Hamburg. Das Hamburger Judo-Team wird vor heimischer Kulisse erstmals deutscher Mannschaftsmeister.

Nein, Anthony Zingg war ganz und gar nicht zufrieden. Er hatte doch im Kampf der Klasse bis 73 Kilogramm gegen Julian Kolein schon klar geführt nach einem gelungenen Uchi Mata. Und dann kam nur dieses Unentschieden heraus. Kopfschüttelnd verließ Zingg die Matte, der U-23-Europameister des vergangenen Jahres schien überhaupt nicht wahrzunehmen, dass sich rings um ihn mehr als 1000 Zuschauer in der Sporthalle Wandsbek von ihren Sitzbänken erhoben hatten, um seinem Hamburger Judo-Team zu huldigen. Denn nun war es amtlich: Die Gastgeber waren erstmals deutscher Vereinsmannschaftsmeister.

Der Niederländer Roy Meyer konnte im letzten Kampf des Finales gegen Robin Wendt für den TSV München-Großhadern nur noch auf 6:7 verkürzen. Aber da war der Jubel schon losgebrochen und die Spannung raus. Eigentlich war sie es schon nach dem neunten der 14 Finalkämpfe: 7:2 führten die Hamburger da gegen den Titelverteidiger, und nach Wertungspunkten war der Vorsprung uneinholbar. „Wir wollten gleich zeigen, dass wir die Chefs sind“, sagte HJT-Trainer Slavko Tekic. Das gelang. Orkhan Safarov und Nijat Shikhalizada, die beiden aserbai­dschanischen Gastkämpfer, hatten mit vorzeitigen Siegen vorgelegt. Und als dann auch noch Trainersohn David Tekic, der deutsche Meister in der Klasse bis 90 Kilogramm, den schwedischen EM-Dritten Marcus Nyman mit einem Fußfeger aufs Kreuz legte, war klar, dass sich die Hamburger den großen Wurf nicht mehr nehmen lassen würden – so wie noch 2009, als gegen den TSV Abensberg im Finale eine 5:2-Führung verspielt worden war.

„Dieser Titel war einfach fällig“, sagte HJT-Präsident Rainer Ganschow und sprach vom „besten Tag“ seiner 14-jährigen Amtszeit als Vorsitzender und Geschäftsführer des Hamburger Verbandes. Nicht nur wegen des Sieges, sondern auch wegen dessen Umständen: „Das Publikum war einfach grandios und hat schon vor den Kämpfen richtig Stimmung gemacht.“

Hamburger hatten Radiomoderator engagiert

Offensichtlich hatte es sich ausgezahlt, dass die Hamburger einen Radiomoderator engagiert und mehrere Showeinlagen eingeplant hatten. So geriet ein langer Finaltag kurzweilig. Begonnen hatte er für das HJT schon am Vormittag mit dem Halbfinale gegen die SUA Witten, das mit 10:4 gewonnen wurde, bevor sich die Münchner gegen den KTV Esslingen mit 8:4 durchsetzten. Und ausgeklungen ist er erst sehr spät bei der offiziellen Players Night in der Bar Platzhirsch auf St. Pauli.

Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten: Teammanager Thomas Schynol, dem die Ehre zuteil wurde, die Meistertrophäe entgegenzunehmen, und Slavko Tekic. Für den Serben war der Titel nicht nur die Krönung seiner 20-jährigen Trainertätigkeit in Hamburg, sondern auch „ein großer Ansporn weiterzuarbeiten“. Noch ist nicht klar, in welcher Zusammensetzung das Team in der kommenden Saison an den Start geht. In dieser Woche will man zusammen mit Sponsor Timo Fischer (Gate Training) darüber beraten. Für Präsident Ganschow aber ist „klar, dass das Team nicht auseinanderbricht“. Es gebe schon jetzt mehr Anfragen, als man an neuen Kämpfern aufnehmen könne. Ganschow erklärt das mit dem besonderen Geist, der in der Mannschaft herrsche und der am Sonnabend auch am Mattenrand zu spüren war: „Bei uns gibt es keine Egoisten, alle stehen voll hinter dem Team, auch die, die nicht zum Einsatz kommen.“

Teilnahme an der Club-EM

Die Konkurrenz dürfte eher stärker werden. Rekordmeister Abensberg, der sich Anfang 2015 nach 19 Titeln zurückgezogen hatte – offiziell um seine Judoka im Hinblick auf die Vorbereitung für Olympia 2016 in Rio nicht zusätzlich zu belasten –, will zur nächsten Saison in die Bundesliga zurückkehren.

Einen Höhepunkt können die Hamburger ihren Kämpfern für 2017 allerdings schon versprechen: die Teilnahme an der Club-EM am 16. Dezember, für die der deutsche Meister qualifiziert ist. Der Austragungsort steht noch nicht fest. Für die diesjährige Austragung am 17. Dezember in Grosny (Russland) ist bereits Vorjahressieger München gesetzt.

Zu klären wäre noch, ob das HJT nach zwei Jahren wieder für die Frauen-Bundesliga meldet. An Kämpferinnen fehlt es jedenfalls nicht. Und wenn dann erst das versprochene neue Leistungszentrum in Dulsberg kommt, wäre das ein weiteres Argument, um gute Judoka in die Stadt zu locken. Das schon vor Jahren geplante Projekt weiter auf die lange Bank zu schieben ist seit Sonnabend jedenfalls ein Stück schwerer geworden.