Hamburg. Der Hamburger wird 50 Jahre alt. Er prägte das Tennis als Spieler und Turnierchef. Auch als Unternehmer ist er erfolgreich.
Kürzlich saß Michael Stich in einem vornehmen Hamburger Hotel und sagte, er sei „froh, nicht mehr 20, 30 oder 40 zu sein“. Mit dem Leben, das er jetzt führe, sei er „sehr glücklich und zufrieden. Ich habe nicht den Wunsch, die Zeit zurückzudrehen.“
An diesem Donnerstag wird Stich 50 Jahre alt. Es ist ein besonderes Datum, aber kein besonderer Tag für ihn. „Mein Leben verändert sich nicht. Ich mache genau so weiter wie vor diesem Geburtstag.“ Allerdings ohne diese Aufgabe, die ihm stets eine Herzensangelegenheit war. Im Sommer schied er unfreiwillig als Turnierveranstalter am Rothenbaum aus. Hier erfüllte er sich 1993 seinen Kindheitstraum als Tennischampion, und hier war er seit 2009 für zehn Jahre Chef des Herrenturniers.
Absage an den ausgeprägten Egozentrismus
Die Veranstaltung im vergangenen Juli war eine Zäsur für ihn. Denn Stich sagte vermutlich Goodbye. Er hörte nicht nur als Turnierdirektor auf, er bestritt gegen John McEnroe, den alten Weggefährten und Rivalen, auch sein letztes Schaumatch. „Man soll aufhören, wenn es noch einigermaßen schön ist“, sagte Stich. „Irgendwann muss man die Fans davon erlösen, einen immer noch auf dem Court zu sehen.“
Es gab noch einen anderen Termin in diesem Sommer, der ihn emotional anfasste. Im US-amerikanischen Newport wurde er in die Ruhmeshalle des Tennis aufgenommen. Es lohnt sich, nach seiner Rede im Internet zu suchen. Stich sprach im Kern darüber, was der Sport ihm für sein Leben gegeben und gelehrt hat, wie er seinen Charakter formte und ausbildete. Es war auch eine Absage an den ausgeprägten Egozentrismus, der das moderne Tennis kennzeichnet und den der Turnierchef Stich oft verbittert aus nächster Nähe erlebte.
Immer in Beziehung zu Becker
Als Spieler wäre er vermutlich in jedem anderen Jahrzehnt anders betrachtet, bewertet und beurteilt worden als in jener Zeit, die er mit Boris Becker verbrachte – dem Mann, der 1985 den deutschen Urknall auf dem Centre-Court in Wimbledon ausgelöst hatte. Stich wurde selten bis nie nur über sich selbst definiert, sondern immer in Beziehung zu Becker gebracht – und an ihm gemessen. Das war selbst 1991 nicht anders, im Moment seines größten Erfolges, dem Triumph in Wimbledon gegen Becker.
Der Verlierer Becker stand anschließend mindestens genauso im Blickpunkt wie der Gewinner Stich. Ihn habe das nie gestört, sagt er. „Ich habe den Schatten von Boris nicht gesehen. Wir waren Konkurrenten, unterschiedliche Persönlichkeiten. Und wir haben beide von dieser Rivalität profitiert, weil sie uns zu besseren Tennisspielern gemacht hat.“ 1992 gewannen sie als Olympia-Doppel in Barcelona. „Die Goldmedaille ist neben Wimbledon der wichtigste Erfolg gewesen“, sagt Stich.
Großes Lob von Sampras
Aber Stichist häufig vorgeworfen worden, nicht genug aus seinen überragenden Potenzialen gemacht zu haben. Pete Sampras, lange Jahre einer der erbittertsten Widersacher, sagte einmal über Stich: „Wenn wir alle an unseren absoluten Limits spielen, ist Michael der Beste.“ Gleichwohl war er in den 90er-Jahren einer der Besten der Branche. Er war die Nummer zwei der Weltrangliste, gewann 1993 die ATP-Weltmeisterschaft in Frankfurt, siegte als bisher einziger deutscher Spieler bei allen deutschen Turnieren. Nach seinem Rücktritt versuchte er sich zunächst als Teamchef im Daviscup, scheiterte aber wie Becker an Eitelkeiten und Egoismen. Vorübergehend machte er sich rar, ehe er sich erfolgreich am Neuaufbau des Rothenbaum-Turniers engagierte.
Seit Jahren ist er zudem als Stiftungsgründer, Unternehmer im Gesundheitssektor und Start-up-Investor erfolgreich. Doch Tennis ist seine Herzensangelegenheit. Dazu gehört der jährliche Besuch in Wimbledon: „Ich genieße es, auf der Tribüne zu sitzen und die Atmosphäre aufzusaugen.“ Als ehemaliger Sieger und Mitglied des All England Lawn Tennis Club kann er das ein Leben lang. Aber auch das Einmischen. „Unsere Generation hat in wichtigen Fragen zuletzt nicht die Stimme erhoben. Das muss sich ändern.“