Melbourne/Hamburg. Hamburger Tennisspielerin stand durch rätselhafte Krankheit vor ungewisser Zukunft. Jetzt hat sie die Olympiasiegerin besiegt.
Was ist das für eine Geschichte! Mona Barthel ist wie Angelique Kerber und Mischa Zverev in die dritte Runde bei den Australian Open der Tennisprofis eingezogen. Die Qualifikantin aus Neumünster gewann am Mittwoch völlig überraschend 6:4, 6:4 gegen die an Nummer 29 gesetzte Olympiasiegerin Monica Puig. In Rio hatte die Puerto Ricanerin noch Kerber die Goldmedaille weggeschnappt.
Nach einer hartnäckigen Virus-Infektion h gesundheitlichen Problemen war die einstige Nr. 23 Barthel in der Weltrangliste bis auf Rang 181 abgerutscht. "Deshalb bedeutet mir dieser Erfolg hier auch so unglaublich viel. Ich musste wieder lernen, meinem Körper zu vertrauen", sagte die 26-Jährige.
Nun steht sie zum dritten Mal in Melbourne unter den letzten 32. Dort trifft Barthel am Freitag auf die Australierin Ashleigh Barty, die in der ersten Runde Annika Beck eliminiert hatte. Barthel war bei einem Grand-Slam-Turnier noch nie über die dritte Runde hinausgekommen. Am Donnerstag können noch Alexander Zverev, Philipp Kohlschreiber und Andrea Petkovic weiterkommen, Julia Görges ist ausgeschieden.
Barthel konnte zwischendurch kaum laufen
Für Barthel, die seit April vergangenen Jahres für den Hamburger Club an der Alster aufschlägt, ist der Coup gegen Puig das ultimative Comeback auf der Tour. Denn lange hatte die Norddeutsche eine rätselhafte Erkrankung außer Gefecht gesetzt. Totale Erschöpfung und ständiger Schwindel machten Barthel derart zu schaffen, dass sie mitunter nur zehn Meter am Stück gehen konnte, 300 Meter am Tag. Alleine sieben Wochen lag die Tennisspielerin in ihrem Elternhaus in Neumünster im Bett. Auch ein Abendblatt-Interview in einem Café hätte Barthel zu dieser Zeit zu viel Kraft gekostet, stattdessen bat sie um ein Telefongespräch.
Nun schloss sich in Melbourne für Barthel ein Kreis – dort, wo vor Jahresfrist ihre Leidensgeschichte begann. Trotz Schwindelgefühlen und Rückenproblemen hatte sie sich im Januar 2016 bei ihrem 6:3-5:7-4:6-Erstrundenaus gegen Vania King (USA) noch respektabel geschlagen. Im Doppel an der Seite des deutschen Shootingstars Laura Siegemund merkte sie dann aber, während sie am Netz stand: „Wow, es geht nichts mehr.“ Sie flog nach Hause, legte sich ins Bett und bestritt in der Folge kein Turnier mehr – bis zu ihrer Rückkehr in den Tenniszirkus im vergangenen Spätjahr.
Becker freut sich über "filmreife Story"
Maßgeblichen Anteil an der sportlichen Wiedergeburt hat Trainer Christopher Kas, der Barthel im Juni von Sönke Capell übernahm. "Ich habe sie im letzten Jahr in Wimbledon zum ersten Mal zusammen gesehen", erinnerte sich Boris Becker nach Barthels Match gegen Puig bei "Eurosport". Dass die Deutsche ein halbes Jahr später nun aus der Qualifikation heraus die amtierende Olympiasiegerin geschlagen habe, sei für ihn "fast eine filmreife Story". "Ich freue mich für beide enorm", sagte TV-Experte Becker.
Und auch Barthel selbst wollte noch ein Lob an ihren Coach loswerden. "Er hat sehr viel Rücksicht auf mich genommen", sagte Barthel: "Das letzte Jahr war unglaublich schwierig, ich habe lange gebraucht, um mich davon zu erholen." Schon die Qualifikation für das Hauptfeld in Melbourne sei ein "Riesenerfolg" gewesen. Schluss sein muss nach dem Triumph über Puig noch lange nicht. "Es gibt mir Stärke zu wissen, dass ich auch wieder drei Sätze spielen kann", sagte Barthel bei "Eurosport".