München. Zwischen Bundesligafrust und Vorfreude auf Paris versuchen die Bayern, die Köpfe durchzupusten. Mit Unterstützung zweier Ex-HSVer.
In ihren schicken Trachten lächelten die Spieler von Bayern München auf dem Weg in "Käfer's Wiesn-Schänke" pflichtschuldig in die Kameras. Doch nach Feiern war ihnen am Sonnabend beim obligatorischen Ausflug auf das Oktoberfest nicht zumute. Was als fröhliche Einstimmung auf das mit Spannung erwartete Duell in der Champions League gegen Paris St. Germain mit Topstar Neymar gedacht war, diente nach dem 2:2 (2:0) in der Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg der Frustbewältigung.
Sportdirektor Hasan Salihamidzic sprach zunächst von einem "ganz schönen Scheißtag". Das werde, sagte Weltmeister Mats Hummels mit finsterer Miene im Vorfeld, "nicht ganz so ausgelassen, wie es hätte werden können". Thomas Müller mühte sich immerhin, dem Ausflug auf die Wiesn eine positive Seite abzugewinnen: Das sei "ein ganz guter Stimmungsaufheller", für das "Teambuilding ist die Maßnahme nicht schlecht". Ja, ergänzte Salihamidzic, "das bringt uns alle nochmal ein bisschen zusammen". Dennoch: "Wenn man keine drei Punkte holt, wurmt einen das natürlich schon", bekannte Müller.
Salihamidzic: "Den Kopf freikriegen"
Geplant war der Sonnabend tatsächlich anders. Denn der Wunsch, bei einem fröhlichen Ausflug mit den Familien auf dem Oktoberfest in Lederhosen und Trachtenhemd auf eine Neun-Punkte-Woche in der Bundesliga und voller Zuversicht auf das Topspiel in der Königsklasse am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky und ZDF) beim Millionen-Club Paris St. Germain anstoßen zu können, war schon am Freitagabend geplatzt. Stattdessen mussten sie sich die Münchner erst mal Gedanken machen, warum sie gegen Wolfsburg so schlecht waren. Auf der Wiesn, sagte Salihamidzic, wollten sie versuchen, "auch den Kopf wieder freizukriegen".
Rückschlüsse auf das "Aufeinandertreffen zweier Kulturen und unterschiedlicher Philosophien", wie Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das "Prestigespiel" im Prinzenpark bezeichnete, wollten die angeschlagenen Bayern aber nicht zulassen. "Fußball ist Tagesgeschäft. Das wird ein ganz anderes Spiel. Und wenn wir ein super Spiel machen, ist alles wieder gut", meinte Hummels vor einem "der fünf schwersten Spiele in Europa". Letztendlich stelle der Innenverteidiger aber selbstkritisch fest:"Wir spielen noch nicht den Fußball, den wir uns vorstellen."
Schwächster Saisonstart seit sieben Jahren
Tatsächlich hat der Serienmeister in der Bundesliga seine Dominanz nach dem schwächsten Saisonstart seit sieben Jahren erst einmal eingebüßt. Titelrivale Borussia Dortmund glänzt aktuell mit meisterlichem Fußball wie beim 6:1 gegen Gladbach. Der BVB ist drei Punkte voraus. Und in Europa? Was heißt das böse Erwachen gegen Wolfsburg für Paris? Es könne alles bedeuten, sagte Müller, "von der Trotzreaktion bis zur schlechten Phase“. Schon wieder steht ein Schlüsselspiel an.
"Wir wollten die Generalprobe natürlich gut bestehen", sagte Salihamidzic, die dürftige Leistung gegen Wolfsburg habe aber nichts zu bedeuten: "In der Champions League muss man keinen motivieren. Da werden wir ganz anders auftreten." Das wird auch bitter nötig sein, um gegen 222-Millionen-Mann Neymar, Jungstar Kylian Mbabbé, für den PSG 180 Millionen Euro zahlen wird, Julian Draxler und Kollegen keine böse Überraschung zu erleben.
Müller: "Ein Rückschritt in Sachen Intensität"
Zumal die Münchner gegen den VfL nicht zum ersten Mal in dieser Saison schlafmützig und uninspiriert wirkten. Müller machte nach zuletzt ordentlichen Auftritten gegen Mainz und Schalke "fehlende geistige Frische" aus: "Wir haben es passieren lassen und den Sieg weggeschmissen. Wir haben Wolfsburg den Punkt mit Schleife übergeben. Das war ein Rückschritt in Sachen Intensität."
Deswegen müsse die Mannschaft in Paris "viel konzentrierter und entschlossener sein", forderte Salihamidzic: "Wir dürfen nicht so viele Fehler machen." Vor allem auch nicht jene, wie sie Torhüter Sven Ulreich unterliefen. Der Vertreter von Manuel Neuer griff beim scheinbar beruhigenden Stand von 2:0 durch die Tore von Robert Lewandowski (33., Foulelfmeter) und Arjen Robben (42.) bei einem Freistoß von Maximilian Arnold böse daneben und ermöglichte so den Anschlusstreffer (56.). Daniel Didavi erzielte den Ausgleich (83.).
Vorwürfe an Ulreich gab es allerdings keine. "Sein Fehler hat das Resultat nicht beeinflusst. Das Resultat kommt von unserer Performance und die war nicht gut", sagte Trainer Carlo Ancelotti, der es weiterhin nicht schafft, Konstanz in sein Team zu bringen. Für die Partie in Paris müsse man sich wegen Ulreich auch "keine Sorgen machen", versicherte Müller: "Er wird nicht mit einer Zitterhand auflaufen."
Augenthaler hält nichts mehr von der Wiesn
Übrigens: Während sich Bayerns Legendtruppe um die Ex-HSVer Oliver Kreuzer und Ivica Olic beim Oktoberfest fröhlich zuprosteten, ist eine andere Club-Ikone gar nicht mehr gut auf die Wiesn zu sprechen. "In jungen Jahren hattest du Pflichtveranstaltungen mit dem FC Bayern und bist dann auch mal privat hingegangen oder dann auch mit den Kindern. Mit den Jahren wurde es immer weniger“, sagte der frühere Weltklasse-Libero Klaus Augenthaler vor seinem 60. Geburtstag am kommenden Dienstag. "Als ich das letzte Mal dort war, habe ich mehr Sicherheitspersonal als Leute in einer Tracht gesehen. Es hat nicht mehr das Flair von damals.“
Augenthaler wurde mit dem FC Bayern siebenmal Deutscher Meister, 1990 gewann er mit dem Nationalteam in Italien die WM. Der leidenschaftliche Angler lebt heute in Drößling unweit des Ammersees. Für die Münchner ist der 404-malige Bundesligaspieler in der Jugendausbildung internationaler Fußballschulen tätig.