Baku. Nur knapp 50 Goldmedaillen weniger als bei Olympia und doch ganz anders. Die Europaspiele in Baku sind komplettes Neuland.
Am Freitag werden in Baku die ersten Europaspiele eröffnet. Europaspiele? Im Bewusstsein vieler Sport-Anhänger müssen sich die bis zum 28. Juni dauernden Kontinentalwettkämpfe erst noch verankern. Während die ersten deutschen Athleten schon zur Premiere in der Hauptstadt Aserbaidschans ankommen, beantwortet die Deutsche Presse-Agentur die wichtigsten Fragen um Medaillen, Menschenrechte und Medieninteresse.
Was sind Europaspiele?
In Asien, Afrika oder dem Commonwealth gibt es bereits übergreifende Großereignisse mit mehreren Sportarten. Nach diesem Vorbild entschieden sich die Nationalen Olympischen Komitees Europas 2012 für die Einführung eines eigenen Kontinentalwettkampfs. Als erster Gastgeber bewarb sich das autoritär geführte Aserbaidschan nach zwei gescheiterten Olympia-Kandidaturen.
Erwartet den Zuschauer damit ein kleines Olympia - nur ausschließlich mit Europäern?
Nein, das Programm unterscheidet sich deutlich von Sommerspielen. Insgesamt werden 253 Goldmedaillen vergeben, bei Olympia in London 2012 waren es knapp 50 mehr. Aber es gibt vier komplette Sportarten, die nicht olympisch sind: Strandfußball, Karate, die in Russland entstandene Militär-Kampfsportart Sambo sowie eine Form des Basketballs, bei dem Drei gegen Drei gespielt. Im Turnen fallen zudem Entscheidungen in Akrobatik und Aerobic. In der Leichtathletik findet lediglich ein drittklassiger Teamwettbewerb ohne deutsche Beteiligung statt, beim Schwimmen sind Junioren am Start. Reiten, Hockey, Handball oder Tennis wird es erst gar nicht geben.
Wie bewerten die Sportverbände die Europaspiele?
Gemischt. „Ich sehe die European Games eher kritisch. Es ist ein weiterer Wettbewerb im ohnehin schon vollen Kalender“, sagt beispielsweise Heike Ahlert, Vizepräsidentin im Deutschen Tischtennisbund. Auch andere Verbände verweisen auf die hohe Belastung der Sportler und eine Entwertung bestehender Europameisterschaften. Gleichzeitig freuen sich aber kleinere Verbände auch über das verstärkte Medieninteresse und die Bühne für ihre Sportler. „Ich finde den Weg richtig, die Sportarten zu konzentrieren“, sagt Michael Müller, Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbands.
Sind die deutschen Top-Athleten dabei?
Vereinzelt. Im Turnen geht der frühere Reck-Weltmeister Fabian Hambüchen an den Start, die Tischtennis-Stars Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov kämpfen um ein Olympia-Ticket. Auch die Volleyball-Teams wollen Qualifikationspunkte für Rio 2016 holen. Beim Badminton oder Triathlon lassen die stärksten Sportler die Reise nach Baku aus, im Strandfußball, Straßenrad, Sambo oder Basketball gibt es keine deutschen Starter.
Wie groß ist die Kritik am Ausrichter Aserbaidschan?
Immens. Menschenrechtsorganisatoren wie Human Rights Watch kritisieren, dass die Europaspiele eine Chance für den mit harter Hand regierenden Präsidenten Ilcham Alijew zur Selbstdarstellung sind, und verweisen auf Verstöße gegen Menschenrechte und Pressefreiheit. Der Deutsche Olympische Sportbund äußerte sich Anfang des Jahres „beunruhigt“ aufgrund der Repressalien gegen Journalisten. „Die Berichte haben sich nicht geändert, wir sind weiterhin besorgt“, sagt DOSB-Vorstandchef Michael Vesper nun. „Andererseits glaube ich aber nicht, dass sich die Medien ohne die Europaspiele mit der Menschenrechtsfrage in Aserbaidschan so intensiv auseinandersetzen würden.“
Wo gibt es die Europaspiele zu sehen?
Sport1 wird die Europaspiele live im frei empfangbaren Fernsehen übertragen. Insgesamt sind mehr als 100 Stunden geplant, damit im Schnitt über sechs Stunden pro Wettkampftag. Als Experte beim Turnen ist der zweimalige Olympia-Silbergewinner Marcel Nguyen dabei.
Was folgt nach den Spielen?
Eigentlich war die Premiere als Testlauf geplant. Da allerdings die Vorbereitungszeit für Baku sehr knapp war, wurde bereits Mitte Mai die nächste Auflage 2019 an die Niederlande vergeben. Ob dann wirklich wie von den Organisatoren erhofft, auch die olympischen Kernsportarten Leichtathletik und Schwimmen voll dabei sind, bleibt abzuwarten.