Hamburg. Der Schwimmer Jacob Heidtmann ist der erste Schüler der Eliteschule des Sports in Dulsberg, der sich für Olympia qualifiziert hat.
Es mag nicht der Regelfall sein, dass Schüler und Lehrer die gleichen angenehmen Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit teilen, doch als Jacob Heidtmann (21) zwei Jahre nach seinem Abitur die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg in Dulsberg wieder besucht, ist die Freude auf beiden Seiten groß. Und das aus gutem Grund: Der Schwimmer ist nach zehn Jahren der erste Absolvent der Stadtteilschule, der sich für Olympische Spiele qualifiziert hat. In Rio startet der deutsche Meister und Rekordhalter am 6. August über 400 Meter Lagen.
Zu Heidtmanns Begrüßung sind Direktor Björn Lengwenus, Sportkoordinator Christian Andresen, sein Biologielehrer Manfred Schäffer, Olympiastützpunktleiterin Ingrid Unkelbach und seine Trainerin Petra Wolfram erschienen. Alle sind sich einig, dass die Karriere des 1,95 Meter großen Athleten die entscheidende Beschleunigung mit dem Wechsel vom Gymnasium in Pinneberg (Theodor-Heuss-Schule) an den Alten Teichweg erhielt. 2012 zog Heidtmann aus seiner Heimatstadt Elmshorn ins Hamburger Sportinternat an der Nordschleswiger Straße in Dulsberg um, stieg in die zwölfte Klasse ein und gewann ein Jahr später bei den deutschen Meisterschaften in Berlin als Dritter über 400 Meter Freistil seine erste (Bronze-)Medaille im Erwachsenenbereich.
„Dass Sport und Schule am Alten Teichweg optimal aufeinander abgestimmt sind, hat mir sehr geholfen“, sagt Heidtmann. In Pinneberg wurde es zuletzt immer schwieriger, um für Wettkämpfe freigestellt zu werden. Zudem absolvierte er vier seiner neun Trainingseinheiten am Wochenende, selten hatte er mal einen Tag Pause. Am benachbarten Olympiastützpunkt Dulsberg musste er zwar zehnmal wöchentlich ins Wasser oder in den Kraftraum, das Programm war jedoch in den Stundenplan integriert, ein Tag am Wochenende in der Regel trainingsfrei.
„Mit Schule und Training kommen unsere Leistungssportler auf eine Wochenarbeitszeit von 60 bis 70 Stunden. Ihr Tag beginnt um 7.15 Uhr und endet gegen 20 Uhr“, sagt Wolfram. Umso wichtiger seien Regeneration, kurze Wege und klare Strukturen. „Unsere Aufgabe ist es, unseren Sportschülern die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, damit für sie die Belastungen durch Schule erträglich sind“, sagt Direktor Lengwenus. Dafür gebe es keine allgemeinen, nur individuelle Lösungen. Mehr Lehrer stehen dafür bereit.
Klassenarbeiten können auch auf Wettkampfreisen oder in Trainingslagern geschrieben oder nach der Rückkehr in der Schule nachgeholt werden. Wolfram hat unterwegs bereits zahlreiche Tests beaufsichtigt. Auch die Möglichkeit des Nachhilfeunterrichts besteht. Sportkoordinator Andresen stellt jedoch klar, „dass bei uns niemandem etwas geschenkt wird“.
13 Fachverbände kooperieren mit dem Alten Teichweg
Die Abituraufgaben sind für alle in Deutschland gleich, der Weg zur Reifeprüfung ist für Eliteschüler des Sports dennoch ein spezieller. Heidtmann hat außergewöhnliche Unterstützung kaum in Anspruch nehmen müssen. Ihm fiel das Lernen leicht, er war ein guter Schüler. Seine Abiturnote: 1,8.
Im Dezember 2006 wurde die damalige Stadtteilschule Alter Teichweg vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Eliteschule des Sports zertifiziert. Im ganzen Land gibt es 43 dieser Einrichtungen, in Hamburg keine weitere. Auf dem Grundstück der Schule entstanden die Landesleistungszentren (LLZ) für Badminton und Volleyball, das LLZ Basketball wurde umgebaut. Der Olympiastützpunkt nebenan bietet Schwimmern und Beachvolleyballern weltweit einzigartige Standards. Eine Halle für Handball und Judo ist seit neun Jahren in Planung, im nächsten Jahr soll sie nun gebaut werden. Lengwenus wünscht für die Zukunft ein
Internat auf dem Gelände, weil die Nachfrage auch von außerhalb Hamburgs wächst. Künftig 13 Fachverbände (bisher elf) kooperieren mit dem Alten Teichweg, die Zahl der Sportschüler stieg von 194 (2010/2011) auf 241 im nächsten Schuljahr, das sind 22 Prozent aller Schüler. Sportklassen gibt es in von Klasse fünf bis 13, in der siebten, neunten und zehnten je zwei. Die Akzeptanz der Schule zeigt auch die Zahl der Quereinsteiger. 44 sind es im nächsten Jahr, die von einer anderen Schule kommen. 58 Sportschüler sind Fußballer, 52 Schwimmer. Boxen und Reiten kommen als neue Disziplinen hinzu. Rund 50 Trainer arbeiten am Alten Teichweg.
Lengwenus hält die Schule auch deshalb für ein Erfolgsmodell, „weil zwei Welten aufeinanderstoßen, die Sport- und die reale Welt. Bei uns trifft der Weltmeister den Flüchtling – das erdet ihn.“ Die Sportschüler organisieren für alle regelmäßig ein Sportfest, die anderen begleiten die Spitzensportler zu Wettkämpfen. Am Alten Teichweg gibt es jetzt vier Sportstunden für alle. Lengwenus’ Ziel: „Wir wollen auch eine Eliteschule des Breitensports werden.“