Stuttgart. Schwäbin gewinnt überraschend das hochklassig besetzte Turnier. Auf die Möglichkeit, zu Hause zu übernachten, verzichtete sie bewusst.
Nachdem sich Laura Siegemund in einem Tenniskrimi den Traum vom Triumph beim Heimspiel erfüllt hatte, geriet die Party kurz ins Stocken. Etwas ruckelnd und ganz langsam chauffierte die neue Siegerin des WTA-Turniers in Stuttgart das knallrote Siegerauto auf den sandigen Centre-Court.
Ihre Unbekümmertheit hatte Siegemund aber wenig später zurück, als Konfettiregen ihren bisher größten Erfolg vergoldete. „Das war ein unglaubliches Spiel und mein schönster Sieg. Die Atmosphäre war gigantisch. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft, hier zu gewinnen“, sagte die Weltranglisten-49. nach dem 6:1, 2:6, 7:6 (7:5) in einem furiosen Finale gegen die ebenfalls ungesetzte Kristina Mladenovic (Frankreich).
Erster Titel vor neun Monaten
Nach 2:29 Stunden hatte Siegemund ihren ersten Matchball mit einem Stopp verwandelt und danach entgeistert ihr Racket fallen lassen. Im Tiebreak hatte sie bereits mit 1:4 zurückgelegen. „Immer wenn mir das Wasser bis zum Hals stand, konnte ich eine Schippe drauflegen“, sagte Siegemund. Auch Mladenovic lobte das Energiebündel aus Metzingen: „Laura hat wirklich unterhaltsames Tennis gespielt.“
Neben dem Sportwagen durfte Wildcard-Inhaberin Siegemund ein Preisgeld in Höhe von 107.036 Euro mitnehmen. Im Juli letzten Jahres hatte die Fedcup-Spielerin beim Turnier in Bastad (Schweden) ihren ersten und bis dato einzigen Titel auf der Profitour geholt.
Siegemund spielt mit schwarzen Kniestrümpfen
Vor 4500 Zuschauern in der ausverkauften Porsche-Arena agierte Siegemund gewohnt variabel und ging schnell mit 4:0 in Führung. Selbst durch ein anschließendes Break von Mladenovic ließ sie sich nicht verunsichern und holte sich nach nur 28 Minuten mit einem Aufschlagwinner den ersten Satz.
Danach wurde Mladenovic dominanter, während die erneut mit schwarzen Kniestrümpfen angetretene Siegemund an Konstanz einbüßte. Symptomatisch, dass der Publikumsliebling den zweiten Durchgang mit einem leichten Fehler abgab.
Tiebreak wurde zum Nervenspiel
Im dritten Satz gelang Siegemund dann das Break zum 5:4, doch durch einen Strafpunkt wegen zweimaliger Zeitüberschreitung kassierte sie postwendend den Ausgleich. Der Tiebreak war dann ein Nervenkrimi. Mit einem Stopp verwandelte die 29-Jährige die Halle in ein Tollhaus.
Schon 2016 hatte Siegemund als erste Qualifikantin überhaupt das Endspiel ihres Heimspiels erreicht, das Finale von Stuttgart aber gegen Angelique Kerber verloren. Die Weltranglistenzweite aus Kiel war bereits in ihrem Auftaktmatch am Donnerstagabend an Mladenovic (WTA-Nr. 19) gescheitert.
Rückkehr in die Top 30
Die Französin hatte im Halbfinale die Russin Maria Scharapowa (3:6, 7:5, 6:4) ausgeschaltet, die in der Schwabenmetropole ihr Comeback nach 15-monatiger Dopingsperre feierte. Siegemund zeigte danach beim 6:4, 7:5 gegen die Rumänin Simona Halep (Nr. 4) erneut eine imponierende Leistung und feierte ihren insgesamt sechsten Sieg gegen eine Top-Ten-Spielerin in Stuttgart.
Siegemund, die mit schwachen Ergebnissen in die Saison gestartet war, kehrt durch ihren Coup wieder in die Top 30 der Weltrangliste zurück. „Zu Beginn des Jahres lief nicht alles rund, aber es sah schlechter aus, als es war“, meinte Siegemund, die auch immer wieder von einer Ellbogenverletzung geplagt wurde.
Schon im Vorfeld ihres Lieblingsturniers hatte die forsche Schwäbin nichts dem Zufall überlassen wollen. Wie bei ihrem überraschenden Finaleinzug 2016 schlief Siegemund auch diesmal nicht in ihrer nahegelegenen Wohnung, sondern verbrachte die Nächte im Hotel.
Die Magie von Stuttgart hatte sie bereits seit der ersten Runde gespürt. „Für gute Leistungen muss ich mich wohlfühlen. Und hier geht es mir besser als bei jedem anderen Turnier“, sagte Siegemund, die im vergangenen Jahr ihre Bachelor-Arbeit in Psycholgie zum Thema „Versagen unter Druck“ geschrieben hatte.