Im Zuge der Korruptionsaffäre um die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar kommen immer mehr Details ans Licht, erstmals wird auch der Name von Franz Beckenbauer genannt, dem nun Sanktionen drohen.

Frankfurt/London. Die Korruptionsaffäre um die WM 2022 in Katar setzt den Weltverband Fifa weiter massiv unter Druck – erstmals fiel auch der Name von Deutschlands Fußball-Lichtgestalt Franz Beckenbauer. Vier Tage vor dem Anpfiff des Turniers in Brasilien veröffentlichte die britische Zeitung Sunday Times erneut Anschuldigungen für angebliche Bestechungen und Schmiergeldzahlungen. Der Fifa-Kongress in Sao Paulo (10./11. Juni) gewinnt angesichts der neuen Vorwürfe an Brisanz.

Im Frühjahr 2011, fünf Monate nach der höchst umstrittenen Entscheidung für den Wüstenstaat, sei der heute 68-jährige Beckenbauer zusammen mit Vorständen eines Öl- und Gas-Unternehmens nach Doha eingeladen worden – von der im Zentrum der Vorwürfe stehenden Schlüsselfigur Mohamed Bin Hammam. Die beteiligte Firma, die Beckenbauer damals als Berater angestellt haben soll, teilte der Sunday Times mit, bei dem Treffen seien mögliche Investitionen Katars im maritimen Bereich diskutiert worden. Zu einem Vertragsabschluss sei es aber nicht gekommen.

Beckenbauer, bei der Vergabe an Katar im Dezember 2010 Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee, gab auf Anfrage der Zeitung dazu keinen Kommentar ab. Am Donnerstag hatte er in München noch klargestellt: „Mich hat keiner versucht zu beeinflussen oder mir etwas angeboten. Deshalb kann ich nichts dazu beitragen, wenn es um Korruption geht.“ Wie seine Wahl ausfiel, hatte er nie öffentlich gemacht. „Das bleibt geheim“, sagte der „Kaiser“, der sich darauf beruft, kein offizielles Amt im internationalen Fußball mehr inne zu haben. Er hatte sich im März 2011 aus dem Fifa-Exko verabschiedet.

Der britische Fifa-Vize-Präsident Jim Boyce forderte im Gespräch mit der Tageszeitung The Telegraph eine Sanktionierung Beckenbauers, sollte dieser als ehemaliger Fifa-Funktionsträger nicht mit Fifa-Chefermittler Michael Garcia kooperieren.

Zwanziger hält Ermittlungen gegen Beckenbauer für möglich

FIFA-Exekutivmitglied Theo Zwanziger schließt eine Untersuchung der Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes gegen Franz Beckenbauer nicht aus. „Wenn man das Ethikreglement liest, wird man zu Punkten kommen, wo man Fragen stellen kann“, sagte Zwanziger am Montag in Sao Paulo. Gleichzeitig betonte der ehemalige DFB-Präsident sein gutes Verhältnis zu Beckenbauer. „Ich bin stolz auf unsere Freundschaft, aber ich weiß auch, dass Franz Beckenbauer ein Geschäftsmann ist“, sagte Zwanziger. Medienberichte über eine angebliche Weigerung Beckenbauers, FIFA-Chefuntersucher Michael Garcia Rede und Antwort zu den umstrittenen WM-Vergaben 2018 und 2022 zu stehen, wollte Zwanziger nicht kommentieren. „Darüber habe ich keine Kenntnis.“


Im Mai 2012 war Beckenbauer Partner und Botschafter der Russian Gas Society (RGS) geworden. Die RGS ist die Vereinigung aller gasfördernden Unternehmen in Russland. Wichtigstes Mitglied ist der Gas-Gigant Gazprom. Für ihn sei es eine Ehre mit der RGS, „einer der wichtigsten Wirtschaftsinstitutionen Europas“, zusammenzuarbeiten, sagte Beckenbauer damals.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Sunday Times berichtet, der katarische Unternehmer Bin Hammam habe während seiner Zeit im Fifa-Exko mehrere Offizielle des Weltverbandes mit insgesamt 3,7 Millionen Euro geschmiert, um die WM in sein Heimatland zu holen. Die doppelte Vergabe der Endrunden 2018 nach Russland und 2022 steht im Fokus der Ermittlungen der Fifa-Ethikkommission unter Garcia, der seine Untersuchung am Montag abschließen will.

Die Fifa-Exekutive wies nach einer Sitzung vor dem großen Kongress in São Paulo (10. und 11. Juni) nochmals darauf hin, „dass sie die Ethikkommission ihre Arbeit beenden lässt, bevor sie Stellung nimmt“. Den Druck erhöht hat allerdings der langjährige Fifa-Partner adidas. „Wie schon erwähnt, ist der negative Tenor der derzeitigen öffentlichen Debatte um die Fifa weder gut für den Fußball noch für die Fifa und seine Partner“, teilte das Herzogenauracher Unternehmen mit. Im japanischen Medien- und Elektronikkonzern Sony sowie dem Kreditkartenunternehmen Visa – beide forderten eine „angemessene Ermittlung“ – reagierten am Sonntag ein zweiter und dritter FIFA-Sponsor. Fifa-Marketing-Direktor Thierry Weil sagte in einer Erklärung, dass es keine Forderung vonseiten der Partner in Richtung des Weltverbandes über die laufenden Ermittlungen hinaus gegeben habe.

Wie sehr ist Blatter in die Affäre verwickelt?


Seit geraumer Zeit stehen Bestechungsvorwürfe im Raum. Demnach habe Bin Hammam neben den millionenschweren Überweisungen auch seine wirtschaftlichen und politischen Kontakte missbraucht. So sei es Ende Oktober 2010, kurz vor der Wahl Katars und Russlands, zu einem Treffen mit Wladimir Putin, damals Ministerpräsident Russlands, gekommen, um „bilaterale Beziehungen im Sport“ zu diskutieren.

Auch ein Gas-Deal zwischen Thailand und Katar sei von Bin Hammam, der von der Fifa inzwischen lebenslang gesperrt ist, eingefädelt worden. Die BBC berichtet von Treffen der katarischen Königsfamilie mit neun Mitgliedern des Fifa-Exkos, darunter auch Fifa-Präsident Joseph S. Blatter.

Das katarische WM-Organisationskomitee wiederholte seine Erklärung, wonach Bin Hammam weder eine offizielle noch eine inoffizielle Rolle im OK gespielt habe. In einer Stellungnahme des Katar 2022 Supreme Committee for Delivery and Legacy vom Sonntag hieß es: „Katar ist überzeugt davon, dass am Ende dieses angemessenen Prozesses die Vergabe der WM 2022 Bestand haben wird.“