Hamburg. Um den langjährigen Schwergewichtsweltmeister gibt es Comeback-Gerüchte. Auf dem Spiel steht neben der Gesundheit auch sein Image.
Die Gerüchte um sein mögliches Comeback, die seit Monaten durch die Profiboxszene wabern, verfolgt er natürlich. Und wenn man Wladimir Klitschko, dem langjährigen Dreifachweltmeister im Schwergewicht, glauben darf, dann nerven sie ihn auch. „Das sind Fake News. Ich bin es leid, diesen Mist zu kommentieren. Wenn es etwas zu verkünden gibt, werde ich das tun“, antwortete der Ukrainer kürzlich auf eine Anfrage des Abendblattes, nachdem in englischen und US-Medien über ein angebliches Angebot des Streamingdienstes DAZN debattiert worden war.
80 Millionen US-Dollar bietet der Internet-Sportgigant, der über diverse Rechte bis hin zur Fußball-Champions-League verfügt, dem Olympiasieger von 1996 angeblich – wenn er seinen 2017 vollzogenen Rücktritt rückgängig macht. Der mit der Klitschko Management Group in Hamburg ansässige Klitschko soll für drei Kämpfe gegen die Superstars Anthony Joshua (29), Tyson Fury (30/beide England) und Deontay Wilder (33/USA) in den Ring zurückkehren.
Klitschko lässt Comeback offen
Nun wäre es, wenn ihn die Gerüchte wirklich nerven würden, ein Leichtes für Wladimir Klitschko, damit aufzuräumen. „Ich komme nicht zurück, für kein Geld und keinen Kampf der Welt“, das wäre der Satz, den er sagen müsste. Dass er es nicht tut, hat zwei Gründe. Zum einen ist es für jemanden, der die größten Bühnen bespielte und nun als Unternehmer den Weg in die nächste Karriere finden will, wichtig, im Gespräch zu bleiben. Zum anderen ist da, auch wenn der Wahl-Hamburger mit seinem Sport bis zu 100 Millionen Euro verdient haben dürfte, die Gier nach Geld, die für den jüngeren der Klitschko-Brüder stets eine wichtige Triebfeder war. 80 Millionen Euro zusätzlich einzustreichen, das wäre eine Verlockung, bei der selbst einer schwach werden könnte, der nichts zu beweisen und das Geld wirklich nicht nötig hat.
Eine große Frage allerdings, die sich bei näherer Betrachtung stellt, ist die nach der Seriosität des Angebots. DAZN könnte von den drei genannten Stars einzig auf IBF/WBO/WBA-Champion Joshua zugreifen. WBC-Champion Wilder ist exklusiv mit dem US-Pay-TV-Giganten Showtime verbunden. Fury, der Klitschko im November 2015 überraschend besiegt und im Dezember 2018 ein Remis gegen Wilder erkämpft hatte, steht bei ESPN unter Vertrag. Und was würde passieren, sollte Klitschko schon den ersten Kampf verlieren? Wer würde dann die nächsten beiden noch sehen respektive dafür bezahlen wollen?
DAZN? Klitschko steht bei RTL unter Vertrag
Auf Abendblatt-Anfrage erklärte ein DAZN-Sprecher: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir uns an diesen Spekulationen nicht beteiligen wollen.“ Der Verdacht, das ganze Angebot könnte eine Marketingmasche sein, drängt sich angesichts der Geheimniskrämerei zwar auf. Fakt ist indes, dass es Gespräche zwischen Klitschko und DAZN-Haupteigner Leonard Blavatnik, einem russischstämmigen Milliardär, gegeben hat. Beide sind privat miteinander bekannt. Allerdings könnte auch der Wahl-Hamburger einem DAZN-Deal nicht einfach zustimmen. Mit seinem langjährigen deutschen Fernseh-Exklusivpartner RTL besteht noch ein rechtsgültiger Vertrag, der über fünf Kämpfe abgeschlossen worden war, von denen erst zwei abgeleistet waren, als Klitschko zurücktrat. „Wir hatten über viele Jahre eine von beiden Seiten sehr treue und intensive Partnerschaft und würden uns wundern, wenn diese Vertragstreue von der anderen Seite gebrochen würde“, sagte RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer.
Viel wichtiger allerdings als die Frage nach der Seriosität des Angebots ist die Überlegung, was Klitschko außer Geldgier zu einem Comeback treiben könnte. Nach seiner K.-o.-Niederlage gegen Joshua im April 2017 vor 90.000 Fans im Londoner Wembleystadion hatte er gut drei Monate gebraucht, um sich schließlich zu einem sehr würdevollen Abschied durchzuringen. Ein Rückkampf, der in Las Vegas stattgefunden hätte, war ausverhandelt, 20 Millionen Euro als Börse lagen auf dem Tisch. Klitschko lehnte ab, mit Verweis darauf, dass mit Joshua ein würdiger Nachfolger gefunden sei und er seine körperliche Unversehrtheit nicht gefährden wolle.
Klitschko fehlen die Reflexe
Warum also sollte sich der Vater einer Tochter, der am vergangenen Montag seinen 43. Geburtstag feierte, zwei Jahre später gegen einen Joshua, der sich athletisch und boxerisch noch verbessert hat, in höchste Gefahr begeben, seine Gesundheit zu riskieren? Auch wenn er täglich trainiert: die Reflexe, um Treffer der Besten zu vermeiden, fehlen einem 43-Jährigen. Ganz zu schweigen davon, dass er sein Image zerstören würde; das Image eines Mannes, dem alle zutrauten, den Verlockungen des Geldes zu widerstehen und der Vernunft den Vorrang zu geben. Einer wie er, der an der Schweizer Eliteuni St. Gallen als Dozent für Change Management Wege für den Übergang von einer Karriere in die nächste aufzeigt, wäre krachend gescheitert, wenn er selbst diesen Übergang verpatzte.
Wladimir Klitschko ist clever genug, um die Vernunft über die Geldgier siegen zu lassen. Aber diesen einen Satz, der mit allen Gerüchten aufräumt, kann nur er aussprechen.
Die größten Kämpfe von Wladimir Klitschko:
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