Nach Stationen in Saudi-Arabien und Ungarn soll der Trainer 96 vor dem Abstieg retten. Heldt setzte sich bei Doll gegen Kind durch.
Hannover. Viel größer hätte das öffentliche Interesse auch nicht sein können, wenn Felix Magath oder José Mourinho neuer Trainer von Hannover 96 geworden wäre. Nach fast elf Jahren kehrte Thomas Doll am Montag in die Fußball-Bundesliga zurück – und Fotografen wie Kamerateams standen sich bei seiner Vorstellung gegenseitig im Weg.
Gleich zu Beginn tat der 52-Jährige das, was schon in früheren Zeiten beim HSV oder Borussia Dortmund seine große Stärke war: Optimismus und Zuversicht in schwierigen Zeiten zu verbreiten. Seit Anfang November hat der Tabellenvorletzte kein Spiel mehr gewonnen. Doll aber sagte zum Einstand: „Wir haben die Qualität, Hannover 96 in der Liga zu halten. Und es gibt genügend Mannschaften, die wir noch hinter uns lassen können.“
Wichtig sei jetzt, „eine gewisse Aufbruchstimmung zu erzeugen. Nicht mit Parolen, sondern mit Arbeit.“ Lediglich vier Tage hat er dafür bis zu seinem ersten Heimspiel am Freitagabend gegen den Tabellenvierten RB Leipzig Zeit.
Doll muss zerstrittenes Hannover vereinen
Thomas Doll und Hannover – diese Verbindung hat viele überrascht. Diese Verbindung könnte aber genau in dieser schwierigen Situation des Vereins auch gut zusammenpassen. Gefühlt streitet bei 96 aktuell jeder mit jedem: Der Präsident mit einer Oppositionsgruppe über die geplante Übernahme der Profi-Gesellschaft. Die sportliche Leitung mit dem Präsidenten über die Verpflichtung neuer Spieler. Auch die Mannschaft bildet für jedermann sichtbar keine Einheit.
Doll dagegen wurde bislang überall bescheinigt, Spieler begeistern und ein Umfeld mitreißen zu können. „Wir brauchen diesen Mix: Ein Trainer, der stressresistent ist und der auch etwas vorlebt“, sagte Manager Horst Heldt.
Kind wollte Slomka, Heldt setzte sich durch
Der Vertrag mit dem Nachfolger von André Breitenreiter wurde ganz bewusst bis 2020 datiert und mit einer Gültigkeit sowohl für die Erste als auch die Zweite Liga versehen. „Sollte es ein Worst-Case-Szenario geben, bin ich davon überzeugt, dass Thomas uns wieder nach oben führen könnte“, sagte Heldt.
Laut dem „Kicker“ war der frühere Nationalspieler der Wunschkandidat des Managers. Schon in der vergangenen Woche, als Breitenreiter noch im Amt war, führten beide nach Angaben von Doll mindestens zwei Gespräche. Clubchef Martin Kind habe dem Bericht zufolge eher eine Rückkehr des früheren 96-Trainers Mirko Slomka favorisiert.
Häme im Netz wegen Doll
Im Internet wurde Dolls Bundesliga-Comeback sogar ziemlich herablassend behandelt. Neben den üblichen Namensspielchen („FC Dollywood“) wanderten am Sonntag und Montag vor allem die Erinnerungen an seine denkwürdige Pressekonferenz in Dortmund („Da lach ich mir doch den Arsch ab“) durch die virtuelle Welt.
Gemessen an diesem impulsiven Image, führte sich Doll in Hannover sehr leise und geerdet ein. Wenn es jedoch um die Beurteilung seiner Trainerkarriere ging, wurde er selbstbewusst. „Ich weiß, was ich kann. Ich bin schon 18 Jahre Fußball-Trainer“, sagte er.
In Zeiten der „Generation Laptoptrainer“ um so junge wie exzellent ausgebildete Fußballlehrer wie Julian Nagelsmann kommt es nur noch selten vor, dass jemand fast elf Jahre nach seinem Abschied aus der Bundesliga noch einmal eine Chance in der höchsten deutschen Spielklasse erhält. Thomas von Heesen, Frank Pagelsdorf oder Michael Skibbe: So hießen 2008 die Trainerkollegen von Thomas Doll. Auf einen Anruf wie den von Horst Heldt warten sie bislang vergeblich.
Doll: Über Saudi-Arabien und Ungarn zurück in die Bundesliga
Doll selbst hat die vergangenen Jahre in der Türkei, in Saudi-Arabien und in Ungarn verbracht, wo er mit Ferencvaros Budapest ein Mal Meister und drei Mal Pokalsieger wurde. „Ich habe nicht zu Hause gesessen und auf einen Anruf gewartet“, sagte er am Montag.
Aber er habe sich sehr über seine Rückkehr in die Bundesliga gefreut. „Ich habe nicht umsonst gestern und heute 160 WhatsApp-Meldungen dazu bekommen. Wenn man so lange dabei ist und immer noch so viel Feuer verspürt wie ich, dann kann man in jeder Liga der Welt gut arbeiten.“