Bremen. München schien wie der sicherer Sieger, aber Bremen kämpfte sich wieder zurück. Dann übernahm der Schiedsrichter die Hauptrolle.
Was für ein Drama für Werder Bremen! Die Norddeutschen verlieren nach einem hochklassigen Pokal-Halbfinalfight mit 2:3 gegen den FC Bayern. Ein Doppelpack von Robert Lewandowski ebnete den Münchnern den Weg ins Finale nach Berlin, in dem der Branchenprimus auf HSV-Bezwinger RB Leipzig trifft. Allerdings war der bayrische Einzug ins Endspiel zumindest schmeichelhaft, denn ein umstrittener Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Daniel Siebert sorgte letztlich für die Entscheidung.
Rund zehn Minuten vor dem Ende war Werder nach einem 0:2-Rückstand gerade erst eine furiose Aufholjagd geglückt, als der Unparteiische aus Berlin nach einem leichten Kontakt von Verteidiger Theodor Gebre Selassie gegen Bayerns Flügelstürmer Kingsley Coman auf den Punkt zeigte. Eine Entscheidung, die vor allem Werder-Kapitän Max Kruse in Rage brachte. "Das ist lächerlich!", sagte Kruse, um dann rhetorisch zu fragen: "Wozu haben wir einen Videobeweis?"
Sichtlich verärgert sah sich Kruse die Wiederholung der Szene, die zum Strafstoß führte, erneut an. Seine Einschätzung änderte sich dadurch nicht. "Ach Gott, ey!", klagte der Offensivspieler, der sich lieber nicht weiter äußern wollte, um einer möglichen Sperre durch den DFB zu entkommen. Einen Satz schob Kruse dann aber doch noch nach. "Mir hat die Argumentation des Schiedsrichters auf dem Platz schon gereicht."
Müller outet sich als Bremen-Fan
Kritik an dem folgenschweren Elfmeterpfiff gab es auch von ARD-Experte Stefan Kuntz. "Warum geht der Schiedsrichter nicht raus und sieht sich die Szene noch einmal an?", hinterfragte der U-21-Nationaltrainer, für den es eine Fehlentscheidung war.
Die Bayern bewerteten die spielentscheidende Situation naturgemäß anders. "Aus dem Spiel heraus war es für mich absolut ein Elfmeter. Gebre Selassie schiebt mit Nachdruck und Kingsley ist sicherlich keiner, der sich fallen lässt", argumentierte Torschütze Thomas Müller, der sich anschließend als Werder-Fan outete. "Ich bin ein Freund der Bremer, schaue der Mannschaft gerne zu. Das Publikum ist wirklich beeindruckend, so macht Fußball Spaß."
Werder bot Bayern Paroli
Für Werder endete am Mittwochabend der Traum vom ersten Titel seit dem Cupgewinn 2009 – und eine stolze Serie. Die Grün-Weißen hatten seit 31 Jahren kein Pokalspiel zu Hause mehr verloren (37 Heimspiele). Doch wie schon im letzten Halbfinale 2016 (damals 0:2) war gegen die Bayern Endstation.
Bayern-Trainer Niko Kovac, der zum dritten Mal in Folge im Pokalfinale steht und seinen im Vorjahr mit Frankfurt gewonnenen Titel verteidigen kann, hatte vor der Partie einen heißen Tanz prophezeit. Ganz Bremen sei "total elektrisiert, sie werden absolut euphorisch ins Spiel gehen." Er sollte Recht behalten.
Spielfreudig, laufstark, griffig in den Zweikämpfen: Die Grün-Weißen präsentierten sich gut 100 Stunden nach der knappen Niederlage im Ligaspiel (0:1 in München) von Beginn an voll auf der Höhe und boten den Bayern mit ihrer forschen Spielweise Paroli.
Thomas Müller trifft wie Thomas Müller
Das permanente Pressing oft schon am gegnerischen Strafraum setzte den Gästen zu – und sorgte immer wieder für Bremer Ballgewinne. Vor allem das Mitwirken von Kapitän Kruse, der erst kurz vor dem Anpfiff trotz Pferdekuss im Oberschenkel grünes Licht gab, tat dem Werder-Spiel gut. Im Abschluss zielten Bremens Toptorjäger (8. und 45.) und Davy Klaassen (23.) aber zu ungenau.
Und die Bayern? Die zeigten sich hinten zwar nicht immer sattelfest, ließen ihre Extraklasse in der Offensive aber immer wieder aufblitzen und hatten die klareren Aktionen in Richtung Tor. Vor allem der umtriebige Müller und der pfeilschnelle Kingsley Coman sorgten mit ihren Aktionen für permanente Gefahr.
Erst verfehlte Müller das Bremer Tor per Hacke um Zentimeter (10.), nach einer Viertelstunde verhinderte nur das Knie von Werder-Verteidiger Niklas Moisander einen Treffer des Ex-Nationalspielers. Für die Bayern-Führung sorgte dann einmal mehr Lewandowski. Nach langer Flanke von Jérôme Boateng und anschließender Kopfball-Bogenlampe von Müller schaltete der Torjäger am schnellsten und staubte unbedrängt ab (36.). Nach der Pause erhöhte Müller in typischer Müller-Manier auf 2:0 (63.).
Kovac kritisiert Kimmich für Abwehrverhalten
Doch Bremen ließ sich auch durch den Rückstand nicht beirren – und marschierte auch im zweiten Durchgang weiter mutig nach vorn. Lohn war der Doppelschlag von Osako und Rashica binnen einer Minute. Dem Ausgleich ging ein haarsträubender Fehlpass von Joshua Kimmich an der Mittellinie voraus. "Ich habe ihm nach dem Spiel gesagt, dass er manchmal auch einfach Rechtsverteidiger spielen muss. In diesem Raum darf er den Ball nicht verlieren, zumal wir dadurch unorganisiert sind", sagte sein Trainer Niko Kovac.
Als alles nach einer Verlängerung aussah, schubste Theodor Gebre Selassie jedoch Coman leicht – und Lewandowski entschied das Spiel vom Punkt. In der Nachspielzeit (90.+3) traf der Pole zudem den Pfosten. "Zieht man die Summe der Chancen in Betracht, sind wir verdient weitergekommenen", sagte Kovac. Ein Fazit, das maßgeblich vom umstrittenen Elfmeterpfiff getragen wird.
Die Statistik
Bremen: Pavlenka - Gebre Selassie, Veljkovic, Moisander, Augustinsson (81. Harnik) - Möhwald (65. Pizarro), Klaassen (89. Johannes Eggestein) - Maximilian Eggestein, Kruse, Osako - Rashica. - Trainer: Kohfeldt
Bayern: Ulreich - Kimmich, Jerome Boateng, Hummels, Alaba - Martinez, Thiago (76. James) - Gnabry (58. Goretzka), Thomas Müller (89. Rafinha), Coman - Lewandowski. - Trainer: Kovac
Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)
Tore: 0:1 Lewandowski (36.), 0:2 Thomas Müller (63.), 1:2 Osako (74.), 2:2 Rashica (75.), 2:3 Lewandowski (80., Foulelfmeter)
Zuschauer: 42.100 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Klaassen (2), Kruse - Hummels, James, Lewandowski (3)