Hamburg. Loic Favé ist erst 24 Jahre alt, hat aber eine Menge erreicht – vor allem den Aufstieg in die Bundesliga mit der B-Jugend des ETV.
Die Interviews nach dem großen Triumph gab er wie in Trance. „Ich habe erst am nächsten Tag vollständig realisiert, was wir da eigentlich erreicht haben“, sagt Loic Favé. Mit der U17 des Eimsbütteler TV ist der 24-Jährige in der Relegation gegen den Chemnitzer FC in die B-Jugend-Bundesliga aufgestiegen. Ein Novum für Hamburgs größten Breitensportverein, der in seiner 128-jährigen Vereinsgeschichte zuvor nie eine Jugend-Bundesligamannschaft stellte.
Überrascht von dem Erfolg, startete der Verein vorsorglich eine Crowdfunding-Aktion mit der Volksbank. Bis Ende September sollen 7500 Euro erlöst werden, um die erhöhten Kosten für die oberste Liga zu finanzieren. Es wird wohl nicht die letzte Initiative dieser Art sein, wenn Favé seinen Ruf als Hamburgs Aufsteiger unter den Jugendtrainern bestätigt.
Frühes Ende als Aktiver nach drei Fußbrüchen
2010 beendete der Olympique Marseille-Fan, dessen Mutter aus Frankreich stammt, als 17-Jähriger seine neunjährige Spielerkarriere beim ETV. „Ich war Stürmer, habe auch ein paar Tore geschossen, war aber etwas zu langsam“, stellt er sich selbst ein kritisches Zeugnis aus. Pech kam dazu. Drei Fußbrüche musste er verkraften. Ein Freund überredete ihn, es als Jugendtrainer zu versuchen. Es folgte eine Story, die beweist, wie wertvoll Rückschläge im Leben sein können.
2012, nach der Übernahme des Leistungsjahrganges der U12, folgte sofort das Pokalaus gegen den HEBC II, 2013 verpasste die Mannschaft den Aufstieg in die Landesliga. „Das hat mich damals extra motiviert“, sagt Favé. Er liest viel, will den Fußball so umfassend wie möglich begreifen, kreative Trainingsmethodik und Athletik werden seine Steckenpferde.
Auch bleibt er bei seinem Team, begleitet die jungen Spieler beim fußballerischen Erwachsenwerden – und weist nun eine imponierende Bilanz vor: Aufstieg in die Landesliga und Oberliga (mit der U14), Hamburger Meister (U15), Aufstieg in die Regionalliga (U 16) und nun der Sprung ins Oberhaus: in die Bundesliga (U17).
Favé lernte von HFV-Trainern
Sein Talent blieb nicht lange verborgen, Favé wurde Stützpunkttrainer beim Hamburger Fußball-Verband (HFV) und Co-Trainer der U17-Auswahl. Die Trainerscheine absolvierte er parallel, seit diesem Jahr ist er Inhaber der A-Lizenz. Dennoch wirkt der Liebhaber des aktiven Spiels nur an der Linie wie ein Heißsporn, im Gespräch ist er eher ruhig und etwas schüchtern. „Beim HFV hat mich der Austausch mit exzellenten Trainern wie Stephan Kerber, Fabian Seeger und Lewe Timm sehr weitergebracht“, sagt er. „Und dem ETV habe ich sehr viel zu verdanken.“
Der Verein ermöglichte dem Talent ein duales Studium des Sportmanagements und verschaffte ihm eine hauptamtliche Stelle als Jugendkoordinator. Der Spagat zwischen Leistungs- und Breitensport gelingt ihm gut – traditonell ein Thema beim ETV, der viele erfolgreiche Sportler herausgebracht hat. Nicht nur die Trainer-Qualifikation, auch Werte wie das faire Verhalten beim Umgang mit Niederlagen sind gefragt und damit auf seiner Agenda.
Dennoch bleibt es ein ungleicher Kampf für die Jugendfußballer des ETV. Sie konkurrieren nun mit Clubs, die ein Nachwuchsleistungszentrum besitzen. „Wir sind natürlich stolz, mit Chemnitz einen solchen Verein geschlagen zu haben. Aber wenn man da punkten will, muss wirklich alles passen. Für uns bleibt ein Zentrum für den Nachwuchs utopisch, dazu hat der Verein nicht die Mittel“, sagt Favé. Aber auch das gehört zum Fußball: Der Außenseiter hat eine Chance. Loic Favé hat sie bislang eindrucksvoll genutzt.