München. Vorstandschef spricht erneut über Bernat. Breitner “deprimiert“ wegen Hoeneß. Schelte von Ex-Profis wegen Salihamidzic.
Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vom deutschen Fußball-Rekordmeister Bayern München hat die viel diskutierte Pressekonferenz der Bosse verteidigt, allerdings Präsident Uli Hoeneß für dessen Wortwahl am vergangenen Freitag getadelt. "Ich glaube, der Uli weiß, dass er zumindest mit dem einen Wort nicht sehr glücklich gelegen ist", sagte Rummenigge vor dem Abflug zum Champions-League-Spiel am Dienstag (18.55 Uhr MESZ/Sky) beim griechischen Meister AEK Athen.
Hoeneß hatte dem ehemaligen Bayern-Profi Juan Bernat vorgeworfen, in der vergangenen Saison beim FC Sevilla (2:1) "einen Scheißdreck" gespielt zu haben. Bernat sei deshalb zu Paris St. Germain verkauft worden. Rummenigge lobte Bernats gelassene Reaktion: "Ich muss ehrlich sagen, es hat mir gut gefallen, weil er damit sehr entspannt umgegangen ist."
Rummenigge sprach erstmals über die Motive für den aufsehenerregenden Auftritt der Münchner Bosse. "Sinn und Ziel der ganzen Geschichte war, der Mannschaft und dem Trainer zu zeigen, dass wir bereit sind, sie nach außen zu schützen. Das war ein wichtiges Zeichen für die Spieler", sagte er. Einige Profis hätten sich dafür bedankt.
Schelte für Umgang mit Salihamidzic
Nicht wenige ehemalige Spieler des Rekordmeisters wollen Rummenigge und Hoeneß nach der beispiellosen Pressekonferenz hingegen nicht so einfach davonkommen lassen. So kritisierten die früheren Bayern-Profis Dietmar Hamann und Thomas Berthold vor allem den Umgang der Clubbosse mit Hasan Salihamidzic. Hamann wertete es bei Sky90 als "Super-GAU" für den Sportdirektor, dass Rummenigge diesem auf dem Podium das Wort abgeschnitten hatte.
Rummenigge war am vergangenen Freitag dazwischen gegangen, als Salihamidzic auf ein angebliches Interesse am englischen Nationalspieler Jadon Sancho vor dessen Wechsel zu Borussia Dortmund angesprochen wurde. "Wenn er so abgekanzelt wird wie auf der PK, kann er sein Profil nicht schärfen", sagte Sky-Experte Hamann: "Intern hört man, dass er unheimlich fleißig ist und versucht, viel zu verändern. (...) Aber da muss ich ihn auch in der Öffentlichkeit stärken."
1990er-Weltmeister Berthold (53) pflichtete Hamann (45) in der Sendung am Sonntagabend bei. "Wenn ich jemanden direkt anspreche, sollten die Personen auch so viel Respekt haben und ihm die Möglichkeit geben zu antworten. Er ist doch kein Schuljunge", sagte er.
Breitner "deprimiert" auch wegen Hoeneß
Fassungslos gezeigt hat sich am Sonntagabend auch Ex-Nationalspieler Paul Breitner. "Mit diesem Auftritt haben sie die Arbeit kaputt gemacht, die der Verein in den letzten Jahren gemacht hat, um aus dem Arroganz-Image herauszukommen", sagte Breitner bei Blickpunkt Sport im Bayerischen Rundfunk.
Er sei "nach wie vor deprimiert, weil ich mir nie vorstellen konnte in 48 Jahren, die ich mit oder am Rande des FC Bayern lebe, dass sich dieser Verein diese Blöße gibt. Dass er diese Schwäche zeigt", ergänzte Breitner.
Dem Weltmeister von 1974 stieß vor allem der Auftritt seines Freundes Uli Hoeneß am vergangenen Freitag sauer auf. "Bei Uli geht es immer um die Bayern-Familie. Da müssten jetzt die Kinder der Familie sagen: 'Für den Papa müssen wir uns jetzt gewaltig schämen'", sagte er: "Karl-Heinz (Rummenigge) kommt vorbereitet da rein, bringt das Grundgesetz vor – und zehn Minuten später tritt der neben ihm dieses Grundgesetz mit Füßen. Und das schon seit einem halben Jahr."
Breitner (67) spielte auf die Hoeneß' scharfe Kritik an Bernat an. Diese stand im Kontrast zur Forderung der Clubchefs nach Respekt bei der Beurteilung der Profis des Rekordmeisters. Vorstandsboss Rummenigge hatte in diesem Zusammenhang Artikel 1 des Grundgesetzes ("Die Würde des Menschen ist unantastbar") zitiert. "Ich muss Respekt vorleben, Achtung vor den Menschen vorleben, Höflichkeit und Fairness vorleben, dann kommt auch einer zurück“, riet Breitner. „Das wäre eigentlich die oberste Aufgabe der Führung des Clubs FC Bayern.“
Rummenigge erinnert den BVB an den Druck
Das Medienecho "dieser Größenordnung" habe weder ihn noch Hoeneß überrascht, meinte Rummenigge indes am Montagmorgen: "Wir können damit leben." Das Wichtigste sei gewesen, dass die Mannschaft nach vier Spielen ohne Sieg mit dem 3:1 beim VfL Wolfsburg eine Reaktion gezeigt habe: "Ich glaube, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat, dass sie gefragt ist zu reagieren. Das hat sie gut gemacht. Ich hoffe und wünsche, dass wir da weitermachen."
Dass der Titelverteidiger in der Bundesliga vier Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Dortmund hat, ist aus Rummenigges Sicht eine Momentaufnahme. "Borussia Dortmund macht das gut, ohne Frage, die spielen einen sehr attraktiven Fußball und stehen korrekterweise da, wo sie gerade stehen", sagte er, "aber ich darf auch daran erinnern: Es sind noch 26 Spieltage, 78 Punkte im Topf, das ist noch eine lange Zeit. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man Druck kriegt, wenn man da oben steht."
Rummenigge: "Nicht Pressesprecher von Uli"
Dass er aus der Schelte für das verbale Abgrätschen des eigenen Sportdirektors bereits gelernt hat, bewies Rummenigge am Montag schließlich, als er auf eine Bemerkung von Hoeneß angesprochen wurde, wonach unzufriedene Münchner Spieler auch ein Problem für Trainer Kovac werden könnten. "Fragen Sie Herrn Hoeneß. Ich bin ja nicht der Pressesprecher von Uli", entgegnete Rummenigge, der die Bayern "auf einem guten Weg" sieht. Trainer Niko Kovac habe "alles im Griff", in der Königsklasse sei nach wie vor der Gruppensieg das Ziel: "Ajax Amsterdam steht vor uns, wir müssen versuchen, das zu korrigieren."