Hannover. 32 Jahre alter Cruisergewichtler behält nach einem etwas zu hoch ausgefallenen Punktsieg gegen Dmytro Kucher seinen IBO-Gürtel.
Was ihr nächstes Ziel ist, werden Sportler sofort gefragt, nachdem sie ihr zuletzt gestecktes Ziel erreicht haben. Oliver Kahn, der Titan unter den deutschen Fußball-Nationaltorhütern, hat dieses Phänomen, sich auf Erreichtem nie ausruhen zu können, mit dem schönen Bonmot „Weiter, immer weiter“ beschrieben. Marco Huck allerdings, der wollte am frühen Sonntagmorgen in der TUI-Arena von Hannover nicht einsteigen in dieses Hamsterrad. „Mein nächstes Ziel ist eine Disko“, sagte der 32 Jahre alte Cruisergewichts-Boxprofi, nachdem er vor 6000 begeisterten Fans seinen IBO-WM-Titel durch einen zwar etwas zu hoch ausgefallenen, aber unzweifelhaft verdienten einstimmigen Punktsieg (119:109, 117:111, 117:111) gegen Europameister Dmytro Kucher (Ukraine) erfolgreich verteidigt hatte.
Nun ist Hucks Problem nicht erst seit Sonnabend, dass die IBO nicht zu den vier bedeutenden Weltverbänden zählt. Und weil sich der in Serbien geborene Bielefelder grundsätzlich als besten Cruisergewichtler der Welt ansieht, ist sein Ziel auch nicht erst seit dem frühen Sonntagmorgen, die Weltmeister der vier Dachorganisationen WBA, WBO, WBC und IBF vom Thron zu stoßen. Dass er die Titel vereinigen wolle, wurde Huck nicht müde zu betonen, seit er im Februar dieses Jahres mit einem Abbruchsieg über den Nigerianer Ola Afolabi ein triumphales Comeback schaffte, nachdem er im August 2015 den WBO-Titel an den Polen Krzysztof Glowacki verloren hatte.
Das Problem mit den Deckungslücken
Die Frage, ob er tatsächlich reif dafür ist, die aus den Champions Denis Lebedev (Russland/WBA und IBF), Oleksandr Usyk (Ukraine/WBO) und Tony Bellew (England/WBC) zusammengesetzte Weltspitze zu attackieren, wurde am Sonntagmorgen unterschiedlich beantwortet. Trainer Varol Vekiloglu war der Überzeugung, „dass Marco zur Champions League zählt. Ohne die Verletzung wäre es ein perfekter Kampf gewesen.“ Andere Beobachter waren angesichts der Deckungslücken, die der zähe und trotz eines schweren Cuts am rechten Auge unermüdlich anrennende Kucher nicht zu bestrafen wusste, dagegen eher der Ansicht, dass Kaliber wie Lebedev und Usyk eben doch noch um das Stück zu groß sein könnten, das Huck aktuell von ganz oben trennt.
Festzuhalten blieben nach einem Kampf, der von der ersten bis zur zwölften Runde Spannung bot, zwei Dinge. Zum einen: Vekiloglus Versuch, den als ungestümen Haudrauf bekannt gewordenen Huck zu einem besonneneren, variableren Kämpfer zu machen, hat erste Früchte getragen. Da Kucher zumeist versuchte, aus der Ringmitte das Tempo vorzugeben, fand sich Huck oft in der Rückwärtsbewegung wieder, aus der heraus er jedoch mit Bedacht und Raffinesse zu kontern verstand. Er bewegte sich geschmeidig und versuchte, sich den Attacken des gleichaltrigen Ukrainers durch schnelles Überbrücken der Distanz zu entziehen. So unterband er geschickt eine Reihe von Angriffen.
Huck benötigt keinen neuen Stil
Zum zweiten, und das war noch wichtiger, wurde aber deutlich, dass Marco Huck keinen neuen Kampfstil benötigt – Vekiloglu hatte angekündigt, seinen Schützling nach US-Vorbild verändern zu wollen -, sondern dass er dann besonders stark ist, wenn er das tut, was ihn stark gemacht hat. Ungestüme, bisweilen auch ins Unsaubere abdriftende Attacken gehören zu Hucks Kämpfen einfach dazu, und immer wenn er seine wüsten Schlagsalven abfeuerte, geriet Kucher mächtig in Bedrängnis. Hinzu kam Hucks Kämpferherz, als er sich in Runde vier schwer an der rechten Schlaghand verletzte und sich dennoch kaum etwas anmerken ließ.
Seine Selbstdiagnose lautete Mittelhandbruch, und wer die grotesk verformte Pranke sah, konnte daran kaum zweifeln. „Ich bin einfach nur endlos glücklich, dass ich trotzdem durchgezogen habe. Der Gegner hat mir alles abverlangt, aber am Ende habe ich bewiesen, dass ich ein Krieger bin, der sich durch alles durchbeißt“, sagte er. Kucher bestätigte, er habe von der Verletzung nichts mitbekommen. „Die Rechte war über zwölf Runden sehr gefährlich. Marco hat bewiesen, dass er der bessere Kämpfer ist, weil er seinen Plan von Anfang an durchgezogen hat. Er ist ein großer Champion und definitiv einer der besten Cruisergewichtler der Welt“, lobte der im 27. Profikampf zum zweiten Mal besiegte Europameister.
Erst einmal Verletzung ausheilen
Marco Huck, der im 44. Kampf den 40. Sieg feiern konnte, unterstrich noch einmal, dass er nicht ruhen wolle, bevor er nicht an die Spitze des 90,7-Kilogramm-Limits zurückgekehrt ist. Gegen welchen der drei Champions er den nächsten Schritt auf diesem Weg zu gehen gedenkt, ließ er aber offen. Nach dem Diskobesuch steht zunächst einmal das Ausheilen der Verletzung an. „Danach werden wir sehen, wen das Los als nächsten trifft“, sagte Trainer Vekiloglu. Eine ernste Antwort auf die Frage nach dem nächsten Ziel wird Marco Huck also bald nachliefern.