Hamburg. Die Mannschaft von Trainer Berkan Algan ist nach acht Jahren wieder viertklassig – und will die Fehler von damals nicht wiederholen.
Keinen Satz hat Altonas Trainer Berkan Algan nach Interviews in dieser Oberligasaison häufiger gesagt: „Wir haben das Spiel auf DVD und werden es in Ruhe analysieren.“ Nach dem 1:0 gegen Northeim in Celle, das dem Hamburger Kultclub den langersehnten Aufstieg in die Regionalliga Nord bescherte, ließ der Erfolgscoach ihn weg. Gleichwohl wird das Spiel einen Platz in der Ehrengalerie seines prall gefüllten DVD-Regals erhalten.
Hemmungslose Freude war nach dem Abpfiff im Walter-Bismark-Stadion an der Nienburger Straße Trumpf. Die 350 Altonaer Anhänger stürmten jubelnd den Platz und feierten ausgelassen ihre Mannschaft. Bei Trainer Algan, dem Vater des sportlichen Erfolgs, flossen die Tränen bächeweise. Er herzte und knuffte jeden, der seinen Weg kreuzte. „Das letzte Jahr war absolut pervers. Nun haben wir es gepackt“, erinnerte er sich vor Freude schluchzend an das hochdramatische Scheitern in der Aufstiegsrunde 2016. Damals kam der Knock-out, das 1:2 beim 1. FC Germania Egestorf-Langreder, in der 94. Spielminute durch einen fragwürdigen Handelfmeter nach einer insgesamt sehr schwachen Schiedsrichterleistung zustande.
„Im letzten Jahr war das für uns alle richtig schlimm“, warf Altonas Kapitän und Spieler der Saison Nick Brisevac, der das Tor des Tages durch Pablo Kunter (15.) vorbereitet hatte, ebenfalls einen Blick zurück – und sogleich einen nach vorne: „Die nächste Tankstelle ist unsere!“ Und in der Tat hielt der Mannschaftsbus auf der Rückfahrt gleich bei den ersten Zapfsäulen, und das Team stattete sich für die Rückfahrt mit einem imposanten Alkoholvorrat aus, bevor es in Hamburg auch in Algans Bar Vivo in Bahrenfeld Station machte. Der Trainer bediente seine Spieler als Barkeeper.
Das passt zu Altona 93, der fußballerischen Frischzellenkur für Fußball-Romantiker, denen der Kommerz der großen Bühne Bundesliga gewaltig gegen den Strich geht. Satte acht Jahre lang musste der Club sportlich auf seine überregionale Bedeutung verzichten. In der Spielzeit 2008/09 stieg der AFC nach einer chaotischen Saison hoch verschuldet aus der Regionalliga Nord ab, kickte seitdem in der fünftklassigen Oberliga Hamburg.
Einer der vielen Fehler, die Altona zuvor in der Viertklassigkeit beging, war der Verrat an der eigenen Heimat. Der Club spielte seinerzeit in der Regionalliga Nord nicht an der heiß geliebten, traditionsreichen Adolf-Jäger-Kampfbahn, wo das Herz des Fußballs nicht nur auf dem berühmten „Zeckenhügel“ zehnmal lauter schlägt. Nein, der Verein zog um ins Stadion des SC Victoria an der Hoheluft, sehr zum Unmut seiner vielen Fans.
Ein solches Szenario droht diesmal nicht. Bereits im Mai 2016 erhielt der Verein vom Norddeutschen Fußball-Verband die grundsätzliche Regionalligatauglichkeit seines Stadions bescheinigt. Die AJK wird also heiße Duelle wie gegen den VfB Lübeck, den HSV II, St. Pauli II oder den VfB Oldenburg erleben. Die Auflagen wurden über die Jahre gesenkt, sodass der Investitionsbedarf im Sommer nun bei circa 40.000 Euro liegen dürfte. Zäune für die Fantrennung sind nötig, ebenso ein Zaun für die Trennung des Zuschauer vom Spielfeld, dazu die Aufstellung zusätzlicher mobiler Toiletten. Ein Käfiggefühl soll nicht aufkommen, der Charme der Spielstätte auf jeden Fall erhalten bleiben.
Verhandlungen um neues Stadion stocken
Festgefahren sind hingegen weiterhin die Verhandlungen um ein neues Stadion. Weder die politischen Entscheidungsträger noch Altona 93 verkündeten in den letzten Monaten Neuigkeiten. Die Adolf-Jäger-Kampfbahn verkaufte der Club 2007 an den Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba) und Behrendt Wohnungsbau für 11,25 Millionen Euro. Der Kaufvertrag tritt aber erst in Kraft, wenn Altona 93 sich mit dem Bezirk auf eine Fläche für den Bau eines neuen Stadions einigt.
Dies bleibt weiter Zukunftsmusik, die neue schöne Realität heißt Regionalliga Nord. Die erste Frage wird lauten: Mit welchen finanziellen Mitteln kann Altona 93 planen? „Wir werden die Fehler von vor knapp zehn Jahren nicht wiederholen und kein Harakiri betreiben“, sagt Altonas Präsident Dirk Barthel. Schätzungsweise werden dem Club 500.000 Euro zur Verfügung stehen. Der Club selbst bestätigt diese Zahl nicht.
Zwei Armaturen-Unternehmer, ein Verein
Nicht zu unterschätzen ist die große Rolle von Christian Perlwitz im Hintergrund. Wie Barthel ist er in einer familieneigenen Armaturenfirma tätig. Im Sommer 2015 gewann Altona 93 die Firma für das Sponsoring, nachdem Perlwitz sich beim SV Lurup nicht mehr gut behandelt fühlte.
„Wir haben uns geschäftlich immer gut verstanden. Sportlich ist es eine tolle Geschichte, dass die Firma Perlwitz ihr Herz von Lurup nach Altona übertragen hat“, sagt Barthel. Der neue Werbepartner entlastete den Macher Barthel, sorgte für mehr finanzielle Mittel. „Aber man darf auch nicht vergessen, dass wir weitere Werbepartner und einiges an Zuschauereinnahmen haben“, so Barthel.
850 Fans passierten in dieser Saison pro Heimspiel im Schnitt die Stadiontore. Schon 1000 Karten hat Altona für das letzte Aufstiegsrundenspiel daheim am kommenden Sonnabend um 18 Uhr gegen Eutin 08 abgesetzt. Beide Mannschaften sind bereits aufgestiegen – und die Party soll ein Vorgeschmack auf weitere Festtage sein. „Es wird viel lockerer als sonst. Es ist kein Druck da. Wir wollen gemeinsam mit unseren Fans so richtig feiern“, freut sich Barthel. Die Videoaufnahmen der großen Party an der AJK werden sicher reißenden Absatz finden – und einen weiteren Ehrenplatz in Algans DVD-Galerie erhalten.