde, kein Hamburg. “ Daraus leitete er in seiner Festrede ab, dass „sich die Sportstadt Hamburg noch intensiver um die Zukunft dieses wichtigsten und traditionsreichsten Sportereignisses kümmern muss.“ Gemeint waren die Galopper vom Hamburger Renn-Club. Beim Senatsempfang der Stadt anlässlich des 150. Deutschen Derbys am kommenden Sonntag wurden viele Reden gehalten und enthusiastische Formulierungen gefunden, die sich allesamt mit der glorreichen Vergangenheit dieses Sports an dieser Stätte beschäftigten.
Doch wie es realistisch weitergehen soll, ob und wie der Pferdesport in Hamburg überlebensfähig sein kann, darüber wurde auch an diesem Montag im Rathaus konkret nichts gesagt. Nur in einer Sache waren sich alle Beteiligten einig. Vor dem 150. Deutschen Derby bloß nichts verkünden, was der Jubiläumsveranstaltung schaden könnte. So fiel denn auch nicht das entscheidende Wort: Doppelrennbahn, die geplante gemeinsame Sportstätte für die tief in der Krise steckenden Traber und Galopper in Horn.
Doppelrennbahn ist bei Senatskanzlei angedockt
Dabei ist die Situation brisant. Die Zeit drängt. Seit Mitte Oktober 2018 liegt eine Durchführbarkeitsstudie für die Kombibahn als Sport- und Eventstätte vor. Denn eines ist klar: Allein mit Pferderennsport gibt es kein Überleben. Eine zusätzliche Nutzung der Anlage für Unterhaltung und Freizeit ist zwingend notwendig. Allerdings hatten genau diese Planungen vor mehr als zehn Jahren neben den hohen Kosten schon einmal das Aus bedeutet, weil sich die Bürger des Stadtteils nicht mitgenommen fühlten und erfolgreich protestierten. 2006 hatten die Experten von Ernest & Young eine Machbarkeitsstudie erstellt. Der Preis: mehr als 100.000 Euro. Und schon damals wurden die Kosten für den Umbau der Anlage auf 25 bis 40 Millionen Euro geschätzt
Diesmal ließ sich die Stadt die neue Studie offiziell 200.000 Euro kosten, erstellt vom Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer aus Stuttgart, maßgeblich beteiligt am Bau des Bahnhofs Stuttgart 21, aber auch der Elbphilharmonie in Hamburg. Beides Projekte, die erheblich teurer wurden als geplant. Das Gleiche gilt wohl auch für den Bau der Doppelrennbahn in Horn. Mit den Interna vertraute Insider schätzen die Kosten inzwischen auf bis zu hundert Millionen Euro.
Tatsächlich haben Drees & Sommer in ihrer Studie zwei Rechnungsvarianten angeboten: 59 und 89 Millionen Euro. Zwei große Planungsrunden zwischen Senat und dem Beirat der Pferdezentrum Horner Rennbahn GmbH tagten danach. Die Betreibergesellschaft war auf Drängen der Stadt gegründet worden, um die seit Jahrzehnten zerstrittenen Galopper, finanziert von der Kaffee-Familie Darboven, und Traber, finanziert von der Kaffee-Familie Günter Herz, unter einem Dach zu vereinen – und Voraussetzung für üppige staatliche Zuschüsse. Derzeit ist von 25 bis 30 Millionen Euro die Rede. 15 Jahre zuvor waren es schon mal 31,4 Millionen Euro.
Die Planungen dauern weiter an
Doch selbst die niedrig angesetzte Summe von 59 Millionen Euro scheint nicht mehr finanzierbar. Nun soll wieder nachgerechnet werden. Dafür muss aber noch einmal Planungsgeld von der Stadt bewilligt werden. Die Anträge sind gestellt. Der Vorgang wurde Mitte Juni vom Senat bestätigt. „Der Stand ist unverändert“, ließ Marcel Schweitzer, Senatssprecher auf Nachfrage verlauten. „Die Vereine können einen Zuschuss der Stadt erwarten, allerdings liegt deren aktuelle Planung deutlich über dem, was man vollständig aus dem staatlichen Zuschuss leisten könnte. Insofern planen die Vereine neu. Insofern kann man sagen: Die Planungen dauern an.“
Zehn Jahre wirtschaftliche Rentabilität ohne staatliche Unterstützung sind gefordert. Patronatserklärungen der Geldgeber Albert Darboven für die Galopper sowie Günter Herz für die Traber gehören zum Paket als Sicherheit dazu. „Wir machen unsere Hausaufgaben“, sagt Ilona Vollmers. Die Schatzmeisterin ist beim Renn-Club der Galopper für die Zahlen zuständig. Sie ist „verhalten zuversichtlich“, dass noch in diesem Jahr eine positive Entscheidung fällt. 2020 sind Bürgerschaftswahlen. Wer dann wie und mit wem regiert und wofür Geld ausgibt, weiß niemand.
Besonders den Trabern rennt die Zeit davon. Der Pachtvertrag des Hamburger Traber-Zentrums in Bahrenfeld lief bis zum 30. März 2017. Danach verlängert sich das Vertragsverhältnis um jeweils ein Jahr – bis die Doppelrennbahn kommt. Das Gelände soll für den Wohnungsbau genutzt werden. Dieser Beschluss steht. Vor einem Monat tagte der Wissenschaftsausschuss. Thema war die Science City Bahrenfeld, jenes Großprojekt, das den Ausbau des Forschungszentrums Desy plant, unter anderem auch mit neuen Wohnungen für Studierende, Forscher und Bürger.
Angestrebte Verkaufserlöse: mehr als 150 Millionen Euro
„Die Trabrennbahn ist als Baugelände fest in die Planungen einbezogen“, sagt Daniel Oetzel, der für die FDP nicht nur den Sport beackert sondern auch die Wissenschaft. Er stellte im Februar dieses Jahres in der Bürgerschaft eine Kleine Anfrage an den Senat, um Details zur aktuellen Entwicklung der Doppelrennbahn zu erfragen. Kenntnisreicher war er danach nicht. Die angestrebten Verkaufserlöse für das Rennbahngelände schwanken zwischen 150 bis 180 Millionen Euro. Ein kleiner Teil davon (sechs Millionen) soll in den Umbau in Horn fließen. Traber-Präsident Jörg Verstl, Steuerberater der Kanzlei ASG, ist deshalb „zuversichtlich“, dass es die gemeinsame Sportstätte gibt. Irgendwann. Ansonsten hält er sich an die Absprache, nichts zu sagen.
Für die Traber kommt als existenzbedrohendes Problem hinzu, dass der schwedische Wettanbieter ATG die Kooperation mit den Deutschen beendet hat. Bislang war von Schweden aus direkt in den Hamburger Totalisator gewettet worden. Ein wichtiger Umsatzbringer. „Eine Tür schließt sich, eine geht auf“, sagt Verstl. „Wir prüfen verschiedene Optionen.“ Sein Pendant bei den Galoppern, Vorstand Eugen-Andreas Wahler, hält sich ebenfalls mit inhaltlichen Statements zurück. „Die Stadt prüft unsere Ausarbeitungen“, sagt er. „Es wird gerechnet. Ich werde den Teufel tun und voreilig eine Prognose abgeben.“ Immerhin wird kolportiert, bei einem Treffen mit dem Ersten Bürgermeister hat Peter Tschentscher (SPD) Albert Darboven, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Hamburger Renn-Clubs, und Jörg Verstl vom Hamburger Trab-Zentrum versichert, er stehe hinter den Plänen einer Doppelrennbahn.
Galopper und Traber kämpfen ums Überleben
Allerdings: Seit fast 15 Jahren ist die Kombirennbahn ein stetig wiederkehrendes Thema ohne erkennbaren Zug zur Verwirklichung – obwohl es beiden Sportarten finanziell immer schlechter geht. Jahr für Jahr kämpfen Galopper und Traber härter ums wirtschaftliche Überleben. Die einen in Horn, die anderen in Bahrenfeld. Das Verschwinden der Wetten im Internet, Konkurrenz durch andere Sportevents, Zuschauerschwund, Züchtungsprobleme – das Abrutschen in die Existenzkrise hat viele Ursachen. Ein Umzug der Traber nach Horn und der Neubau einer Anlage für gemeinsamen Pferdesport schien die Lösung. Doch offiziell verkündete Bautermine auch vonseiten der Stadt erwiesen sich in der Vergangenheit als Wunschdenken.
Inzwischen ist die Doppelrennbahn als Projekt eng bei der Senatskanzlei angedockt. Und besonders dort hält man sich mit Informationen bedeckt. Sogar die sportpolitischen Sprecher der Fraktionen sind aktuell nicht eingebunden, obwohl am Ende die Bürgerschaft zustimmen muss. Christiane Blömeke von den Grünen sagt: „Darüber weiß ich nichts Neues. Es ist kompliziert, es ist teuer, ein Langzeitprojekt eben. Aber wir sind im Moment außen vor.“ Ähnlich äußerten sich Daniel Oetzel (FDP) und Christiane Timmermann (SPD). Thomas Kreuzmann (CDU) war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Es bleibt also spannend, wie sich die Sportstadt Hamburg zu ihren Pferdesportlern verhält. Eine Variante ist auf jeden Fall zu finanzieren: Sanierung der Galopprennbahn in Horn auf niedrigem Niveau, dann überlebt die Traditionsveranstaltung Derby-Galoppwoche. Aber was passiert mit den Trabern und ihren inzwischen nur noch 21 Renntagen, manchmal nur von Hunderten Zuschauern besucht? Günter Herz und Sohn Christian hatten vor dem beschlossenen Aus für den Standort Bahrenfeld noch einmal in eine Sanierung der Anlage investiert. Das Ende für ihren Sport würde die Haltung der Milliardärsfamilie zu Hamburg sicherlich nicht verbessern.