Dortmund. Weltmeister Mats Hummels ist zum Spielball vieler Interessen geworden. Machtkampf bei den Bayern. Watzke: Ablöse nicht verhandelbar.
Der Redebedarf nach dem 5:1 gegen Wolfsburg war groß in Dortmund. In den Katakomben des Stadions, wo die Spieler sonst gerne schnell an den Reportern vorbeihuschen, stand Mats Hummels hinter Marcel Schmelzer und wartete geduldig, bis er an die Reihe kam. Vorher war schon Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, bei den Journalisten stehen geblieben, ohne dass diese ihn angesprochen hatten – denn es galt, zwei Botschaften zu platzieren: eine nach innen, an den eigenen Anhang und eine nach außen, an den ehemaligen Manager des FC Bayern München, Uli Hoeneß.
Vorausgegangen waren 90 Minuten, wie man sie in Dortmund lange nicht mehr erlebt hatte: Bei jedem seiner 123 Ballkontakte wurde Hummels von einem Teil der Dortmunder Zuschauer ausgepfiffen und nach der Partie mit Schmähungen deutlich unter der Gürtellinie belegt – weil er am Donnerstag mitgeteilt hatte, er wolle gern zum FC Bayern wechseln. „Mats ist ein astreiner Junge“, schimpfte Watzke. „Wer den beleidigt, hat fast das Recht verspielt, zu uns gehören.“
Das war die Botschaft nach innen, es folgte die an Uli Hoeneß. Der hatte am Freitag den Bayern empfohlen: Wenn ein Spieler wie Hummels anklopfe, müsse man die Tür öffnen. Eine Andeutung. dass sich der Spieler dem Verein angedient habe – aus Sicht des BVB weiteres Öl ins Feuer. „Was da aus München gekommen ist, das fand ich auch ein bisschen komisch“, erklärte er bei Sky: „Es ist sicherlich eine schwierige Gemengelage aktuell. Ich fand es nicht gut.“ Und weiter: „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, auch nicht von Leuten außerhalb des Vereins“. Hoeneß habe ja „keine Funktion und ist nur eine Art Edelfan. Mein Ansprechpartner ist Karl-Heinz Rummenigge.“
Spielball unterschiedlicher Interessen
Genau das ist das Problem: Hummels ist zum Spielball unterschiedlicher Interessen geworden, er ist zwischen mehrere Fronten geraten: zwischen einen Teil des BVB-Anhangs einerseits und Mitspielern und Verantwortlichen andererseits. Zwischen den BVB und den FC Bayern. Und zwischen die unterschiedlichen Parteien in einem Machtkampf, der beim Rekordmeister tobt. Hoeneß drängt nach absolvierter Haftstrafe zurück in den Verein, dessen Geschicke er jahrelang lenkte. Doch weder Matthias Sammer als sportlich Verantwortlicher noch Präsident Karl Hopfner und schon gar nicht der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge wollen ihre Macht teilen, der alte Patriarch und seine Erben sind sich längst in herzlicher Abneigung verbunden.
Hoeneß’ Aussage war deswegen keine der üblichen Sticheleien vor dem Pokalfinale am 21. Mai. Es war ein lautstarkes „Ich bin wieder da!“ nach innen, an Bayern-Anhänger und -Verantwortliche. Den Vereinsinteressen dürfte das nicht unbedingt nutzen, hatte Hoeneß doch mit einem Streich einen Spieler und einen Verein verärgert, mit dem man noch nicht handelseinig ist.
„Ich habe mich nirgendwo angeboten, das ist der größte Humbug, den ich je gehört habe“, polterte Hummels ohne Wissen der späteren Klarstellung Rummenigges. Dieser beeilte sich fast, zeitgleich zu erklären, dass die Initiative sehr wohl von den Bayern ausgegangen sei. Er habe „mit Uli gesprochen. Er hat’s verstanden. Er ist jetzt informiert und aufgeklärt“. Das klang gönnerhaft, wie der Enkel, der dem begriffsstutzigen Opa die moderne Welt erklärt.
Einigung vor DFB-Pokal-Finale
Rummenigge bleibt optimistisch, „dass wir eine seriöse Lösung finden“. Vor dem Pokalfinale, was auch erklärtes Ziel von Watzke und Hummels ist. „Beide Clubs haben kein Interesse daran, dass die Geschichte in die Länge gezogen wird. Beide wollen vorher Klarheit“, so Rummenigge.
Der 32. Bundesliga-Spieltag
Die Wahrscheinlichkeit, dass der BVB-Kapitän bis zum Vertragsende 2017 bleibt, dürfte durch die Ereignisse vom Sonnabend deutlich gesunken sein. „Ich bin wohl der erste Spieler, der von den Fans ausgepfiffen wird, obwohl er noch nicht einmal gewechselt ist“, klagte der Abwehrchef. Allerdings betonte er auch: Es waren 300, die mich auch vorher nicht unbedingt immer geliebt haben. Die haben das heute als Bühne genutzt. Das ist okay. Emotionen gehören dazu. Aber ich möchte ausdrücklich sagen, dass das nicht 80.000 waren, auch nicht 8000, sondern weniger.“ Er habe erfolgreich versucht, das auszublenden: „Ich glaube, ich habe dazu beigetragen, dass wir das Spiel gewinnen konnten.“
Was die Ablösesumme betrifft, so machte Watzke in der „Süddeutschen Zeitung“ klar, dass es keine Kompromissbereitschaft vonseiten der Dortmunder geben wird: „Wir haben eine Ablösesumme genannt, die nicht verhandelbar ist. Sie ist entweder zu hundert Prozent zu zahlen, oder der Wechsel findet nicht statt“, so der BVB-Geschäftsführer. Eine Vermengung mit einer eventuellen Rückkehr von Mario Götze werde es zudem auf keinen Fall geben, so Watzke weiter.