Bayer Leverkusen hat das ZDF nach dem bemerkenswerten TV-Auftritt von Hakan Calhanoglu kritisiert. Das Gespräch im Sportstudio mit dem Ex-Hamburger sei anders abgesprochen worden.
Leverkusen. Nach dem spektakulären TV-Auftritt von Hakan Calhanoglu im ZDF-Sportstudio hat sich nun auch sein Verein Bayer Leverkusen zu Wort gemeldet. Nach Angaben des Werksclubs sei das Gespräch mit dem ehemaligen HSV-Profi anders abgesprochen worden. Der neue offensive Spielstil von Bayer und Calhanoglus persönliche Entwicklung sollten im Fokus der Unterhaltung mit Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein stehen.
"Das Interview ist aus dem Ruder gelaufen. Als ich es am Samstagabend gesehen habe, habe ich mich schon gefragt: Was läuft hier falsch?", sagte Mediendirektor Meinolf Sprink der Rheinischen Post. "Ich vertraue dem, was besprochen wurde. Tatsache ist, dass das Thema wenig bis gar nicht vorgekommen ist. Gespräche können sich entwickeln, das ist klar. Aber da war auf einmal ein Spin drin. Man hat gemerkt, dass Hakan baff war. Er fühlte sich nicht wohl.“
Calhanoglu berichtete erstmals öffentlich darüber, wie ein Begleiter seines Mitspielers Gökhan Töre ihn nach einem Länderspiel mit der türkischen Nationalmannschaft mit einer Waffe bedroht haben soll. Im dem bemerkenswerten TV-Auftritt attackierte er auch den ehemaligen HSV-Sportchef Oliver Kreuzer – und bezichtigt ihn des Wortbruchs. Sprink gibt dem Sender auch eine Teilschuld an dem überraschenden Gesprächsverlauf. "Normalerweise werden die Spieler im ZDF zelebriert. Ein Restrisiko besteht aber immer“, sagte Sprink der Rheinischen Post weiter.
Nachspiel: Hakan Calhanoglu ist falsch beraten
Dennoch bewertet der Mediendirektor von Bayer Leverkusen den TV-Auftritt des 20-Jährigen als positiv: „Die Menschen haben erkannt, dass er ehrlich ist und nicht rumgeeiert hat.“
Länderspiel-Absage hatte nichts mit Töre zu tun
Calhanoglu hatte über seine Angst während eines dramatischen Vorfalls mit Ex-HSV-Profi Gökhan Töre beim türkischen Nationalteam folgendes berichtet. „Beweg dich nicht, sonst erschieß' ich dich“, habe Töres Begleiter ihm gedroht, erzählte Calhanoglu von den Geschehnissen nach einem Länderspiel im Jahr 2013.
Damals seien Ex-HSV-Profi Töre und ein weiterer Mann in das Hotelzimmer von Mitspieler Ömer Toprak gekommen, in dem auch er sich aufhielt. „Ich war sehr nervös und konnte mich kaum bewegen“, berichtete Calhanoglu. Bei dem Streit sei es um einen Freund Topraks und Töres Ex-Freundin gegangen. „Wir waren zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort“, betonte der 20-Jährige. Er habe zunächst öffentlich zu den Vorkommnissen geschwiegen, da er Töre nicht habe schaden wollen.
Bei den jüngsten Länderspielen hatte der türkische Auswahlcoach Fatih Terim den 22-jährigen Töre erstmals seit knapp einem Jahr wieder nominiert. Seine Absage habe damit aber nichts zu tun gehabt, bekräftigte Calhanoglu. In der Bundesliga-Partie gegen den SC Paderborn habe er eine Wadenverletzung erlitten. Nun hoffe er, mit Terim ins Gespräch zu kommen. Zu möglichen Einsätzen im Test gegen Brasilien und in der EM-Qualifikation gegen Kasachstan im November sagte er: „Ich wünsche es mir natürlich, was es am Ende ergibt, muss ich abwarten.“
Derweil hat die Dauerfehde zwischen Calhanoglu und seinem ehemaligen Ziehvater Oliver Kreuzer ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Der Deutsch-Türke gab erneut seine schon mehrfach verbreitete Version des Theaters um den Wechsel vom HSV nach Leverkusen zum Besten – und warf dem ehemaligen HSV-Sportchef Wortbruch vor. „Es gab eine mündliche Vereinbarung, dass ich für eine bestimmte Ablösesumme den Verein verlassen kann“, erklärte Calhanoglu. Kreuzer habe „sein Versprechen nicht gehalten“ und ihn „im Stich gelassen.“.
Jarchow widerspricht Calhanoglu
Allerdings steht in dieser Sache Aussage gegen Aussage: Kreuzer, der am Sonntag zunächst nicht zu erreichen war, hat eine solche Zusage stets bestritten. Das bestätigte auch der damalige HSV-Vorstandschef Carl Edgar Jarchow. „Der Vorstand musste seinerzeit ja auch die neuen Verträge absegnen. Es gab bei Calhanoglu keinerlei Klauseln. Und auch Herr Kreuzer hat immer erklärt, dass es keine Nebenabsprachen gibt“, sagte Jarchow.
Hintergrund: Calhanoglu hatte seinen Vertrag im Februar beim damals stark abstiegsgefährdeten HSV bis 2018 verlängert. Der Kontrakt galt auch für die 2. Liga. „Ich will ein Zeichen setzen und in den kommenden Jahren zu einem festen Bestandteil der Mannschaft werden“, ließ der 20-Jährige damals wissen. „Ich wollte Herrn Kreuzer stark machen, dann ist er mir in den Rücken gefallen“, äußerte er nun über den Ex-HSV-Sportchef, der zuvor in gemeinsamen Zeiten beim Karlsruher SC als einer seiner Förderer galt. Wenige Monate nach der umjubelten Unterschrift beim HSV wollte Calhanoglu unbedingt weg – und wechselte nach längerem Hin und Her für 14,5 Millionen Euro Ablöse zu Bayer.
Der Umstand, dass er mit einem ärztlichen Attest wegen psychischer Instabilität den Transfer forcierte, sorgte dafür, dass er bei den HSV-Fans in Ungnade fiel. Auch im Verein machte er sich dadurch keine Freunde. „In Hamburg konnte ich kaum mehr rausgehen, mein Auto wurde kaputt geschlagen, es gab Beschimpfungen und Drohungen im Internet“, schilderte der Offensivspieler. Was den Norddeutschen auch missfiel: Kaum bei Bayer angekommen, meldete sich Calhanoglu noch vor Ablauf des Attestes fit: „Der Wechsel war wie eine Befreiung für mich.“