Letzter Teil der Sportserie: Berlin ist klar die Nummer eins in Deutschland, doch Hamburg kommt gleich danach.
Wir sehen den Marienplatz, das Rathaus, den Balkon. Live im Fernsehen. München. Lederhosen, hopsassa, gute Stimmung. Wieder präsentiert der FC Bayern eine Trophäe. Gefühlt jedes Jahr.
Wir sehen das Olympiastadion, Feuerwerk, Konfetti, Ehrentribüne. Live im Fernsehen. Berlin. Ein Mannschaftskapitän reißt den Pokal über den Kopf, die Politprominenz applaudiert artig. Jedes Jahr. Und manchmal kommt sogar die leibhaftige Fußballnationalmannschaft vorbei und lässt sich vor dem Brandenburger Tor feiern.
Wir sehen Rasen- und Hallentennis aus Stuttgart. Und in drei Jahren die Turn-WM. Handball-Champions-League-Finale aus Köln, Ironman aus Frankfurt, bald Bundesligafußball aus Leipzig. Wenn man die entsprechenden Suchparameter für die Eigen-PR der deutschen Großstädte eingibt, dann sind sie alle „Sportstädte“. Aber welche sind es denn nun wirklich – und wo steht Hamburg in dieser Liste?
Nicht schlecht tatsächlich.
Berlin überholt Hamburg im Angebot für die Sportzuschauer
Immerhin 497.000 Menschen sind in Hamburg in Sportvereinen organisiert, die rund 82.000 registrierten Fans des HSV und des FC St. Pauli sind da bereits herausgerechnet. In Berlin haben sich dagegen „nur“ 608.000 Sportler einem Club angeschlossen, in München allerdings 670.000. Das ist eine imponierende Zahl, darin enthalten sind aber auch die 220.000 Mitglieder von Bayern München. Dennoch ist der sportliche Organisationsgrad der 1,43 Millionen Münchner etwas höher, als jener der 1,77 Millionen Hamburger. In allen großen Städten sind diese Zahlen mit einem Vereins-Organisationsgrad zwischen 26 und 31 Prozent der Bevölkerung in etwa gleich. Nur Berlin und Leipzig (17,5 Prozent) fallen da ab.
In Hamburg wird auch für die Sportzuschauer einiges geboten. In den großen Ballsportarten Fußball, Handball (Männer), Eishockey, Volleyball (Frauen) gibt es ein Bundesligateam, im Basketball eine Zweitligamannschaft. Nur Berlin hat mehr im Angebot, dort spielen zusätzlich Basketballmänner, Handball-Frauen und Volleyball-Männer erstklassig. Keine andere große deutsche Stadt kann da mithalten. München hat neben den Fußballern noch eine Basketballmannschaft, die sich der FC Bayern leistet, und ein DEL-Team. In Köln existieren neben dem FC noch die Haie in der DEL, Frankfurt bietet ein Basketball- und ein Volleyballteam, Stuttgart neben dem VfB ein Handballteam und eine weibliche Volleyballmannschaft. Leipzig ist mit Männern und Frauen in der Handball-Bundesliga vertreten.
Hamburg allerdings nun nicht mehr. Dabei war der HSV trotz des schon krisenüberschatteten zweiten Halbjahres 2015 mit durchschnittlich 6358 Zuschauern immer noch bundesweit der viertgrößte Fanmagnet hinter Rekordmeister THW Kiel (10.281), Mannheim (7812) und Berlin (7903).
Zahlen und Fakten zum Sport in sieben Metropolen
Hamburgs Marathon schneidet als Event im Vergleich schlecht ab
Die Hamburger schauen ja offenbar gerne Sport. Und manchmal hat man dabei den Eindruck, Leistung oder gar Erfolg spielen für die Zuschauerresonanz keine große Rolle. 54.235 Zuschauer im Schnitt konnte der HSV im Volkspark nach dem Bayernspiel empfangen, zum FC St. Pauli kommen durchschnittlich 29.318 Fans zu den Begegnungen. Der VfB Stuttgart empfängt durchschnittlich 50.901 Zuschauer, der Tabellendritte Hertha BSC aber nur 48.155. Dafür sind die Berliner Zuschauer-Spitzenreiter in der DEL (13.018) vor Köln (11.161) und den Hamburg Freezers (8906).
Auch im Basketball ist die Hauptstadt ganz vorne: 9906 Fans sind durchschnittlich bei den Spielen von Alba zu Gast. Bayern Münchens Korbwerfer empfangen 5796 Fans, das Frankfurter Team 4815. Die über 3000 Zuschauer in der 2. Liga bei den Towers machen sich da nicht schlecht und wirken für den Fall eines eventuellen Aufstieges vielversprechend.
Die großen Stadtspektakel Marathon, Triathlon und Cyclassics bringen Hunderttausende Hamburger auf die Straße. Das kann in dieser Masse nur das doppelt so große Berlin überbieten, wo knapp eine Million den Marathon verfolgt. Der Lauf durch die Hauptstadt ist durch das großzügige Sponsoring eines Münchner Automobilkonzerns allerdings ein Weltklasse-Event. Hamburgs Marathon gehört dagegen sportlich nicht zu den Top fünf der Welt.
Mit dem Deutschen Galoppderby und dem Springderby, der Handball-Pokalendrunde sowie dem ATP-Tennisturnier am Rothenbaum bietet Hamburg zudem weitere hochkarätige Sportveranstaltungen und liegt damit deutschlandweit vorne. Aber auch hier ist Berlin mit dem DFB-Pokalfinale und dem Leichtathletik-Meeting Istaf glanzvoller aufgestellt. Das entspricht auch der Leitlinie der Berliner Regierung, die explizit festgelegt hat: „Sportgroßveranstaltungen stellen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar. Es liegt im Interesse Berlins, auch in Zukunft attraktive, internationale Veranstaltungen in die Stadt zu holen.“
Schon 2008 wurde deshalb in der Innenbehörde ein Expertenkreis eingerichtet, dessen Aufgabe eine „umfassendere Vermarktung der Sportmetropole Berlin ist“. Für die Vorbereitung des Deutschen Turnfestes 2017 und der Leichtathletik-EM 2018 gibt Berlin 28,2 Millionen Euro aus.
Lokale Wirtschaft in Sachen Sponsoring nicht ganz so spendabel
Auffallend ist, dass es praktisch in jeder der verglichenen Städte potente Großsponsoren aus der Wirtschaft gibt, die sich auch für die lokalen Clubs oder Events engagieren. Das Recycling-Unternehmen Alba ist in Berlin „Vater“ des Basketballspitzenteams, in Stuttgart steht die Mercedes-Benz Arena, Porsche sponsert die beiden Tennisturniere. Die Fußballer von Eintracht Frankfurt werden vom eigenen Flughafen (Fraport) unterstützt und spielen in der Commerzbank-Arena, BMW ist weltweit im Golf, Marathon und Wintersport unterwegs und finanziert das Münchner Tennisturnier. Die Kicker vom 1. FC Köln haben den rheinischen Lebensmittelriesen Rewe auf der Brust. Leipzig hat keinen lokalen Weltkonzern, dafür hat der Salzburger Brausegigant Red Bull entschieden, die sächsischen Kicker in die Bundesliga zu fördern und wird das auch schaffen.
In Hamburg aber ist die lokale Wirtschaft in Sachen Sportsponsoring nicht ganz so spendabel. Die Zuwendungen von Speditionsmilliardär Klaus-Michael Kühne an die Bundesligafußballer vom HSV sind keine Sponsorstrategie, sondern Liebhaberei eines reichen Fans. Der Unternehmer Alexander Otto tritt dagegen als privater Stifter und Förderer vorwiegend des Behinderten-, Breiten- und Jugendsports auf. Sein Engagement soll eben nicht dazu dienen, die Millionengehälter von Bundesligastars zu finanzieren. Otto setzt so eine hanseatische Kaufmannstradition fort, die es in Kunst, Wissenschaft und Allgemeinwohl seit Jahrhunderten gibt. Auf Jubelbilder vom Rathausbalkon aber müssen die Hamburger wohl noch lange warten.