Der Club muss 2019 aufsteigen – sonst droht die Zweite Liga als Dauerzustand.
Der Zeitpunkt der Entlassung von Christian Titz kam nur auf den ersten Blick überraschend. Längst hatten der Vorsitzende Bernd Hoffmann, Sportchef Ralf Becker und die Mehrheit des Aufsichtsrats das Vertrauen in die Arbeit des HSV-Trainers verloren. Um der Gefahr zu entgehen, dass Titz in den kommenden Partien am Freitag bei Zweitliga-Aufsteiger Magdeburg und am kommenden Dienstag im DFB-Pokal bei Wehen Wiesbaden Siege landet und damit ein Rauswurf der Öffentlichkeit in näherer Zukunft nur schwer zu verkaufen wäre, handelten die Verantwortlichen lieber sofort.
Es mutet schon paradox an, dass der HSV nun vier Trainer bezahlt, neben Nachfolger Hannes Wolf und Titz auch Bernd Hollerbach und Markus Gisdol. Was zur Frage überleitet, ob die Schuld immer nur beim Trainer liegt. Die (gut bezahlten) Spieler kommen in schöner Regelmäßigkeit ungeschoren davon, obwohl sie es sind, die nicht die erhoffte Leistung erbringen. Was beispielsweise Aaron Hunt und Lewis Holtby gegen Bochum ablieferten, war mehr als arm. Und die technisch limitierte Innenverteidigung Bates/van Drongelen kann höchstens den Preis für den langsamsten Spielaufbau der Liga gewinnen. Den Kopf dafür musste nun Titz hinhalten. Aber dass jetzt mit dem Neuen auf einmal alles besser wird? Immerhin hat Wolf den Ruf, gerade Talente entwickeln zu können. Den Druck, sofort Ergebnisse liefern zu müssen, hat er genauso.
Dass Titz nur fünf Monate nach seiner Vertragsunterzeichnung als Chef der Profis schon wieder den Laufpass bekam, zeigt aber vor allem auch die Panik in der Clubführung vor den fatalen finanziellen Folgen, die ein verpasster Wiederaufstieg hätte.
Wer sich mit den Zahlen beschäftigt, kann die Nervosität von Hoffmann und Co. zumindest nachvollziehen. Im November wird der HSV die Bilanzzahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr veröffentlichen. Es ist von einem Minus von fünf bis sieben Millionen Euro auszugehen. Die sinkenden Erlöse im Unterhaus dürften in der aktuellen Saison zum nächsten Minus führen, das weit über dem Rekordverlust der Saison 2014/15 (16,8 Millionen Euro) liegen wird. Eigentlich konnte sich der HSV die Trainerentlassung gar nicht leisten. Kein Wunder, dass Wolf mit den Co-Trainern von Titz weitermacht.
Außerordentlich bedrohlich macht die finanzielle Lage zusätzlich die Fan-Anleihe in Höhe von 17,5 Millionen Euro, die im September 2019 fällig wird. Die Zeit eilt: Die Deutsche Fußball Liga wird bei der Lizenzierung für die Saison 2019/20 genau hinschauen, mit welchem Geld der Club die Summe zurückzahlen oder die Rückzahlung in die Zukunft verschieben will, wie zum Beispiel mit einer neuen Anleihe.
Ein weiteres Loch in die Kasse könnte auch das im Sommer neu zu vergebende Namensrecht am Stadion reißen, sollte Klaus-Michael Kühne keine Lust mehr haben, vier Millionen Euro dafür zu zahlen, dass die Arena weiter Volksparkstadion heißt. Bei den Verhandlungen mit der Airline Emirates über den 2019 auslaufenden Hauptsponsorvertrag (7,5 Millionen Euro/Jahr) macht es auch einen Unterschied, ob der HSV nur einen Abstecher in Liga zwei macht oder dort dauerhaft Station macht.
So geht die Angst um beim HSV. Sollte der Club den Aufstieg verpassen, müsste der Etat drastisch gekürzt werden. Mit einem normalen Zweitliga-Etat aber könnte eine Rückkehr in die Bundesliga in weite Ferne rücken. Der Trainerstuhl des HSV bleibt heiß.