Leipzig. Deutsche Frauen verlieren letztes WM-Gruppenspiel gegen die Niederlande 23:31 – trotz Unterstützung des Fanclubs.
Rafael lächelte in der Arena Leipzig sein typisches Van-der-Vaart-Lächeln. Und sein fünf Monate altes Töchterchen Jesslynn schien in seinem Arm zu hüpfen. Jesslynns Mutter, Rafaels Lebensgefährtin Estavana Polman (2 Tore), deklassierte mit Vizeweltmeister Niederlande die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) im letzten Gruppenspiel der Heim-Weltmeisterschaft mit 31:23 (18:10), die nach dieser Lehrstunde nun am Sonntag (20.30 Uhr/Sport1) in Magdeburg im Achtelfinale auf Dänemark trifft. „Da werden wir ganz anders auftreten“, versprach Bundestrainer Michael Biegler. „Wir haben nicht das abgerufen, was man in solch einem Spiel zeigen muss. Natürlich hatte ich mir das so nicht vorgestellt. Wir müssen das jetzt schnell reparieren.“
Egal, ob Fußball oder Handball, es sei „immer etwas Besonderes“, wenn Deutschland gegen Holland spielt, hatte der ehemalige HSV-Star van der Vaart vorher erklärt. Tja, Käse-Hüte wackelten vor Freude unter den 6000 Zuschauern in der ausverkauften Leipzig Arena. Gedämpfte Stimmung herrschte derweil bei der angereisten Busladung aus Buxtehude – 42 Anhänger des deutschen Pokalsiegers waren am Freitag extra zu dem entscheidenden letzten Vorrundenspiel gefahren. Mit Manager Peter Prior (60) als Reiseleiter, der nüchtern feststellte: „Die Niederlande haben uns die Grenzen aufgezeigt. Und Kim Naidzinavicius (Kreuzbandriss) hat hinten und vorne gefehlt. Heute konnten wir ihr Fehlen nicht mehr kompensieren.“ Am Ende feierte nur eine Buxtehuder Spielerin: Lynn Knippenborg im Kader der Niederländerinnen. Die anderen drei Vereinskolleginnen, Emily Bölk, Lone Fischer und Friederike Gubernatis, erlebten allesamt einen Tag zum Vergessen. Nur Bölks Zimmerkollegin Alicia Stolle im rechten Rückraum zeigte als DHB-Topscorer (6 Tore) eine gute Leistung.
Emily Bölks Mutter kommt im Fanshirt
Emily Bölks Mutter Andrea, 1993 in Norwegen am bisher einzigen WM-Titel der BRD beteiligt, konnte in ihrem Fanshirt mit dem Schriftzug „BÖLK“ auf dem Rücken nur einen Treffer ihrer Tochter bejubeln – die 19-Jährige traf einen ihrer fünf Versuche. Im Buxtehuder Block saß ihre erste Trainerin Sonja Prior, die Frau von Manager Prior. Sie trainiert in Buxtehude die Minis, die „Little Buxis“ und die E-Jugend (männlich und weiblich), also die Vier- bis Elfjährigen. „Emmy“ bekam Prior als Vierjährige ins Training, „als wir noch eher Turnen mit Ball gespielt haben, aber Emmy war schon immer ein bisschen größer als alle anderen“, erinnert sich die 61-Jährige, die selbst bis zum Erstliga-Aufstieg 1989 die Kapitänin und Spielmacherin des BSV gewesen war.
BSV-Bundesligatrainer Dirk Leun, auch mit dem Fanbus um 8 Uhr an der Halle Nord aufgebrochen, freute sich vor dem Spiel ganz besonders über die bisherigen Turnierleistungen von Friederike Gubernatis. Mit ihr war er als Juniorinnennationalcoach 2008 U-20-Weltmeister geworden. „Das ist toll für Fredda und toll für Buxtehude, damit der Verein nicht nur über Emily Bölk definiert wird. Wir haben hier drei Spielerinnen bei der WM.“ Leun betont das Wort „drei“. Über Gubernatis sagte er noch: „Sie hatte früher ein mega Kopfproblem, hat sich leicht verunsichern lassen. Aber sie ist viel gelassener geworden und lässt das alles emotional nicht mehr so dicht an sich heran.“
Torgarantin Lone Fischer darf nicht als Linksaußen ran
Nicht ganz verstehen kann Leun, weshalb Torgarantin Lone Fischer bei der WM nicht endlich mal auf Linksaußen von Beginn an ran darf. Bundesliga-Toptorjägerin Angie Geschke, in ihrem Verein in Oldenburg eine Halblinke, bekommt von Bundestrainer Michael Biegler stets den Vorzug, trotz der höheren Fehlwurfquote. Geschke spielte wie schon gegen Südkorea im zweiten Spiel (23:18) durch.
Leun hatte während der Busfahrt eine ungewohnte Aufgabe übernommen. „Ich mache heute das Portemonnaie. Alles kostet einen Euro. Wollen Sie ein Käsebrötchen?“, fragte er. Mit den Händen fächerte er ein schwarzes Kellner-Portemonnaie auf. Vor ihm auf dem Tischchen türmten sich 50 belegte Brötchen in Bäckerei-Tüten, mit Mett und Käse; unter seinen Füßen standen Kisten mit Selter und Flensburger. Der 53-Jährige wollte wegen seiner Knieprobleme den Platz am Mittelausgang, und das ist nun mal traditionell der Verkaufsplatz des „Caterings“, das der „BSV-Fanclub Has’ und Igel“ organisiert. „Es ist mir eine Ehre“, witzelte Leun. „Das macht ja unseren Verein aus.“ Der langjährige Fanclub-Vorsitzende Adolf Will (77) hatte derweil schon das Wurstwasser aufgesetzt. Zu dem Bus gehört seitlich am Mittelausgang eine Kaffeemaschine und eine Vorrichtung zum Erhitzen von Wurstwasser. Auf der Raststätte Magdeburg-Börde servierte er dann die Wiener aus dem Fenster des Busausgangs. Zum Einheitspreis: ein Euro.
Der Fanclub „Has’ und Igel“ feiert Jubiläum
Der Fanclub „Has’ und Igel“ feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Er zählt 130 Mitglieder, zu erkennen an den blau-gelben Kutten und den blau-gelben Polohemden darunter. Die Maskottchen Hase und Igel reisen nicht mehr mit zu Auswärtsfahrten. „Ach, das haben wir jahrelang gemacht“, seufzt Adolf Will. „Aber die Kostüme kamen immer ramponiert zurück. Da war dann mal der Arm vom Igel ab, und den Hasen hatte es am Bein erwischt. Die Reparatur war immer teuer“, sagt der Fleischermeister in Rente. Warum bloß diese Maskottchen? „Das Märchen lernt in Buxtehude jeder Abc-Schütze.“ Der legendäre Wettlauf habe sich übrigens drei Kilometer entfernt von der Halle Nord zugetragen.
In Leipzig traf die Truppe dann nach 500 Kilometern Fahrt und einem kurzen Frischmachen im Tagungshotel auf den harten Kern an Buxtehude-Fans, zehn Leute, die bei allen fünf deutschen Gruppenspielen die Fahne hochgehalten haben. Für das Final4 in der Hamburger Barclaycard-Arena (15. und 17. Dezember) hat sich der Buxtehuder SV sogar ein Kontingent von 250 Karten gesichert.
Nach dieser Klatsche war sich aber keiner im Buxtehuder Block mehr sicher, ob es die Ladys nach diesem Auftritt überhaupt bis nach Hamburg schaffen. Rafael van der Vaart kann dagegen auf eine Rückkehr in den Volkspark hoffen.
Die Achtelfinal-Paarungen: Deutschland – Dänemark, Russland – Südkorea, Niederlande – Japan, Serbien – Montenegro, Schweden – Slowenien, Norwegen – Spanien, Frankreich – Ungarn , Rumämien – Tschechien.