Hamburg. Schutz der 42,195 Kilometer langen Strecke kostet Veranstalter erstmals mehr als 500.000 Euro. Sicherheitskonzept umfasst 80 Seiten.
7000 Startplätze für 1750 Staffeln: ausverkauft! 400 Teamplätze für den erstmals ausgetragenen Frauenlauf (zwei Frauen laufen jeweils einen Halbmarathon, 21,8+20,4 km): fast ausverkauft! 14.000 Anmeldungen für den Hauptlauf! 8000 Anmeldungen für das Zehntel, den Schülerlauf für die Klassenstufen vier bis 13 am Vortag!
Zwei Monate vor dem 32. Haspa-Marathon am 23. April kann Frank Thaleiser zahlreiche positive Nachrichten verkünden. Das Interesse an der Traditionsveranstaltung sei gleichbleibend hoch, berichtet der Marathon-Chef. Mit Olympiasieger (2012) und Weltmeister (2013) Stephen Kiprotich (27) aus Uganda sowie Junioren-Weltrekordler Tsegaye Mekonnen (21) aus Äthiopien habe er zudem zwei Weltklassestarter verpflichtet, die Hamburg – trotz geringerer Antrittsprämien – fast zeitgleichen Rennen in London oder Rotterdam vorziehen, weil sie hier ihre sportlichen Ziele (persönliche Bestzeiten) besser verfolgen können.
Jessica Augusto verspricht hohes Tempo
Auch die Portugiesin Jessica Augusto (35) verspricht hohes Tempo. Sie will den mehr als 30 Jahre alten Landesrekord der Frauen (2:23:29 Stunden) endlich brechen. Der deutsche Olympiateilnehmer Philipp Pflieger (29/Regensburg) wiederum hofft in den Bereich von 2:11 Stunden laufen und sich um mindestens eine Minute steigern zu können. In Hamburg seien die organisatorischen Voraussetzungen mit Pacemakern für verschiedene Endzeiten dafür geradezu ideal. „Der Haspa-Marathon gehört weiter zu den attraktivsten Laufevents der Welt“, darf Thaleiser deshalb zu Recht behaupten.
Philipp Pflieger menschlich gesehen
Diesen Status zu halten fällt ihm und seinem Team allerdings immer schwerer. Insgesamt rund 115.000 Finisher verzeichnen alle deutschen Marathonläufe jedes Jahr. Die Zahl variiert seit Längerem nur marginal. Thaleiser sah deshalb Chancen auf nachhaltiges Wachstum vor allem im Ausland. Der Haspa-Marathon warb national und international auf Messen und Lauftreffs – anfänglich mit Erfolg.
In diesem Jahr ist die Zahl ausländischer Starter erstmals rückläufig, Thaleiser rechnet nach den bisherigen Anmeldungen mit 4000. Das wären etwa 500 weniger als zuletzt. „In Prag laufen jetzt 200 Chinesen Marathon. Aber lohnt es sich dafür, 20.000 Euro für Marketingaktivitäten auszugeben?“ Stattdessen wollen die Hamburger nun stärker in ihren Kerngebieten Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen Reklame laufen.
Schuld an der Entwicklung sei die unsichere weltpolitische Lage, vermutet Thaleiser. Die jüngsten Anschläge auf Massenveranstaltungen schreckten viele Läufer gerade aus dem Ausland ab. Die Terrorgefahr fordert von den Veranstaltern darüber hinaus zahlreiche weitere Anstrengungen. Die Ausgaben für Sicherheit, unter anderem für Absperrungen und Rettungswagen, steigen in diesem April an Alster und Elbe erstmals auf mehr als 500.000 Euro. Das ist der größte Posten im Gesamtbudget von 2,7 Millionen Euro. Für die Spitzenläufer werden 300.000 Euro (Antrittsprämien, Preisgelder, Kost, Logis) aufgewendet. London lockt die Stars mit dem Zehnfachen.
Sicherheitskonzept umfasst 80 Seiten
Die Behörden verlangen in diesem Jahr in Bereichen mit hohem Besucheraufkommen, besonders bei Start und Ziel an der Messe und entlang der Reeperbahn, dass die Zufahrtsstraßen zur Strecke blockiert werden, damit ein ähnlicher Anschlag wie im Dezember auf dem Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gar nicht erst möglich wird. Beim Hamburger Marathon, den jedes Jahr 600.000 bis 700.000 Zuschauer live an den Straßen verfolgen, werden bis zu 30 nicht bewegbare Lastwagen, 7,5-Tonner, an den neuralgischen Punkten stehen. „Nach jedem Anschlag kommen neue Bestimmungen heraus“, sagt Thaleiser, „die Vorgaben für die Sicherheit werden immer umfangreicher und damit auch teurer.“
Die Schwierigkeit lag darin, eine mobile Absperrung zu gewährleisten, die im Anschluss direkt wieder abgebaut werden kann. Die Strecke durch Betonpoller abzusichern, wie es bundesweit nach dem Berlin-Attentat an sämtlichen Weihnachtsmärkten gehandhabt wurde, kam daher nicht infrage.
Das aktuelle, überarbeitete Sicherheitskonzept, das die Marathonveranstalter der Polizei vorlegen mussten, umfasst 80 Seiten. Bis 2007 hatten Feuerwehr und Hilfsorganisationen den Hamburger Marathon als Katastrophenschutzübung genutzt, waren für alle Kosten aufgekommen, inzwischen verbleiben diese bei der Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH. Es ist die erste Großveranstaltung in Hamburg nach dem durch den Tunesier Anis Amri ausgeübten Anschlag in Berlin.
Zahl der Anmeldungen soll gesenkt werden
Um die Qualität des Laufes stabil hoch zu halten, soll künftig die Zahl der Anmeldungen für die 42,195 Kilometer von derzeit 18.000 auf 16.000 gesenkt werden. Erfahrungsgemäß gehen dann 13.000 Läufer an den Start, die No-Show-Rate beträgt in Deutschland rund 20 Prozent. „Derzeit haben wir für jeden Marathonläufer bei Startgeldern von 65 bis maximal 99 Euro für Nachmeldungen Organisationskosten von 150 Euro“, sagt Thaleiser. „Wenn wir künftig Personal und Sachleistungen nur für 13.000 Läufer vorhalten müssen, können wir unseren Servicestandard halten, denn die Ausgaben für Sicherheit werden in den nächsten Jahren bestimmt weiter steigen.“
Die Möglichkeiten, den Marathon aus Nebenveranstaltungen wie der Staffel und dem Frauenlauf mitzufinanzieren, seien bereits weitgehend ausgeschöpft. „Die Alternative wäre eine Erhöhung des Startgeldes“, sagt Thaleiser. Das wolle niemand. „Die Gefahr aber besteht, dass sportliche Großveranstaltungen irgendwann nicht mehr bezahlbar sind. Dann hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht.“