Bogotá. Brasilianischer Erstligist verunglückt auf Flug zu Finalspiel, 75 Menschen sterben. Staatstrauer angeordnet, Fußballwelt fühlt mit.
Tragisches Flugzeugunglück in Südamerika: Gegen 22 Uhr Ortszeit ist Montagabend eine Maschine mit der Mannschaft des brasilianischen Fußballteams Chapecoense rund 50 Kilometer vor der kolumbianischen Stadt Medellín abgestürzt.
Nach offiziellen Angaben starben mindestens 75 Menschen. Zunächst war von 76 Toten die Rede. Unter den sechs Überlebenden befinden sich vier Fußball-Profis. Insgesamt hatten sich neun Besatzungsmitglieder und 72 Passagiere an Bord befunden. An Bord sollen auch rund 20 Journalisten gewesen sein.
Wie der der Leiter der Polizei Medellín, José Acevedo, mitteilte, wurden aus dem Wrack zunächst sechs Menschen lebend geborgen, eine Person sei aber auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.
Wie die Zeitung „El Colombiano“ online berichtete, wurden zwei Verletzte in das Hospital San Juan de Dios der Ortschaft La Ceja gebracht. Dabei handelt es sich um Chapecoenses 27 Jahre alten Verteidiger Alan Ruschel und eine Stewardess, wie lokale Behörden mitteilten. In der Ortschaft La Unión, 25 Kilometer vom Unglücksort entfernt, würden außerdem zwei Torhüter des brasilianischen Erstligisten behandelt, berichteten das brasilianische Portal „O Globo“ und die kolumbianische Seite „Mi Oriente“.
Piloten meldeten Elektronik-Probleme
Bei der verunglückten Maschine handele es sich um eine Avro RJ 85 der bolivianischen Fluggesellschaft Lamia. "Es scheint, dass dem Flugzeug das Benzin ausgegangen ist", sagte Elkin Ospina, Bürgermeister von La Ceja, der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Absturzstelle kann aufgrund des schlechten Wetters in dem Gebiet nur über Land erreicht werden. Das teilte der Flughafen von Medellín mit.
Die Piloten sollen vor dem Unglück Probleme mit der Elektronik der Maschine gemeldet haben. Das teilte die Flughafenbehörde von Medellín in der Nacht zum Dienstag unter Berufung auf den Kontrollturm über Twitter mit.
Polizisten hätten inzwischen die schwer zugängliche Unglücksstelle am Berg El Gordo in der Nähe der Ortschaft La Unión erreicht. Die Gegend sei wegen Nebels nur auf dem Landweg zu erreichen, nicht aus der Luft. Ein Rettungs-Hubschrauber der Luftwaffe habe seinen Einsatz abbrechen müssen.
Fußballverband sagt alle Aktivitäten ab
Der brasilianische Fußball-Club Chapecoense war auf der Reise nach Medellín, um am Mittwoch das Final-Hinspiel in der Copa Sudamericana gegen Atlético Medellín zu bestreiten. Noch am Sonntag war der Verein bei Palmeiras um Ex-HSV-Profi Zé Roberto zu Gast, das mit einem 1:0 vorzeitig die brasilianische Meisterschaft gefeiert hatte. "Palmeiras bedauert das Flugzeugunglück zutiefst und hofft auf eine gute Nachricht," twitterte Palmeiras.
Der südamerikanische Fußballverband Conmebol reagierte umgehend und sagte das Finale des Vereinswettbewerbs ab. "Alle Aktivitäten der Conmebol werden bis aufs Weitere ausgesetzt“, heißt es in der Mitteilung der Conmebol. "Wir drücken unsere Solidarität aus und beten für die Passagiere und die Besatzung des Fluges."
Die Copa Sudamericana gilt als südamerikanisches Äquivalent zur Europa League und ist nach der Copa Libertadores der zweitwichtigste Clubwettbewerb des Kontinents.
Neun Spieler flogen nicht mit
Insgesamt neun Spieler von Chapecoense waren zurückgeblieben und aus unterschiedlichen Gründen nicht mit dem Team in Richtung Medellín geflogen. Drei von ihnen kamen nach dem Unglück in der Mannschaftskabine zusammen - ein Foto der Szene ging in den sozialen Netzwerken herum und sorgte für mitfühlende Kommentare.
"Das geht mir durch und durch", schrieb etwa Ex-Profi Dietmar Hamann bei Twitter. "Ich komme zu sagen, dass wir viel beten für alle, die an Bord der Maschine nach Kolumbien waren", schrieb Rafael Lima, einer der daheimgebliebenen Chapecoense-Spieler, bei Facebook.
Im Flieger saß dagegen unter anderem der 21 Jahre alte Profi Matheus Biteco, der Anfang des Jahres ein Reha- und Aufbautraining bei der TSG Hoffenheim absolviert und mit der U23 des Vereins trainiert hatte. "In Gedanken sind wir bei der Familie und den Freunden von Matheus sowie bei allen von der Katastrophe Betroffenen", schrieben der Bundesligist in einem Statement. Bitecos älterer Bruder Guilherme (22) hatte von 2013 bis 2016 in Hoffenheim unter Vertrag gestanden.
Dieses Video von der letzten Jubelfeier twitterte Chapecoense nach dem Absturz:
Auch der HSV drückt Beileid aus
Der Absturz des Flugzeugs mit dem Team löste auch andernorts große Anteilnahme aus. „Es ist ein trauriger Tag für den Fußball“, sagte der Präsident des kolumbianischen Vereins Atlético, Juan Carlos de la Cuesta. Trauerschleifen, die das Wappen des Clubs umgeben, wurden über Twitter veröffentlicht. Der türkische Club Fenerbahce Istanbul schrieb: „Wir sind mit Euch.“ Anhänger des Clubs twitterten: „Betet für uns“. Auf dem Account des Clubs hieß es, man warte auf aktuelle Informationen der Behörden.
Fußballlegende Romário drückte als einer der ersten sein Mitgefühl aus. "All meine Solidarität gilt den Freunde und Familien der Spieler, den Journalisten, der technischen Delegation und derCrew, die an Bord waren, sowie den Fans", schrieb der Weltmeister von 1994, der inzwischen als Abgeordneter im brasilianischen Bundessenat sitzt, bei Instagram.
Auch der HSV drückte via Twitter sein Mitgefühl in portugiesischer Sprache aus, und Hamburgs brasilianischer Profi Douglas Santos schrieb: "Lasst uns beten!" Auch Cléber reagierte mit einem Chapecoense-Logo auf Instagram.
Der fünfmalige Weltfußballer Lionel Messi äußerte ebenfalls sein Mitgefühl: "Mein tiefstes Beileid für alle Familien, Freunde und Fans von Chapecoense." Sein FC Barcelona hielt am Dienstag vor dem Training genau wie Erzrivale Real Madrid eine Gedenkminute ab. "Traurigerweise haben diese Jungs, die auf dem Weg waren, eine Macht im Fußball zu werden, das falsche Flugzeug genommen", schrieb Argentiniens Fußball-Idol Diego Maradona auf Facebook. Brasiliens Ikone Pelé sprach von einem "tragischen Verlust."
Weitere Beileidsbekundungen kamen unter anderem von Ex-Nationalspieler Michael Ballack, HSV-Reservist Alen Halilovic und Barça-Star Neymar.
Dreitägige Staatstrauer angeordnet
Chapecoense ist ein Verein aus Chapecó im südbrasilianischem Bundesstaat Santa Catarina, der erst 2014 in die Erste Liga Brasiliens aufgestiegen ist. Das Erreichen des Finales war der bisher größte Erfolg des 1973 gegründeten Teams, bei dem vor über 20 Jahren auch der später eingedeutschte Bundesliga-Profi Paulo Rink (Bayer Leverkusen, 1. FC Nürnberg, Energie Cottbus) spielte.
Der brasilianische Staatspräsident Michel Temer ordnete nach dem Flugzeugabsturz eine dreitägige Staatstrauer an. "Ich möchte in dieser traurigen Stunde, die die Tragödie für Dutzende Familien bedeutet, mein Mitgefühl aussprechen“, ließ Temer in einer Mitteilung des Präsidentenpalastes am Dienstag in Brasilia verlauten. Man werde alles Mögliche tun, um den betroffenen Familien zu helfen.
Unterdessen reagierte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestürzt. "Das ist eine schreckliche Nachricht, die besonders unter die Haut geht“, sagte er am Dienstag laut Mitteilung des Auswärtigen Amts am Rande eines Treffens zur Ukraine-Krise in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. „Wir trauern mit den Menschen in Brasilien und ganz Lateinamerika, für die diese Nachricht ein riesiger Schock ist. Wir sind in Gedanken bei den Opfern dieses tragischen Absturzes, ihren Familien und Freunden.“
Erinnerungen an die Busby Babes
Der Absturz ist nicht das erste schwere Flugzeug-Unglück, das einen Profi-Verein betrifft. Am 6. Februar 1958 war ein Flugzeug mit der englischen Fußballmannschaft Manchester United, den sogenannten Busby Babes, in München beim dritten Startversuch von der Landebahn abgekommen und explodiert. Von den 44 an Bord befindlichen Personen, darunter auch Fans und Sportjournalisten, kamen 23 ums Leben.
Beim sogenannten Gabon Air Disaster stürzte am 27. April 1993 eine Maschine der sambischen Luftwaffe in den Atlantischen Ozean. Alle 30 Flugzeuginsassen starben, darunter 18 Mitglieder der Fußball-Nationalmannschaft Sambias, die auf dem Weg zu einem WM-Qualifikationsspiel war. Einige der Spieler hatten bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul für Furore gesorgt, als Sambia erst im Viertelfinale am späteren Bronze-Medaillengewinner Deutschland scheiterte.
Am 7. September 2011 verunglückte ein Charterflug mit nahezu der gesamten Mannschaft des russischen Eishockeyklubs Lokomotiwe Jaroslawl. Darunter befand sich auch der deutsche Nationalspieler Robert Dietrich.