Vor dem Rückkampf mit WBO-Weltmeister Marco Huck spricht Cruisergewichts-Boxprofi Firat Arslan über seinen Glauben an ein faires Urteil, Dopingvorwürfe und Höchstleistungen in hohem Alter.
Hamburg. Firat Arslan hat in der vergangenen Woche wieder einmal Mahatma Gandhi bemüht. „Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, und am Ende gewinnst du.“ Dieses Zitat des indischen Freiheitskämpfers hat sich der 43-Jährige als Motto für seine Mission ausgewählt. An diesem Sonnabend (22.10 Uhr/ARD) tritt Arslan in der Stuttgarter Schleyer-Halle zum Rückkampf gegen WBO-Weltmeister Marco Huck an, dem er im November 2012 höchst umstritten nach Punkten unterlegen war.
Hamburger Abendblatt: Herr Arslan, welches Gefühl ist vorherrschend, wenn Sie an den Sonnabend denken?
Firat Arslan: Ganz klar Vorfreude. Ich bin unheimlich heiß darauf, wieder gegen Marco anzutreten und Teil eines solch großen Kampfes sein zu dürfen.
Wir hätten eher gedacht, dass Sie Rachlust verspüren, schließlich war die Niederlage im ersten Kampf in den Augen vieler Experten unverdient.
Arslan: Zum Ergebnis des ersten Kampfes will und muss ich nicht mehr viel sagen. Jeder hat gesehen, was dort passiert ist. Umso mehr freue ich mich, dass ich nun die Chance bekomme, noch einmal um den Titel zu kämpfen. Vor allem für den Boxsport ist das ein wichtiges Zeichen. Es sind Kämpfe wie diese, die das Boxen braucht, um wieder positive Resonanz zu bekommen.
Tatsächlich waren die Kommentare nach dem ersten Duell überwiegend negativ. Viele haben danach das Gefühl gehabt, dass Urteile eben doch käuflich sind.
Arslan: Ich bin mir ganz sicher, dass es ein solches Urteil nicht noch einmal geben wird. Ich glaube an die Integrität des Sauerland-Stalls, an die Fairness der ARD und des Weltverbands WBO, vor allem aber glaube ich an Gerechtigkeit. Das, was am 3. November 2012 passiert ist, war ein Ausrutscher. Der Ringrichter wollte mich schon vor dem Kampf einschüchtern, er hat damit gedroht, den Kampf abzubrechen, wenn ich zu lange in Doppeldeckung stehen würde, obwohl er dazu keine Handhabe gehabt hätte. Er hat Marco alle Tiefschläge durchgehen lassen. Ich weiß nicht, was mit ihm los war. Aber ich weiß, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird.
Mit Marco Huck haben Sie sich immer gut verstanden. Hat sich nach dem ersten Kampf daran etwas geändert?
Arslan: Nein, überhaupt nicht. Ich mag Marco. Wenn er am Sonnabend der bessere Mann ist, dann werde ich ihm ganz fair gratulieren und ihm den gebührenden Respekt erweisen. Aber ich bin mir sicher, dass ich den Ring als klarer Sieger verlassen werde, wenn ich die gleiche Leistung bringe wie im ersten Duell.
Nun haben wir im dritten Duell mit Ola Afolabi gesehen, dass Huck durchaus in der Lage ist, sich zu steigern, wenn er sich für einen Kampf motivieren kann. Fürchten Sie nicht, dass er diesmal viel stärker sein wird?
Arslan: Ich glaube nicht, dass er sich so klar steigern kann, dass er mich besiegt. Er war auch für unseren ersten Kampf in Form, das hat sein Trainer Ulli Wegner bestätigt. Wäre er das nicht gewesen, hätte er die zwölf Runden nicht durchgestanden. Es kann sein, dass er diesmal etwas motivierter an die Aufgabe herangeht, aber das gilt auch für mich. Auch ich versuche, noch ein bisschen besser zu sein. So geben wir beide eisern unser Bestes, und das ist es, was die Zuschauer auch verlangen dürfen. Ich konnte mich immer motivieren. Ich boxe seit 25 Jahren am Limit, und deshalb bin ich auch Realist. Kein Mensch kann sich stetig steigern. Aber man kann sein Niveau halten, und das gelingt mir gut.
Sie sind 43 Jahre alt. Sind Sie manchmal selbst überrascht darüber, dass Sie noch so gut mithalten können?
Arslan: Überrascht? Das wäre das falsche Wort. Eher bin ich glücklich darüber, dass ich noch immer auf dem Level trainieren kann wie vor fünf oder zehn Jahren. Ich halte allen Belastungen Stand und werde in Hochform antreten. In vielen Kämpfen war ich der Ältere und habe dennoch gezeigt, dass ich auch der Fittere bin. Mein Wille und mein Glaube treiben mich weiter zu Höchstleistungen.
Es gibt einige, die angesichts Ihrer starken Physis der Meinung sind, dass auch unerlaubte Mittel Sie zu Höchstleistungen treiben. Was entgegnen Sie diesen Doping-Verdächtigungen?
Arslan: Allen Neidern kann ich nur sagen: Ich habe mich den strengen Dopingrichtlinien der Nada unterworfen, bin in der Vorbereitung mehrmals im Training kontrolliert worden. Ich lasse mir von niemandem vorwerfen, ein Betrüger zu sein, denn ich weiß, woher meine Physis kommt: von knallharter, mühsamer Arbeit. Ich stecke in jedes Training die gleiche Energie wie in einen Kampf. Ich ernähre mich gut, lebe für den Sport und kenne keinen, der so hart trainiert wie ich. Und das ist mein einziges Fitness-Geheimnis.
Welche Rolle spielt es für den Rückkampf, dass Sie nun ebenfalls bei Sauerland unter Vertrag stehen?
Arslan: Keine, denn ich glaube, dass Sauerland auch im ersten Kampf ein faires Urteil wollte. Jeder weiß doch, dass vor allem der Boxsport verliert, wenn nicht der den Ring als Sieger verlässt, der den Kampf gewonnen hat. Deshalb mache ich mir über diese Dinge keine Gedanken, sondern nur über meine eigene Leistung.
Es ist also nicht so, dass Sie bei Sauerland nur unterschrieben haben, um Huck ins Rematch zu zwingen?
Arslan: Unsinn. Ich weiß, dass mir einige vorgeworfen haben, mich mit der Unterschrift bei Sauerland verkauft zu haben. Das habe ich noch nie getan. Aber ich hätte ohne diese Unterschrift keine Chance mehr auf große Kämpfe gehabt. Insofern bin ich sehr dankbar, dass ich das Angebot bekommen habe. Sehen Sie, ich habe mich mit 27 bei Sauerland und Universum beworben, und beide haben mich abgelehnt, weil ich ihnen zu alt war. Mit 36 habe ich dann bei Universum unterschrieben, bin dort mit 37 Weltmeister geworden und hatte die beste Zeit meiner Karriere. Mit 42 habe ich bei Sauerland unterschrieben und werde auch dort Weltmeister werden. In meinen Augen bin ich es seit dem 3. November 2012, ich habe nur meinen Lohn nicht bekommen. Das hole ich jetzt nach. Ich kann nur sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass es Promoter wie Klaus-Peter Kohl und Dietmar Poszwa bei Universum oder Wilfried und Kalle Sauerland gibt. Ohne sie hätten viele nie das erreicht, was sie erreicht haben. Auch ich nicht, auch wenn das etwas länger gedauert hat, als ich es mir gewünscht hätte.
Man hat das Gefühl, dass Sauerland derzeit einen ähnlichen Weg geht wie Universum vor ein paar Jahren. Viele namhafte deutsche Boxer sollen den TV-Vertrag mit der ARD retten. Bei Universum und dem ZDF hat das nicht funktioniert. Was macht Sauerland anders, das Ihnen Hoffnung gibt?
Arslan: Ich bin erst zu kurz hier, um das beurteilen zu können. Fakt ist, dass Sauerland genauso professionell arbeitet wie früher Universum unter Kohl und Poszwa, aber derzeit der einzige Promoter ist, der Boxer fördert und ihnen einen Platz in einem großen TV-Sender anbieten kann. Deshalb bin ich dankbar, dass ich hier die Chance bekomme, noch einmal anzugreifen.
Wenn Sie gegen Huck erneut verlieren, und diesmal sogar zu Recht, werden Sie dann Ihre Karriere beenden?
Arslan: Das ist eine Frage, die ich erst nach dem Kampf beantworten werde, denn derzeit hat eine Niederlage in meinem Kopf keinen Platz. Ich weiß nur, dass mir die Arbeit, das Training und das Zusammensein mit meinem tollen Team weiterhin riesigen Spaß machen. Und so lange das so ist und ich meine Leistung bringe, sehe ich keinen Grund dafür aufzuhören.
Und wäre ein Aufstieg ins Schwergewicht auf Ihre alten Tage eine Option?
Arslan: Da muss man realistisch bleiben: So lange die Klitschkos da sind, hätte das keinen Sinn. Mein Anspruch ist es, in der Weltspitze mitzuhalten. Aber mit meinen 1,83 Metern gegen einen Zweimetermann wie Wladimir, der noch dazu technisch und physisch perfekt ausgebildet ist, das würde keinen Sinn machen. Ich würde mir zwar eine Menge der heutigen Schwergewichtler als Gegner zutrauen, aber an der Spitze hätte ich nichts zu suchen. Da bleibe ich lieber im Cruisergewicht. Herausforderungen gibt es da wirklich genug.