Hamburg. Das Judo-Team aus Hamburg kann am Sonnabend in Wandsbek erstmals deutscher Meister werden.
Eng geht es zu in der Halle an der Wandsbeker Allee. Etwa 50 Judoka in weißen und blauen Anzügen schieben und zerren sich paarweise über die Matte des Landesleistungszentrums, sie keuchen, klammern, schwitzen. An den Wänden hängen handgebastelte Ehrentafeln Hamburger Medaillengewinner, aus dem Kraftraum nebenan dringen Hip-Hop-Beats nach draußen. Ein normaler Trainingsdienstagabend beim Hamburger Judo-Team. Ein normaler? Nicht ganz, denn am Ende versammelt Teammanager Thomas Schynol die Kämpferinnen und Kämpfer noch einmal um sich, um sie auf den großen Tag einzuschwören: „Kommt alle, und unterstützt uns.“
In der nahen Sporthalle Wandsbek wird an diesem Sonnabend von 11 Uhr an die Bundesligaendrunde der Männer ausgekämpft (Sportdeutschland.tv live). Einen deutschen Mannschaftsmeister aus Hamburg – das gab es noch nie. In den späten 80er- und frühen 90er-Jahren vertrat der TSV Stellingen die Stadt in der Bundesliga, bestes Resultat war 1989 Platz drei. Die Kampfgemeinschaft Hamburger Judo-Team, im Kern hervorgegangen aus der Mannschaft des TH Eilbeck, schaffte es 2009 ins Finale und lag gegen den damaligen Serienmeister Abensberg in Wandsbek schon mit 5:2 in Führung. Ein weiterer Punkt hätte zum Titel gereicht, aber die verbleibenden vier Kämpfe gingen alle verloren und damit auch der Titel.
Hamburger sind großer Favorit
Diesmal aber treten die Hamburger als großer Favorit an. Alle Duelle wurden souverän gewonnen, der Halbfinalgegner SUA Witten in der regulären Runde mit 12:2 abgefertigt. Einzig Titelverteidiger TSV München-Großhadern scheint stark genug, im möglichen Finale um 15.30 Uhr den Traum von Slavko Tekic platzen zu lassen.
Für den Hamburger Cheftrainer wäre der Titel „die Krönung meiner Karriere“. 1996 kam der einstige jugoslawische Meister im Mittelgewicht auf Schynols Vermittlung nach Hamburg, erst zum SC Concordia, seit 1998 ist er hauptberuflich Trainer des TH Eilbeck. Einige seiner Kämpfer – Sohn David, Max Münsterberg, Robin Wendt – betreute der Tekic (46) schon, als sie noch Kinder waren. Auf eine gewisse Weise sind sie es für ihn geblieben: „Ich kümmere mich um meine Kämpfer, als wäre es meine Familie.“
Diese persönliche Bindung macht wohl den Erfolg des Teams aus. Natürlich haben sie sich vor dieser Saison auch namhaft verstärkt. Dank Förderer Timo Fischer, einem früheren Judoka und jetzigen Geschäftsführer einer Luftsicherheitsfirma (Gate Training), konnten die Nationalkämpfer Alexander Wieczerzak, Aaron Hildebrand und Igor Wandtke von Großhadern verpflichtet werden. „Wir haben in dieser Saison schon einen unglaublich starken Kader“, sagt Teammanager Schynol.
Hamburg als Bundesstützpunkt qualifiziert
Aber Slavko Tekic legt Wert darauf, dass keiner wegen der Aufwandsentschädigung für Fahrt und Unterkunft gekommen sei: „Wir sind bekannt für unseren Teamgeist, dafür, dass bei uns jeder bis zum Umfallen für den Erfolg der Mannschaft kämpft.“ Die lebt aber vor allem von der Jugendarbeit, die unter der Leitung von Slavko Tekic, U-15-Trainer Daniel Lenk und Sportdirektor Alexander Lüdeke, den einzigen bezahlten Kräften im Hamburger Judo, geleistet wird. In den vergangenen drei Jahren stellte die Stadt den erfolgreichsten Landesverband im Norden. Bei internationalen Meisterschaften gibt es regelmäßig Medaillen zu feiern, zuletzt Bronze durch Mascha Ballhaus vom TSV Glinde bei der U-18-EM in der Klasse bis 48 Kilogramm.
Dabei ist es nicht leicht, das Team zusammenzuhalten. Nationalkämpfer müssen im Erwachsenenalter an ein Bundesleistungszentrum wechseln, wenn sie gefördert werden wollen. Der deutsche Meister David Tekic trainiert deshalb in Hannover, die frühere Europameisterin Martyna Trajdos in Köln, andere in München und Berlin.
Sportlich wäre auch Hamburg allemal als Bundesstützpunkt qualifiziert. Im Zuge der Spitzensportreform werden aber wohl eher Standorte gestrichen als neue aufgemacht. Was der Stadt zudem fehlt, ist eine adäquate Sportstätte. Der Bau einer kombinierten Judo-Handball-Halle am Olympiastützpunkt in Dulsberg ist seit Langem geplant. 2017, das hat Sportsenator Andy Grote (SPD) angekündigt, soll endlich mit dem Bau begonnen werden. Dann wäre es mit der Enge an der Wandsbeker Allee endlich vorbei.