Der Ex-Tennis-Profi fordert einen Neuanfang ohne die Verweigerer Tommy Haas und Philipp Kohlschreiber und wäre über einen Rücktritt von Teamchef Carsten Arriens nicht überrascht.
Frankfurt/Main. Nach dem Eklat von Frankfurt ist eine Welle der Empörung über das deutsche Davis-Cup-Team hereingebrochen. Ex-Profi Nicolas Kiefer schließt sogar einen Rücktritt von Teamchef Carsten Arriens nicht aus und fordert eine Neuanfang – ohne die Verweigerer vom Wochenende. „Ich wäre nicht überrascht, wenn Carsten Arriens zurücktreten würde“, sagte Kiefer am Montag: „Mein erster Gedanke am Sonntag war, warum tut er sich das noch an.“
Der 36-jährige Kiefer, mittlerweile Tennisexperte bei Sat.1, würde nach der Absagenflut beim 4:1 gegen Spanien am Wochenende personelle Konsequenzen für das Viertelfinale in Frankreich (4. bis 6. April) begrüßen. „Konsequent wäre es, wenn Arriens in Frankreich auf die Verweigerer verzichtet und einen Neuaufbau startet“, sagte der frühere Weltranglisten-Vierte.
Die deutsche Mannschaft hat durch den Erfolg gegen Spanien zwar erstmals seit 2011 das Viertelfinale erreicht, doch die Absage des dritten Einzels sorgte bei den 5000 Zuschauern für großen Unmut. Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer hatten sich wegen Verletzungen beziehungsweise Erschöpfung nicht in der Lage gesehen, zum bedeutungslosen Match gegen Feliciano Lopez anzutreten.
Für Kiefer unverständlich: „Einzelunternehmer haben sich verweigert, für Deutschland zu spielen. Das ist auch für den Nachwuchs ein verheerendes Signal“, sagte „Kiwi“. Alles was aufgebaut worden sei, habe man „in einer Minute kaputt gemacht“.
Besonders bei Arriens war sichtbar, dass der Eklat tiefe Wunden hinterlassen hat. Das smarte Lächeln war längst aus dem Gesicht des 44-Jährigen gewichen, als er das Unfassbare zu analysieren versuchte. „Es geht uns allen nah, was passiert ist. Es hat uns alle nachdenklich gemacht“, sagte Arriens.
Als Überbringer der schlechten Nachricht bekam der gebürtige Frankfurter auf dem Court die geballte Wut der verärgerten Zuschauer in der ausverkauften Arena ab. Eine schmerzhafte Erfahrung für einen, der Harmonie und Teamgeist großschreibt.
In den kommenden Tagen wird Arriens sicherlich auch mögliche Konsequenzen in Betracht ziehen. „Ich brauche jetzt ein bisschen Abstand und Zeit, darüber nachzudenken, um alles auf mich wirken zu lassen“, kündigte der Teamchef an und fühlte sich trotz des sportlichen Sieges im „Zustand einer Niederlage“.
Der ernüchterte Arriens wird sich eingestehen müssen, dass sein Einfluss als Kapitän viel begrenzter ist, als er es sich bei seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr vielleicht erhofft hatte. Jedenfalls konnte er weder Kohlschreiber noch Haas dazu bewegen, zum dritten Einzel anzutreten.
Die Ich-AGs machten ihrem Team-Chef einen Strich durch die Rechnung. Und Arriens war es dann, der vor dem verärgerten Publikum geradestehen musste. „Ich bin verantwortlich für Struktur und Kommunikation“, erklärte er.
„Ein Riesenrückschritt für das deutsche Tennis"
Kohlschreiber hatte über Erschöpfung und Probleme im Schulterbereich geklagt, die angeblich aufgrund der im Davis Cup verwendeten schwereren Bälle entstanden waren. Haas hatte ebenfalls seine bereits seit einigen Wochen lädierte Schulter als Grund seiner Absage angeführt. Beide sind übrigens in dieser Woche beim ATP-Turnier in Zagreb gemeldet.
Dabei hatte Arriens seine Auswahl in punkto Teamgeist eigentlich auf einem guten Weg gesehen. Der Schachzug, die einstigen Streithähne Haas und Kohlschreiber gemeinsam Doppel spielen zu lassen, ging voll auf. Einen Tag später interessierte das niemanden mehr. Arriens hatte wegen des euphorischen Publikums an den ersten beiden Tagen sogar davon geträumt, ein mögliches Halbfinale in der rund 15.000 Zuschauer fassenden Frankfurter Festhalle spielen zu dürfen. Daran dachte nach dem Skandal am Sonntag allerdings niemand mehr.
Für den Deutschen Tennis Bund sind die Ereignisse vom Wochenende ein herber Rückschlag, hatte doch DTB-Präsident Karl Altenburg immer wieder betont, wie hart man zuletzt daran gearbeitet hatte, „Tennis wieder attraktiver zu machen“. In den vergangenen Wochen konnten sogar zwei neue Sponsoren gewonnen werden.
Diese Aufbruchstimmung ist restlos verpufft. „Die Vorkommnisse vom Wochenende waren ein Schlag ins Gesicht, ein Riesenrückschritt für das deutsche Tennis“, sagte Kiefer. Die Tage von Frankfurt bedürfen in jedem Fall einer gründlichen Aufarbeitung.