Évian-les-Bains. Boateng, Neuer, Özil, Hummels, Khedira und Höwedes wurden 2009 in Schweden U-21-Europameister. Jetzt ist das Sextett deutlich gereift.
Horst Hrubesch saß am Mittwoch im Auto. Draußen stürmte es. Aber Hrubesch hatte ein Ziel: Schladming. In Österreich bereitet sich die deutsche U-19-Nationalelf auf die Heim-EM vor, die am 11. Juli beginnt. Hrubesch soll dem Nachwuchs etwas Hilfestellung geben, ihn „ein bisschen inspirieren“, sagt der 65-Jährige. In Schladming wird er ihm erklären, was es braucht, um den Titel zu gewinnen. Und vielleicht wird er auch von diesem einen Abend in Malmö vor genau sieben Jahren erzählen.
Am 29. Juni 2009 stand Hrubesch mit von Champagner durchnässten Haaren in einer Kabine des Swedbank-Stadions und lauschte, wie seine Mannschaft den Song „Helden gesucht“ von Thomas Godoj grölte. Ein One-Hit-Wonder. Sein Team hatte gerade die U-21-EM in Schweden gewonnen: 4:0 gegen England im Finale. Helden waren gefunden, und Hrubesch wusste, dass diese Truppe kein One-Hit-Wonder werden würde. „Für uns war klar: Das sind Leadertypen, mit denen kann man etwas gewinnen“, sagt Hrubesch heute. „Ich habe immer gesagt: Diese Generation wird viele Titel gewinnen.“ Die Generation Malmö hat sich an das Wort ihres Trainers gehalten.
Sechs Spieler aus der Europameister-Elf von 2009 sind fünf Jahre später in Brasilien Weltmeister geworden. Und dieses Sextett bildet nun in Frankreich, da es wieder um einen EM-Titel geht, den Kern der deutschen A-Nationalmannschaft: Manuel Neuer, Mats Hummels, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Sami Khedira und Mesut Özil waren in Malmö dabei. „Das waren damals alles Siegertypen: Neuer, Boateng, Hummels, Khedira und noch andere“, sagt Hrubesch, und will das auch als Qualitätsbeschreibung für das Heute verstanden wissen.
Im EM-Viertelfinale am Sonnabend gegen Italien (21 Uhr) werden fünf der sechs U-21-Europameister in der deutschen Startelf erwartet. Aber anders als noch vor zwei Jahren in Brasilien hat das Sextett nun die Führung im DFB-Team übernommen: Es füllt eine Lücke, die die drei Rücktritte von Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose hinterlassen haben. „Dass wir diesen Kern von Spielern haben, die sich so lange schon so gut kennen, war wichtig, um den Verlust dieser drei positiven Typen aufzufangen“, sagt Mats Hummels dem Hamburger Abendblatt. Er bildet nun gemeinsam mit Neuer, Khedira, Thomas Müller und Kapitän Bastian Schweinsteiger den Mannschaftsrat.
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Nach der WM musste das Innenleben der Nationalelf neu geordnet werden. Die Generation Sommermärchen um Lahm, Mertesacker und Klose reichte das Zepter weiter an die Generation Malmö. „Wenn man so eine starke Achse hat, die über Jahre zusammen spielt, ist das ein Vorteil“, sagt Joachim Löw. Dem Bundestrainers muss es gelingen, aus Spielern, die er nur wenige Tage im Jahr beisammenhat, eine Einheit zu formen. Da helfe es, dass der Kern sich seit Jahren kenne: „Es braucht dann nicht so lange, dass die Automatismen wieder greifen“, sagt Löw.
Löw saß im Juni 2009 auf der Tribüne des Swedbank Stadions von Malmö beim EM-Finale und sagte danach, er habe ein „Siegervirus“ erkennen können. Drei Jahre später, bei der EM 2012, hat das allerdings nicht dazu geführt, damit den Titel zu gewinnen. Auch beim verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien in Warschau (1:2) standen fünf Europameister von 2009 auf dem Feld. Damals fehlte noch die Reife. Nun, nach dem WM-Titel, ist das anders.
Horst Hrubesch hat den Weg seiner 2009er-Spieler stets weiterverfolgt. Er weiß, dass sie nun eine neue Herausforderung meistern müssen: mehr Verantwortung übernehmen. „Da müssen und werden sie reinwachsen“, sagt Hrubesch. Und überhaupt Italien: Von einem Trauma könne man nicht sprechen. 2009 schlug sein Team die Squadra Azzurra im Halbfinale der EM mit 1:0 – auf dem Weg zum Titel.