Hamburg. Jean-Pierre Richter trifft mit Dassendorf im Oddset-Pokalfinale auf Norderstedt – in seinem ehemaligen Heimstadion Hoheluft.

Mitten im Gespräch entschuldigt sich Dassendorfs Trainer Jean-Pierre Richter für seinen Griff zum Handy. Wenige Sekunden später bricht die Freude aus ihm heraus. „Jaaaa, ich habe bestanden“, jubelt Richter, gefolgt von weiteren Entschuldigungen für seine emotionale Eruption. Der Grund für Richters Freude ist die mit der Note Zwei gemeisterte Prüfung zur DFB-Elite-Jugend-Lizenz als Trainer. Nun fehlt ihm nur noch die A-Lizenz, um sich zum Fußballlehrer ausbilden zu lassen.

Jubeln will Richter am Sonnabend wieder. Über seinen ersten Titel als Trainer. Im Oddset-Pokalfinale trifft der 32-Jährige am Sonnabend (10.30 Uhr, Hoheluft, Lokstedter Steindamm 87) mit Oberligist und Titelverteidiger TuS Dassendorf auf Regionalligist Eintracht Norderstedt. Viel ist geschrieben worden über das Treffen der beiden besten Mannschaften der vergangenen fünf Jahre im Hamburger Amateurfußball im wichtigsten Spiel des Jahres, die ironischerweise in Schleswig-Holstein beheimatet sind. Und über die von der ARD diktierte und von vielen Verantwortlichen, Spielern und Fans als kritikwürdig empfundene Anstoßzeit. Die Zeugwarte befinden sich bereits um 7 Uhr zum Vorbereiten der Kabinen im Stadion. Spätestens um diese Zeit werden auch die Spieler aufstehen müssen, um rechtzeitig am Treffpunkt vor Ort zu sein.

Emotionales Achterbahnspiel

Doch für Richter ist die Partie mehr. Sie ist ein emotionales Achterbahnspiel. Nicht nur, weil es um den Pokalsieg und die damit verbundene Qualifikation für den DFB-Pokal geht. Ausgerechnet im Stadion Hoheluft, dem Ort also, von dem sich der hochtalentierte Coach im Winter zu Unrecht vertrieben fühlte, kann er zum Triumphator avancieren. Vor den Augen von Victorias Präsidenten Ronald Lotz (52), mit dem er nach zwei erfolgreichen Jahren der Zusammenarbeit beim SC Victoria im letzten Halbjahr einen lange Zeit mühsam kaschierten Dissens austrug.

Richter, als Manager im Sommer 2016 beim SC Victoria gestartet und seit April 2017 erfolgreich auf der Trainerbank tätig, empfand das Angebot Victorias zur Vertragsverlängerung als inakzeptabel. Der Verein sah das anders. Ein Kleinkrieg mit vielen Volten folgte. An dessen Ende stand der Skandal, der beide Seiten schlecht aussehen ließ. Nach der öffentlich harmonischen Verabschiedung durch Lotz samt Publikumsansprache vor der Haupttribüne vor dem Heimspiel gegen Niendorf am 23. November (2:0) erschien Richter zu seinen letzten beiden Auswärtsspielen als Victorias Trainer nicht mehr – und wechselte zur TuS Dassendorf.

Norderstedt ist Favorit

„Ich wollte eine solche Situation weder provozieren, noch wollte ich sie überhaupt. Ich habe meine Schlüsse daraus gezogen, was damals passiert ist“, sagt Richter. Kurioserweise hatte er vor der Saison beim SC Victoria den Pokalsieg intern als Saisonziel ausgegeben – und warf das von ihm aufgebaute Team, in dem er zu einigen Spielern bis heute eine herzliche Verbindung unterhält, im Halbfinale mit einem 1:0-Sieg in Dassendorf aus dem Wettbewerb.

Wäre ein Sieg an der Hoheluft eine Genugtuung für ihn? Richter schweigt. Wie es in ihm aussieht, deutet er nur an. „Einiges würde ich im Rückblick vielleicht anders machen“, sagt er. „Doch meine Konzentration gilt nun der TuS Dassendorf.“ Mit seiner Oberliga-Bilanz dort (neun Siege, ein Remis, drei Niederlagen, Rang drei) sei er „bedingt zufrieden“. Nun zählt aber der Pokal. „Die Favoritenrolle liegt etwas mehr bei Norderstedt, doch das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, wer mehr abruft. Das wollen wir sein.“ Und wer weiß, wie seine emotionale Eruption aussieht, sollte er am Sonnabendnachmittag auf der Tribüne des Stadions Hoheluft den Oddset-Pokal in die Höhe recken dürfen.