Wolfsburg jubelt, Kiel verpasst die Sensation. Labbadia klärt über Hohn der eigenen Fans auf und verrät, wer Sportchef wird.
Kiel. Die Emotionen hätten unterschiedlicher kaum sein können. Während Bruno Labbadia erleichtert seinen Co-Trainer Eddy Sözer umarmte, sanken die Spieler von Holstein Kiel enttäuscht zu Boden. Denn der Zweitligist hat die Sensation verpasst und verlor am Montagabend 0:1 im Relegationsrückspiel gegen den VfL Wolfsburg. Nach der 1:3-Niederlage im Hinspiel verpassten die „Störche“ den Aufstieg in die Bundesliga.
Damit muss Schleswig-Holstein weiterhin auf seinen ersten Teilnehmer im Fußball-Oberhaus warten. Wolfsburg kommt dagegen dank des Tores von Robin Knoche dagegen mit einem blauen Auge davon und bleibt weiterhin erstklassig. "Ich bin einfach nur leer, weil ich weiß, welche Schwierigkeiten hinter uns liegen", sagte Ex-HSV-Trainer Labbadia, der schon die Hamburger in der Relegation gegen Karlsruhe rettete, bei Eurosport. "Dieses Mal war es anders als beim HSV. Es war noch schwieriger. Meine Erfahrung hat mir geholfen."
Als Moderator Jan Henkel bei Labbadia nachhakte, welche Schwierigkeiten er konkret meine, holte dieser aus – und nannte seine angespannte Beziehung zu den Fans, die ihn seit Amtsantritt mit dem Song "Wir steigen ab, wir kommen nie wieder, wir haben Bruno Labbadia" verhöhnen. So habe der ungeliebte Coach bei einem Fantreffen die Anhänger zur Rede gestellt.
Schmähgesänge: Labbadia gibt Aufschluss
"Ich habe sie gefragt, warum sie meine Arbeit hinterfragen. Denn wenn es einer bewiesen hat im Abstiegskampf, dann bin ich das. So selbstbewusst bin ich", führte der Hamburger des Jahres 2015 aus. "Die Fans haben mir dann allen Ernstes geantwortet, dass es sich um einen Spaß gehandelt habe. Es war allerdings ein sehr doofer Spaß, der unglaublich viel Kraft gekostet hat und mich sehr getroffen hat. Ich brauche eine emotionale Bindung zu den Fans, um meine gesamte Leidenschaft einzubringen."
Im weiteren Verlauf des Interviews kritisierte Labbadia auch das Chaos im Club um die Entmachtung von Ex-Sportchef Olaf Rebbe, den öffentlich gewordenen gescheiterten Verhandlungen mit Horst Heldt und der anschließenden Entlassung Rebbes mitten im Saisonendspurt. Immerhin wird Wolfsburg nicht mehr lange führungslos bleiben. Labbadia ließ durchblicken, dass wie erwartet Jörg Schmadtke neuer sportlicher Verantwortlicher beim VfL wird.
Zu diesem Zeitpunkt dauerte die Ehrenrunde von Holstein-Coach Markus Anfang noch an. Der 43-Jährige wechselt zur kommenden Saison zu Absteiger 1. FC Köln und wurde mit großem Applaus verabschiedet. Anfang ließ seinen Emotionen freien Lauf und vergoss viele Tränen. "Wir waren die klar bessere Mannschaft und müssen einfach nur das Tor machen. Dieses Spiel müssen wir nicht verlieren", sagte der Fußballlehrer. "Der Abschied war sehr emotional. Es tut weh, sich mit einer Niederlage zu verabschieden."
Labbadia packt Anfang am Nacken
Nicht wirklich wehgetan haben dürfte Anfang eine Attacke Labbadias, der seinen Kieler Kollegen nach dem Abpfiff von hinten am Nacken packte und daraufhin ein Wortgefecht auslöste. Hinterher erklärte der VfL-Coach seinen Übergriff mit dem Verhalten Anfangs. "Ich glaube, dass mein junger Kollege noch etwas lernen sollte", sagte Labbadia bei Eurosport. "Schon im Hinspiel hat er sich über viele Leute beschwert. Er kam auch heute ständig mit irgendwelchen Sachen. Ich erwarte ein bisschen Respekt. Vor allem, wenn jemand neu im Geschäft ist. Das bleibt unter uns, aber ich habe ihm eben klar meine Meinung gesagt."
Anfang wiederum blockte Nachfragen zu dem Geschehen ab. "Es war eigentlich nichts Wildes. Er hat mir die Hand gegeben, und ich habe einfach nur gesagt, dass wir es heute aber eigentlich verdient gehabt hätten. Darauf hat er nicht reagiert", sagte Anfang. "Dann bin ich auch wieder gegangen, alles andere müssen Sie ihn selber fragen." Eurosport-Experte Matthias Sammer wollte die Szene indes nicht überbewerten und freute sich vielmehr über zwei "echte Typen".
Malli-Tor wegen Abseits aberkannt
Angepeitscht von 13.400 Zuschauern, die für eine prächtige Endspiel-Atmosphäre sorgten, belohnte sich Kiel nicht für seinen aufopferungsvollen Kampf. Der Dritte der abgelaufenen Zweitligasaison hatte zwar deutlich mehr Spielanteile, biss sich aber an kompakten „Wölfen“ die Zähne aus. Bis zum letzten Drittel kombinierte sich Kiel gut durch die eigenen Reihen, dann fehlte es aber an Durchschlagskraft.
In einer torchancenarmen Partie jubelte Wolfsburg kurzzeitig schon einmal in der ersten Halbzeit. Doch Yunus Mallis (18.) Treffer wurde nach dem Eingreifen des Videoschiedsrichters aberkannt. Denn beim Abschluss des Deutsch-Türken stand VfL-Stürmer Divock Origi im Blickfeld des Kieler Torhüters Kenneth Kronholm.
Unmittelbar nach der Pause hatten dann die Fans der Heimelf den Torschrei auf den Lippen, als Offensivspieler Aaron Seydel (47.) nach Vorarbeit von Außenverteidiger Patrick Herrmann einen Kunstschuss mit der Hacke probierte, aber am glänzenden Reflex von VfL-Keeper Koen Casteels scheiterte.
Knoche köpft Wolfsburg zum Sieg
Mit zunehmender Spieldauer übernahmen die Gäste aus Niedersachsen die Spielkontrolle. Folgerichtig verwertete der sträflich allein gelassene Knoche (78.) eine Ecke von Kapitän Maximilian Arnold.
Immerhin ließ sich Kiel nicht hängen und stemmte sich gegen die Niederlage. Der Ausgleichstreffer von Abwehrchef Rafael Czichos, der eine Ecke von Marvin Duksch mit angelegtem Arm über die Linie drückte, wurde allerdings nachträglich wegen Abseits zurückgenommen. Schiedsrichter Daniel Siebert sah sich die Szene nach einem Hinweis seines Videoassistenten mehrfach an und korrigierte seine Entscheidung.
„Und ihr wollt Erste Liga sein“
Anschließend herrschte nur noch Frust im Holstein-Stein. Die Kieler Fans sangen „Und ihr wollt Erste Liga sein“ in Richtung der Gäste.
Wolfsburg dürfte das egal gewesen sein. Wie in der Vorsaison rettet sich der VfL über den Umweg Relegation. Wegen einer starken Vorstellung im Hinspiel und einem abgeklärten Auftritt in Kiel ist der Klassenerhalt für die Mannschaft von Trainer Labbadia insgesamt verdient.
Die Statistik
Kiel: Kronholm – Patrick Herrmann (80. Peitz), Schmidt, Czichos, van den Bergh – Kinsombi – Schindler, Weilandt (76. Janzer), Mühling, Seydel – Ducksch. – Trainer: Anfang
Wolfsburg: Casteels - William, Knoche, Brooks, Uduokhai – Guilavogui – Malli (76. Camacho), Arnold – Steffen, Brekalo (90.+2 Blaszczykowski) – Origi (84. Dimata). – Trainer: Labbadia
Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)
Tor: 0:1 Knoche (75.)
Zuschauer: 12.000 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Patrick Herrmann, Peitz, Ducksch – Uduokhai, Brooks
Torschüsse: 11:13
Ecken: 5:5
Ballbesitz: 56:44 %