Hamburg. Hamburgs Sportsenator über neue Veranstaltungen, Active City, Sportförderung und weitere Investitionen in Sporthallen und -Anlagen.

Montagmorgen, 8.45 Uhr, Außenalster, Höhe Anglo-German Club. Andy Grote, 47, Hamburgs neuer Innen- und Sportsenator hat die dortige Bewegungsinsel als Treffpunkt für das Gespräch mit dem Abendblatt vorgeschlagen. Die Botschaft des SPD-Politikers ist unmissverständlich: Der öffentliche Raum ist die größte Sportanlage der Stadt. Der Senat, das sieht der neue Masterplan Active City vor, will in allen sieben Bezirken Joggingstrecken ausbauen, beleuchten, digitalisieren und dort Trimmgeräte aufstellen. „Die Bedeutung des Sports in der Stadt wird weiter wachsen“, sagt Grote.

Hamburger Abendblatt: Herr Grote, wie viel Sport steckt im neuen Sportsenator?

Andy Grote: Im Moment könnte es ein bisschen mehr sein. Skifahren im Winter, gelegentlich Fitness und Schwimmen, zu mehr reicht im Augenblick meine Zeit nicht.

Mit welchen Sportarten sind Sie aufgewachsen?

Grote : Ich bin früher viel geritten, habe jahrelang Judo gemacht, auch Badminton und Schwimmen.

Welcher war Ihr erster Club?

Grote : Der TSV Büsum.

Da spielt man Fußball oder Handball.

Grote : Mein Talent hierfür war überschaubar. Dafür habe ich später hobbymäßig beim FC Silbersack gekickt.

Wie halten Sie es mit den Hamburger Proficlubs?

Grote : Ich habe ja eine FC-St.-Pauli-Vergangenheit, da bin ich Mitglied, da gibt es eine emotionale Verbundenheit. Für Hamburg insgesamt spielt der HSV natürlich eine ganz maßgebliche Rolle. Ich war ja auch Sonnabend beim Spiel gegen Wolfsburg im Volksparkstadion. Ich bin beeindruckt, was die Hamburg Towers auf die Beine gestellt haben. Und ich habe einen sehr positiven Eindruck vom aktuellen Aufbruch des HSV Handball. Ich traue dem Projekt einiges zu, aufgrund der handelnden Personen und des Konzeptes, weg vom Image des Retortenvereins – ob gerechtfertigt oder nicht – hin zu nachhaltiger Arbeit von der Jugend bis zur Spitze.

Bei so viel Bezug zum Sport, müssten Sie doch großes Verständnis für die Sorgen und Nöte der Vereine haben, die mangelnde Wertschätzung und eine permanente Unterfinanzierung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben wie Integration und Inklusion beklagen.

Grote : Ich habe Verständnis für alle Anliegen, deren Ziel es ist, die gesellschaftliche Bedeutung des Sports zu stärken. Und ich verstehe auch, dass dafür angemessene finanzielle Grundlagen nötig sind. Wie diese für den organisierten Sport in den nächsten zwei Jahren aussehen könnten, darüber verhandeln wir gerade mit dem Hamburger Sportbund und dem Hamburger Fußballverband. Es ist im Interesse der gesamten Stadt, dass Vereine und Verbände leistungsfähig sind. Wir werden dafür sorgen, dass dies so bleibt. Wir haben ein hohes Niveau in der Sportförderung erreicht, das zuletzt bei allen Beteiligten auch große Akzeptanz gefunden hat. Dieses Niveau zu halten und vielleicht an einigen Stellen mehr zu tun, wäre schon ein Erfolg. Der Haushalt der Stadt und die anstehende Schuldenbremse setzen manchen Wünschen auch Grenzen. Flächendeckend mehr Mittel für alle Bereiche kann und wird es nicht geben.

Hat der Sport in Hamburg durch das gescheiterte Olympia-Referendum politisch an Bedeutung verloren?

Grote : Ausdrücklich nein! Der Weg, den wir seit 2011 erfolgreich gehen, wird konsequent fortgesetzt. Wir haben eine extrem solide Grundlage mit der Dekadenstrategie Sport, die unabhängig von der zurückliegenden Olympiabewerbung für diese Stadt entwickelt worden ist. Da sind alle Bereiche, von der Talentförderung bis zu internationalen Events, inhaltlich abgedeckt. Die Dekadenstrategie geht in die zweite Halbzeit, und sie funktioniert auch ohne Olympia. Die Sportbegeisterung in der Stadt ist ungebrochen. Hamburg kann mit großer Kraft und Zuversicht seine Zukunft als Sportstadt weiter verfolgen. So schmerzlich die Absage der Bevölkerung an Spiele in Hamburg auch gewesen sein mag, sie ist zu respektieren. Jetzt gilt es, nach vorn zu schauen und die nächsten Ziele anzugehen.

Die da wären?

Grote : Für mich gibt es zwei maßgebliche Handlungsstränge: Erstens: Aktive Stadt, Sport für alle und überall. Wir wollen die Sportinfrastruktur in der Stadt, besonders im öffentlichen Raum, in Parks und Grünanlagen verbessern. Sport soll zum Lebensgefühl Hamburgs gehören. Und Sport soll im Stadtbild noch sichtbarer werden. Wir werden uns weiter um Großveranstaltungen bemühen, um Formate, an denen viele Menschen als Zuschauer und Sportler teilnehmen können, Veranstaltungen, in denen die Stadt zum Stadion wird. Zweitens wollen wir die gesellschaftliche Bedeutung des Sports stärken. Sport ist in einer tendenziell auseinanderdriften Gesellschaft fast die einzige verbleibende verbindende Kraft, die alle noch so unterschiedlichen Gruppen erreicht. Für jeden der nach Hamburg zieht, und das sind ja bei weitem nicht nur Flüchtlinge, schafft Sport sofort Zugänge, Anschlussmöglichkeiten, Gemeinschaft, Identifikation. Das sind bedeutende Werte für das Zusammenleben in einer Stadt, in einem Land. Sport wird im Alltag der Menschen, das ist meine Erfahrung und Überzeugung, immer wichtiger werden.

Das klingt nach deutlichen städtischen Mehrausgaben für den Sport.

Grote : Noch mal: Wir wissen, was der Sport an exponierter Stelle für die Gesellschaft leistet, gerade jetzt, wo weiterhin Geflüchtete zu uns kommen. Natürlich werden wir Vereine und Verbände bei diesen Aufgaben nicht allein lassen. Diese Arbeit muss unterstützt und gefördert werden. Das ist Konsens. Das Geld kommt jedoch aus verschiedenen Töpfen, aus Programmen der Bundesregierung, der EU, des Senats und der Bezirke. Wir sind aber offen, da noch mehr zu tun.

Dass wir uns hier an einer der Bewegungsinseln an der Außenalster zum Gespräch verabredet haben, dürfen wir als weiteres politisches Signal verstehen.

Grote : Wir wollen weg vom Denken in Kategorien. Wird der Vereinssport mehr gefördert? Der gewerbliche Sport? Oder der im öffentlichen Raum? Wir sehen Sport in seiner gesamten Breite, vom Behinderten- über den Gesundheits-, Spitzen- bis zum individuellen Sport, also dem Joggen an Alster, Elbe oder in den Parks, in denen es Trainingsgeräte wie hier an der Außenalster gibt. Das sind niedrigschwellige Angebote. Die wollen wir im Rahmen des neuen Masterplans Active City möglichst in allen Bezirken umsetzen.

Die Clubs werden damit Probleme haben.

Sportsenator Andy Grote, 47,
zuvor Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte,
an den Trimmfit-Geräten
im
Alstervorland nahe des Anglo-German
Clubs
Sportsenator Andy Grote, 47, zuvor Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, an den Trimmfit-Geräten im Alstervorland nahe des Anglo-German Clubs © HA | Andreas Laible

Grote : Wir müssen aufhören, diese Dinge gegeneinander zu diskutieren. Wir brauchen alles: vereinseigene und städtische Anlagen, Schulturnhallen, ParkSport. Wir haben seit 2011 rund 140 Millionen Euro allein für den Neubau und die Instandsetzung von Schulturnhallen ausgegeben, weitere 130 Millionen werden bis 2019 folgen. Bis 2020 wird es 20 neue Zwei- oder Dreifeldhallen in Hamburg geben. Das wird auch dem Vereinssport helfen. Wir haben zuletzt 40 Millionen Euro in den Bezirken in die Modernisierung kommunaler Sportanlagen investiert, von 2011 bis 2015 zehn Millionen Euro für Aus- und Neubau vereinseigener Sportstätten bereitgestellt. Auch diese Programme sollen bis 2020 fortgesetzt werden. Und es kommen weitere Projekte hinzu: barrierefreie Hallen in jedem Bezirk, die lange geplante Halle für ein Handball- und Judo-Leistungszentrum am Olympiastützpunkt Dulsberg, das neue Sport- und Stadtteilzentrum der HT16 in Hamm, ein städtebauliches Vorzeigeprojekt, das zeigt, wie sehr der Sport in den Stadtteil wirkt. Die Gelder sind vorhanden. Ich kenne keine deutsche Stadt, die in den vergangenen Jahren ähnliche Summen in die Verbesserung seiner Sportinfrastruktur gesteckt hat.

Woher kommt das Geld für den Masterplan Active City? Im Gespräch sind 40 bis 50 Millionen Euro bis ins Jahr 2024.

Grote : Das bisherige Papier ist erst einmal eine Grundaussage, dass wir weitere sportliche Akzente setzen wollen, um Hamburg attraktiver und lebenswerter für alle zu machen. Sport, und das ist ein Erfolg der Senatspolitik der vergangenen Jahre, wird bei der Stadtteilentwicklung und in allen Behörden jetzt mitgedacht. Das Gesamtpaket muss im Senat noch abgestimmt werden. Alle Projekte, die dann im Masterplan stehen werden, müssen in einem klar zu benennenden Zeitraum eine realistische Umsetzungsperspektive haben. Weitere Voraussetzungen sind ein Finanzierungs- und Betriebskonzept.

Zwei zentrale, gleichzeitig schwer umzusetzende Projekte sind die Tennisanlage am Rothenbaum und der Derbypark in Flottbek. Bei beiden besteht Handlungsbedarf.

Grote : Das sind beides Traditionsstandorte, an denen für die Stadt wichtige Veranstaltungen stattfinden. Am Rothenbaum gibt es einen Plan des Erbpächters, des Clubs an der Alster. Das ist jetzt die Grundlage für weitere Überlegungen. Für uns ist es wichtig, dass ein international wettbewerbsfähiges Tennisstadion Teil der Konstruktion bleibt. Der Stadt fällt bei diesem Vorhaben vor allem die Aufgabe zu, den Bebauungsplan in Abstimmung mit den Anwohnern anzupassen. Beim Derbypark in Klein Flottbek existieren im Moment noch zwei Ideen. Die eine ist die Modernisierung der Anlage am jetzigen Standort, die andere die Inte­gration des Parcours in die Doppelrennbahn in Horn.

Wozu tendieren Sie?

Grote : Man muss schon sehr gute Gründe finden, um das Derby von Klein Flottbek nach Horn zu verlegen.

Die Diskussionen um den Rothenbaum und Klein Flottbek laufen seit Jahren. Warum sollte jetzt etwas passieren?

Grote : In beide Anlagen muss dringend investiert werden. Deshalb müssen bald Entscheidungen getroffen werden.

Eine bessere Infrastruktur ist das eine, aber wo bleibt das Geld für die Trainer, Übungsleiter, Erzieher, Betreuer, Ausbilder, die diese Sportstätten mit Leben erfüllen sollen? Personal fehlt überfall: bei der Integration, bei der Inklusion, bei der Ganztagsbetreuung an den Schulen. Entsteht da nicht eine Schieflage?

Grote : Es hilft dem besten Trainer nichts, wenn ihm keine Sportanlagen zur Verfügung stehen. Wenn wir nicht in die Infrastruktur investierten, und da fließen ja nur zum Teil städtische Gelder in diese Projekte, gäbe es nicht einen einzigen Übungsleiter mehr. Richtig ist: Wir brauchen beides, Steine und Beine. Es stimmt, dass wir einen Qualifizierungsbedarf beim Personal haben. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass wir da mehr tun. Viele Programme laufen auch nicht über den Sportetat, sondern über andere Behörden. Die Verzahnung ist auch dank der Dekadenstrategie besser geworden. Dass es noch Verbesserungspotenzial gibt, ist uns bewusst.

Wofür wird es in den nächsten Jahren mehr Geld vom Sportsenator geben?

Grote : Wir müssen aufhören, nur in Finanzierungsbedarfen zu denken. Wenn jeder nur erklärt, dass er mehr gefördert werden muss als der andere, ist das wenig sexy. Wenn es aber eine gute Story gibt, die positive Emotionen auslöst, werden wir uns diese Projekte ansehen und nach Möglichkeit unterstützen. Einfach zu sagen: „Wir sind ein Profiteam. Wir brauchen Geld“, ist keine Geschichte. Der Basketballclub Hamburg Towers ist doch ein gutes Beispiel, dass man in dieser Stadt neue Sportprojekte erfolgreich entwickeln kann. Auch die Wirtschaft zieht doch nur mit, wenn es ihr attraktiv erscheint, Teil eines Projektes zu sein, bei dem man unbedingt mitmachen, dabei sein will. Der Hamburger Sport hat so viel Potenzial, so viele starke Vereine, Persönlichkeiten und Vorzeigeathleten, dass es keinen Grund zum Jammern gibt.

Sie halten an dem Plan fest, weitere Großveranstaltungen nach Hamburg zu holen. Haben Sie da schon Ideen?

Grote : Bisher haben wir mit dem Marathon, dem Triathlon, den Cyclassics, Tennis am Rothenbaum, und dem Derby in Klein Flottbek fünf bewährte Veranstaltungen. Dazu kommen jetzt die Beachvolleyball-Tour, das Hockey-Masters, – auch wenn es nur alle zwei Jahre in Hamburg ausgetragen wird –, und die Extreme Sailing Series in der HafenCity. Damit sind wir bei acht. Wir arbeiten jetzt an Nummer neun und zehn.

Woran genau?

Grote : Ein Ziel, das wir sehr ernsthaft verfolgen, ist, 2017 einen weiteren Triathlon, den Ironman, nach Hamburg zu holen. Das wäre ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, wenn wir in einer Stadt Marathon, Cyclassics, Triathlon und Ironman hätten. Das würde noch einmal ein ganz starkes Zeichen setzen. Weitere Kandidaten sind ein Handball-, ein Boxevent oder die Gymnastics.

Wovon hängen die Entscheidungen ab?

Grote : Ob wir entsprechende Partner finden, die ein bedeutendes Event in Hamburg veranstalten wollen und dann auch bei der Finanzierung helfen.

Welche dieser Vielzahl an Projekten wollen Sie bis zum Ende Ihrer Amtszeit in rund vier Jahren umgesetzt haben?

Grote : Möglichst alle.

Schaffen Sie das?

Grote : Ich bin da zuversichtlich.