Hamburg. Verband muss Leistungsport neu organisieren, weil Einnahmen aus dem Stadtlauf fehlen. Weniger Anmeldungen wegen Grippewelle.
Die Mitteilung „Personalveränderungen beim HLV“ auf der Homepage des Hamburger Leichtathletikverbandes (6549 Mitglieder in 64 Vereinen) umfasst neun Zeilen. Sie hinterlässt in dieser Kürze mehr Fragen als Antworten. Zahlreiche Mails besorgter Eltern, deren talentierte Kinder mit spitzensportlichen Ambitionen laufen, springen oder werfen, erreichten daraufhin das Abendblatt. Tenor: Jetzt bricht in der Hamburger Leichtathletik alles zusammen. Andere aber meinten: „Was soll hier zusammenbrechen, was nicht schon längst zusammengebrochen ist“ und forderten den Rücktritt des amtierenden Präsidiums. Ein langjähriges Vorstandsmitglied des HLV schrieb: „Ich bin einfach nur noch traurig.“
Dazu besteht wohl kein Grund. Die Probleme haben offenbar Kreativität, Konzepte und Kräfte freigesetzt, auf die der Verband glaubt, jetzt bauen zu können. „Richtig ist, dass wir gravierende finanzielle Engpässe hatten und haben mit spitzem Rotstift rechnen müssen. Das hat leider zur Trennung von drei hauptamtlichen Mitarbeitern geführt“, sagt Verbandspräsident Wolfgang Müller-Kallweit. „Wir haben aufgeräumt, uns inhaltlich neu aufgestellt. Wir sind nicht am Ende, wir starten einen vielversprechenden Neuanfang. Wir wollen unsere gebliebenen Ressourcen künftig effektiver einsetzen.“
Der leitende Landestrainer Wulf-Axel Struckmeier hatte den HLV bereits im Sommer verlassen, die Zusammenarbeit mit Beate Conrad, Landestrainerin Lauf, und HLV-Geschäftsführer Klaus Jakobs wird zum 31. Dezember offiziell beendet. Interpretiert man die Verbandsmitteilung, fällt Müller-Kallweit nur die Trennung von Jakobs schwer, bei dem er sich für die „lange Jahre währende vertrauensvolle Zusammenarbeit“ bedankt. Alle drei haben inzwischen neue Jobs oder diese in Aussicht. Struckmeier konnte seine halbe Lehrerstelle an der Heinrich-Hertz-Schule am Stadtpark auf eine ganze aufstocken. Er betreut weiter die Talentklassen Leichtathletik.
Einnahmeausfall von mehr als 100.000 Euro
Die „Personalveränderungen“ waren notwendig geworden, weil dem HLV inzwischen die Gelder fehlen, um den Leistungssports auskömmlich zu finanzieren. Ursprünglich sollte die Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH, eine 100-prozentige Tochter des Verbandes, diese Mittel bereitstellen. Bei der Gründung der GmbH im Jahre 2012, Geschäftsführer ist seitdem Frank Thaleiser, wurde dafür eine jährliche Lizenzsumme von zunächst 150.000, vor zwei Jahren dann von 224.000 Euro vereinbart. Die Zahlungen fielen zuletzt aber weit geringer aus, Leistungen und Gegenleistungen, Förder- und Sponsorengelder wurden zwischen HLV und GmbH verrechnet.
Genaue Daten sollen beim Verbandstag im Frühjahr 2019 vorgelegt werden. Unterm Strich, das scheint festzustehen, warf der Haspa-Marathon (Etat: rund drei Millionen Euro) in diesem Jahr erstmals nichts für den Verband ab, was eine Grundsatzdiskussion im HLV lostrat. „Wer ist für wen da, die Tochter, sprich GmbH, für die Mutter, den HLV, oder umgekehrt?“, fragte zum Beispiel Geschäftsführer Jakobs.
Präsident Müller-Kallweit stellte aber sofort klar: „Wenn der Marathon kollabiert, kollabieren wir auch. Wir wollen diese Veranstaltung auch als Aushängeschild für Hamburg.“ Die Schwierigkeiten spitzten sich im vergangenen Frühjahr zu, weil sich wegen einer Grippewelle im Februar/März 1100 Läufer in diesem Zeitraum weniger anmeldeten als 2017. Das summierte sich zu einem Einnahmeausfall von mehr als 100.000 Euro, Geld, das letztlich dem Verband fehlte. „Wenn der Marathon hustet, müssen wir uns ganz warm anziehen“, sagt Müller-Kallweit.
Körner hat bereits einiges bewegt
Hinzu kommt: Ende dieses Jahres verliert Hamburg seinen Status als Bundesstützpunkt Sprung/Mehrkampf, wodurch rund 15.000 Euro verloren gehen. Der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) war wiederum nicht bereit, Hamburg und Schleswig-Holstein als Anschluss einen gemeinsamen Stützpunkt Nachwuchsleistungssport zu gewähren. „Bis heute haben wir vom DLV dazu nichts Substanzielles gehört“, klagt der HLV. Die Förderung der Hamburger Stiftung Leistungssport wiederum war bereits 2017 turnusgemäß nach sechs Jahren ausgelaufen, und weil Leichtathletik keine Hamburger Schwerpunktsportart ist, fehlt auch die institutionelle Unterstützung des Hamburger Sportbundes (HSB) und des hiesigen Olympiastützpunktes (OSP). Dennoch stehen für 2019 noch rund 96.000 Euro für den Leistungssport zur Verfügung.
Konstantin Körner (HSV) ist seit drei Wochen HLV-Vizepräsident Leistungssport. In dieser Zeit und in den Wochen davor hat er bereits einiges bewegt. Er hat ein Konzept für den Spitzensport geschrieben, auch aus seiner Erfahrung als Vorsitzender des Verbandsrates, das den Schwerpunkt der Ausbildung künftig stärker bei den Vereinen sieht und den Verband als denjenigen, der die Rahmenbedingungen liefert.
Leistungen wie zum Beispiel Physiotherapie sollen bezahlt, Trainer fürs Krafttraining gestellt werden. Dreimal im Jahr will der HLV auf Wochenendseminaren mit den Clubs die Saisonplanung terminlich und inhaltlich besprechen, helfen, wo er kann. Weitsprung soll Schwerpunktdisziplin bleiben. „Wir werden für dieses Konzept keine neuen Trainer anstellen können, aber die Umsetzung wäre vorerst auch mit Honorarkräften auf 450-Euro-Basis zu schaffen.“
Vielleicht hilft auch ein virenfreies Frühjahr 2019. Thaleiser jedenfalls bleibt optimistisch: „Die Marathon GmbH war und ist kerngesund, und vermarktungsmäßig liegen wir fürs nächste Jahr schon ganz weit vorn.“