Hamburg. Hamburgs Goldmedaillengewinner von 2012 wird aus dem A-Nationalkader gestrichen. Bruder Torben ist im Achter dabei.
An diesem Donnerstag hat Uwe Bender einen wichtigen Termin. Am Bundesstützpunkt der Ruderer in Dortmund gibt der Disziplintrainer für den Riemenbereich der Männer die Namen der Sportler bekannt, die Mitte September mit dem Paradeboot, dem Deutschland-Achter, bei der WM in Plowdiw (Bulgarien) die Goldmedaille gewinnen sollen.
Und auch wenn um die Präsentation der Topathleten bis zum offiziellen Nennungstermin ein Geheimnis gemacht wird, ist die Berufung eines Hamburgers sicher. Torben Johannesen (23), der im vergangenen Jahr in Sarasota (US-Bundesstaat Florida) bereits zum siegreichen WM-Achter gezählt hatte, ist auch in dieser Saison eingeplant. „Aufgrund seiner physiologischen Leistungen und seines zweiten Platzes bei den Kleinbootmeisterschaften in Essen ist er ein heißer Kandidat“, sagt Bender.
Eric Johannesen intern nur Neunter
Dass er den Namen Johannesen nicht doppelt aufzählen wird, ist keine Überraschung. Torbens Bruder Eric (29), 2012 in London Olympiasieger und vier Jahre später in Rio de Janeiro Silbermedaillengewinner mit dem Achter, hatte bei den internen Ausscheidungsrennen in Essen mit seinem Berliner Partner Anton Braun nur den neunten Rang belegt und damit die Chance, erstmals gemeinsam mit seinem Bruder um WM-Ehren zu kämpfen, zunächst vertan.
Umso überraschender traf ihn allerdings der Bannstrahl für die gesamte Riemen-Nationalmannschaft. „Leider hat mir der Bundestrainer mitgeteilt, dass er für mich auch im Zweier oder Vierer aktuell keine passenden Partner sieht und ich deshalb in seinen Planungen für diese Saison keine Rolle spiele“, sagt Eric Johannesen.
Bundestrainer Bender begründet die Ausbootung von Hamburgs Sportler des Jahres 2011 mit dessen Leistungsrückstand. „Eric war physiologisch immer einer unserer stärksten Athleten. In diesem Jahr lag er aber bei den Ergometertests nur im Mittelfeld, und die Leistung in Essen hat dann den Ausschlag dafür gegeben, dass wir ihm in diesem Jahr keinen Platz im Riemenbereich anbieten können“, sagt er. Angesichts der einjährigen Wettkampfpause, die Johannesen nach den Sommerspielen 2016 in Brasilien eingelegt hatte, sei die Formschwäche nicht verwunderlich. „Wir erleben das nicht zum ersten Mal, dass ein Pausenjahr Spitzenathleten zurückwirft“, sagt er.
Das sind Hamburgs Sportler des Jahres
Für die Ambitionen der Brüder, die in diesem Jahr von ihrem Heimatverein RC Bergedorf zum RC Favorite Hammonia gewechselt sind, 2020 in Tokio gemeinsam Olympiagold zu gewinnen, ist die Entscheidung ein herber Rückschlag. „Für mich stellt sich die derzeitige Situation ziemlich perspektivlos dar“, sagt der Absolvent der Hamburg School of Business Administration, der seine beruflichen Ambitionen zugunsten der Rückkehr in den Leistungssport auf Eis gelegt hatte und zum 1. Mai mit seinem Bruder eine Wohnung in Dortmund beziehen wollte. „Diese Pläne sind nun hinfällig, und ich muss jetzt schauen, welche Optionen sich mir bieten“, sagt er.
Keine Option ist die Beendigung der Karriere. Aktuell trainiert der gebürtige Oberhausener mit seinem Zweierpartner Braun in Berlin. Um Wettkampfpraxis sammeln zu können, hat ihm Bundestrainer Bender einen Wechsel in den Skullbereich nahegelegt. Die Skuller bedienen im Unterschied zum Riemenrudern, wo mit beiden Armen ein Ruder bewegt wird, mit jedem Arm ein Skull. Sich darauf umzustellen ist für Profis kein großes Problem. Sich allerdings bei den Skullern auf A-Kader-Niveau einzupendeln ist für Eric Johannesen in dieser Saison nicht zu schaffen.
Wechsel in den Skullbereich ist eine Option
„Es gibt aber die Idee, Eric im B-Kader die Chance zu geben, im Wettkampfmodus zu bleiben. Dafür hätten wir einige internationale Regatten zur Auswahl“, sagt Marcus Schwarzrock, Benders Pendant im männlichen Skullbereich am Bundesstützpunkt Ratzeburg/Hamburg. Klar sei, dass man einen solch verdienten Athleten nicht fallen lassen werde. „Eric ist einer unserer erfolgreichsten Sportler. Sein Ziel ist Tokio 2020, und auf diesem Weg werden wir ihn mit all unseren Kräften unterstützen“, sagt Schwarzrock. Uwe Bender bestätigt diese Auffassung. „Wir wollen Eric unbedingt im System halten. Wenn er zu alter Stärke zurückfindet, kann er auch im Riemenbereich jedes unserer Boote verstärken. Er soll sich die Zeit nehmen, um seine Bestform zurückzuerlangen“, sagt er.
Selbst eine Rückkehr in dieser Saison sei nicht ausgeschlossen, sollte einer der nominierten Athleten aufgrund von Formschwäche oder Verletzung ausfallen. Realistisch, das weiß Eric Johannesen, ist das allerdings nicht. Deshalb will er nun die Hügelregatta in Essen (11. bis 13. Mai), bei der er in einem selbst zusammengestellten Vierer startet, abwarten – und dann den Kampf um Tokio 2020 aufnehmen.