Les Herbiers/Köln. Drittligist aus einem kleinen Städtchen in der Nähe von Nantes zieht ins Pokalfinale ein und sorgt für Ekstase an der Atlantikküste.
Als die Pokalhelden von Les Herbiers um zwei Uhr nachts in ihre Heimat zurückkehrten, war das halbe Dorf noch auf den Beinen. Oder genauer: Der Teil, der das Fußball-Wunder nicht live vor Ort miterlebt hatte. Mit bengalischen Feuern empfingen knapp 1000 Fans die nicht mehr ganz nüchterne Mannschaft des französischen Drittligisten, die wenige Stunden zuvor ihre "historische Reise" mit dem Einzug in das Pokalfinale gekrönt hatte.
"Ich habe vor diesem Spiel kaum geschlafen, nichts mehr gegessen. Ich bin so stolz, dass wir es geschafft haben. Wir fahren nach Paris!", sagte Trainer Stephane Masala nach dem 2:0 (1:0) im Halbfinale gegen den FC Chambly, ebenfalls ein Drittligist. Weil das eigene Stadion viel zu klein ist, war Les Herbiers in die WM-Arena im 75 Kilometer entfernten Nantes umgezogen.
Dort sorgten 35.000 Fans für ein ausverkauftes Haus, fast alle trugen das Rot und Schwarz der Gastgeber. Und unter den Zuschauern fieberten auch Edelfans wie Schauspieler Philippe Katerine, der mit Gerard Depardieus Tochter Julie liiert ist, oder Ex-Nationalspieler Patrice Loko mit den Gastgebern.
Etat von zwei Millionen Euro
Les Herbiers liegt in Westfrankreich, etwa 80 Kilometer vom Atlantik entfernt. Viel los ist in dem 16.000-Einwohner-Städtchen in der Regel nicht: Ab und zu besuchen Touristen die Reste der Benediktiner-Abtei, im Herbst findet hier das Radrennen "Chrono des Nations" statt, das Tony Martin von 2011 bis 2013 dreimal gewann. Eine Städtepartnerschaft existiert mit Liebertwolkwitz, einem Stadtteil von Leipzig. Das war's.
Und dann gibt es da eben noch den Fußball-Club VF Les Herbiers. 2015 stiegen die "Roten Teufel" erstmals in die dritte Liga auf, nun steht der Club plötzlich im Pokalfinale und träumt vom Europapokal. Und das mit einem mickrigen Budget von zwei Millionen Euro. Zum Vergleich: Paris St. Germain und SM Caen, die beiden anderen Halbfinalisten, kommen auf 540 bzw. 31 Millionen.
Fans stehen für den Bus Spalier
Zugegeben: Les Herbiers hatte auch Losglück, die dicksten Brocken auf dem Weg ins Endspiel am 8. Mai im Stade de France waren die Zweitligisten Auxerre und Lens. Das interessierte am Dienstagabend jedoch niemanden mehr. "So etwas werden wir nie wieder sehen, das gibt es nur einmal im Leben", sagte Generalsekretär Lilian Bossard angesichts des triumphalen Empfangs in Les Herbiers. Etliche Fans jubelten dem Teambus schon in den Straßen zu, ehe die große Sause im kleinen Stade Massabielle folgte.
Und nun? Die Rot-Schwarzen sind erst der dritte Drittligist im französischen Pokalfinale, sowohl Olympique Nimes (1996) als auch US Quevilly (2012) verloren jeweils nur mit einem Tor Unterschied. 2004 hatte Calais RUFC sogar als Viertligist das Endspiel erreicht und "nur" 1:2 gegen Nantes verloren. Vielleicht gelingt Les Herbiers im Mai vor 80.000 Zuschauern also das ganz große Wunder. "Warum nicht?", sagte Trainer Masala: "Zu verlieren haben wir jedenfalls nichts."