Dortmund. Nach der Wut-Analyse der Pleite in Frankfurt verweigern die BVB-Bosse ihrem Trainer die Rückendeckung. Neuer Aubameyang-Eklat?
Der Trainer poltert, die Vereinsführung schweigt, die Spieler murren offenbar hinter vorgehaltener Hand - bei Borussia Dortmund herrscht angespannte Stimmung. Nach der ungewohnt deutlichen und öffentlichen Schelte von Thomas Tuchel für die Mannschaft im Anschluss an das 1:2 bei Eintracht Frankfurt steht nun der Fußball-Lehrer selbst im Gegenwind. Nicht nur sein „dramatischer Rundumschlag“ („Frankfurter Allgemeine“) am Sonnabend, sondern auch seine häufigen „Umbaumaßnahmen und Strategiewechsel“ („Kicker“) werden hinterfragt. Erstmals seit seinem Amtsantritt beim BVB im Sommer 2015 muss sich Tuchel mit Kritik auseinandersetzen.
Nahezu alle Beobachter rund um den BVB sind sich einig: Tuchels emotionaler Ausbruch deutet auf ein Zerwürfnis zwischen ihm und zumindest Teilen der Mannschaft hin. Die Tatsache, wie konkret manche Medien dies beschreiben, legt den Schluss nahe, dass einige Profis dort anonym geklagt haben. Tuchel hat zwar keinen von ihnen persönlich kritisiert, die Generalschelte kam aber augenscheinlich nicht gut an.
Vor allem die „kalte und zornige“ („Süddeutsche Zeitung“) Reaktion von Tuchel auf die schwache Leistung seines Teams in Frankfurt sorgt für kontroverse Diskussionen. „Technisch, taktisch, mental und von der Bereitschaft her - unsere Leistung war ein einziges Defizit“, hatte der Coach geklagt. Wohlmeinende Kommentatoren verweisen auf das Recht eines Trainers, sich seine Profis in solchen Situationen zur Brust nehmen zu dürfen. Andere werfen Tuchel fehlende Selbstkritik vor, weil er die Schuld für das 1:2 nur bei der Mannschaft suchte. Dadurch riskiere Tuchel „Risse im Gefüge“ („Ruhr Nachrichten“).
BVB-Spitze schweigt sich aus
Dass der Coach zum wiederholten Mal den eigentlich für die Angriffsmitte vorgesehenen Adrian Ramos mit mäßigem Erfolg als Außenstürmer einsetzte, wurde in den Medien gar als „Verbohrtheit“ gewertet. Schließlich stünden in Ousmane Dembélé und Christian Pulisic zwei gelernte und hochtalentierte Profis als Alternativen zur Verfügung.
falls Tuchel hoffte, die Zustimmung der Bosse zu bekommen - wie Anfang Oktober, als sie ihm nach dem 0:2 bei Bayer Leverkusen und seiner Klage über die unfaire Spielweise mancher Gegner zur Seite sprangen - dann hoffte er (bis dato) umsonst. Sowohl Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, als auch Sportdirektor Michael Zorc wollten bis Dienstag keine Stellung zu dem Thema nehmen. Die WAZ sieht "durchaus eine Botschaft im dröhnenden Schweigen" und schrieb: "Es mehren sich die Stimmen, die über seine anstrengende Art seufzen."
Auch Kapitän Marcel Schmelzer wich auf die Frage nach einem Kommentar lieber aus - indem er noch zu Wochenbeginn behauptete, die Aussagen des Trainers gar nicht gesehen zu haben.
Kritik an häufigen Systemwechseln
Das Schweigen der Vereinsführung in den Tagen nach dem Spiel werten einige Beobachter als Indiz für wachsende Spannungen. Dem Vernehmen nach sorgt Tuchels derzeitige Vorliebe für stete Systemwechsel auch intern für Irritationen. In den 20 Pflichtspielen der Saison lief sein Team in sechs unterschiedlichen taktischen Formationen auf.
Kritiker monieren, dass dadurch das Bestreben, in der jungen und im Sommer stark veränderten Mannschaft Automatismen zu entwickeln, konterkariert wird. Die rätselhaften Formausschläge des Teams seien deshalb erklärbar. „Die ganze Saison verläuft in einem ständigen Auf und Ab - das ist unbefriedigend“, hatte Tuchel selbst geklagt.
Hrubesch glaubt weiter an Tuchel
Beim Vorwurf, die zu starke personelle Fluktuation in der Startelf sorge für zusätzliche Verunsicherung, hat der als Fußball-Akademiker bekannte Tuchel jedoch gute Argumente auf seiner Seite. Schließlich beklagte der BVB in den ersten Saisonspielen großes Verletzungspech.
Zudem ist sein Verdienst unbestritten, die Spielkultur der Borussia modernisiert und erweitert zu haben. Nicht zuletzt deshalb hat sein Kollege Horst Hrubesch keine Zweifel, dass der BVB-Coach schon bald wieder zu positiveren Schlagzeilen beiträgt. „Das wird sich konsolidieren. Die Mannschaft wird zusammenwachsen und am Ende mit oben stehen“, sagte der einstige DFB-Trainer in einem Sky-Interview.
Disco-Schlagzeile über Aubameyang
Neue unliebsame Schlagzeilen über eine Party von Pierre-Emerick Aubameyang in der Nacht nach der Wutrede von Tuchel trugen jedoch nicht zur Stimmungsaufhellung bei. Nach Informationen der Bild-Zeitung soll der Führende der Bundesliga-Torschützenliste nach der Niederlage in Frankfurt in einer Disco gefeiert haben.
„Ich kenne den Fall nicht, aber wir werden mit Auba darüber sprechen“, sagte Sportdirektor Michael Zorc in der „Bild“. Der 27 Jahre alte Torjäger war erst vor gut drei Wochen von Tuchel nach einer unerlaubten Mailand-Reise für das Champions-League-Spiel gegen Sporting Lissabon (1:0) suspendiert worden.