Der britische Boxprofi Anthony Joshua, 2012 Olympiasieger im Superschwergewicht, hilft Wladimir Klitschko, sich für die Titelverteidigung am 6. September in Hamburg gegen Kubrat Pulev zu rüsten.
Going. Als vor ein paar Wochen die Anfrage per E-Mail kam, da hatte Anthony Joshua sofort dieses Kribbeln im Bauch, das ihn auch in diesen Tagen nicht zur Ruhe kommen lässt. Ob er Wladimir Klitschko, dem Dreifachweltmeister im Schwergewicht, als Sparringspartner helfen wolle, sich auf die Titelverteidigung am 6. September in der Hamburger O2 World gegen den Bulgaren Kubrat Pulev vorzubereiten, stand in der Mail. Joshua wusste noch im selben Augenblick, dass es nichts geben konnte, was ihn stoppen würde, diese Chance wahrzunehmen. „Aber da war natürlich auch Aufregung in mir. Das Gefühl, ob ich die Erwartungen erfüllen kann, hat mich beschäftigt“, gibt der 24-Jährige zu.
Seit vergangenem Sonntag ist der Brite nun im Promi-Hotel Stanglwirt im derzeit für August untypisch nasskalten Tirol, wo sich Klitschko wie üblich zum Trainieren zurückgezogen hat. Und man kann schon jetzt sagen, dass er den Erwartungen standhält. Joshua soll vor allem mit seiner flinken Beinarbeit und dem guten Jab versuchen, den Stil des bulgarischen Herausforderers zu kopieren.
Vier Runden Sparring mit dem Champion am Montag hat er hinter sich, am Dienstag übte der Ukrainer acht Runden lang mit anderen der insgesamt sieben Sparringspartner, die derzeit in Österreich zur Verfügung stehen. Und Joshua, mit 198 cm Körperlänge genauso groß wie der Weltmeister, hat schon innerhalb dieser vier Runden gespürt, warum Klitschko der Dominator seiner Gewichtsklasse ist. „Seine Erfahrung, seine physische Präsenz und seine Intelligenz sind absolut beeindruckend“, sagt er.
In England hat er mit namhaften Schwergewichtlern wie David Price, Tyson Fury oder Dereck Chisora gesparrt, „aber es gibt niemanden, der auch nur annähernd auf dem Level von Wladimir Klitschko ist“, sagt er.
Fast schüchtern bewegt sich der perfekt austrainierte Athlet, der am Dienstag am Rande von Klitschkos Session ein zweieinhalbstündiges Programm mit beeindruckender Effizienz durchzog, durch das Hotel. „Für mich ist dieses Camp ein toller Test, um zu sehen, wo ich stehe. Deshalb habe ich mich über die Chance auch so gefreut“, sagt er. Dabei müsste Joshua sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, hat er doch selbst eine durchaus beeindruckende Vita vorzuweisen. 2012 war er in London Olympiasieger im Superschwergewicht. Ein Jahr später wurde er Profi, in seinen bislang sieben Kämpfen erreichte keiner seiner Gegner auch nur die dritte Runde.
„Dennoch ist das hier etwas ganz Besonderes für mich, ich habe niemals auf solch einem Niveau trainiert“, sagt er. Natürlich sei der Fakt, dass zwei Olympiasieger – Wladimir Klitschko holte 1996 in Atlanta Gold – miteinander trainieren, interessant. „Aber Profiboxen ist eben ein komplett anderes Geschäft“, sagt Joshua.
Den Traum, einst wie Klitschko die Königsklasse des Berufsboxens zu dominieren, träumt auch der junge Brite. Aber er will nichts überstürzen. Am 13. September bestreitet er in Manchester seinen nächsten Kampf, der Gegner steht noch nicht fest. „Danach möchte ich zunächst britischer Meister werden, dann Europameister. Ich will Schritt für Schritt nach oben.“
Um dann irgendwann nicht mehr nur im Training, sondern im Wettkampf gegen Klitschko anzutreten? „Vielleicht warte ich lieber, bis er in den Box-Ruhestand geht. Dann sind meine Chancen besser“, sagt er und lacht. Scheint so, als wisse Anthony Joshua nicht nur seine Fäuste, sondern auch seinen Kopf einzusetzen.