Boris Becker wird am Freitag zum ersten Mal als Coach von Novak Djokovic in dessen Box sitzen. Auch andere Topstars vertrauen in der Saison 2014 auf neue Trainer.
Abu Dhabi. Die Ruhe vor dem Sturm erlebte Boris Becker an Weihnachten in seinem Londoner Domizil: Beim Filmklassiker „Vom Winde verweht“ sowie mit Beef Wellington und der Familie stimmte sich der dreimalige Wimbledonsieger ganz gemütlich auf seine neue Herausforderung ein. Doch die Idylle im Hause Becker in Wimbledon endete, bevor das Fest der Liebe offiziell ausgeklungen war.
Bereits am zweiten Weihnachtsfeiertag saß Becker im Flugzeug Richtung Abu Dhabi, um am Freitag seinen neuen Schützling Novak Djokovic erstmals offiziell als Coach zu betreuen. „Mit Boris ist mein Team besser. Ich hoffe, jetzt kommen die Ergebnisse, die wir uns alle wünschen“, sagte der Weltranglistenzweite aus Serbien, der im Halbfinale des Showturniers entweder auf den britischen Wimbledonchampion Andy Murray oder den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga trifft.
Im Blitzlichtgewitter aber dürfte bei seinem besonderen Debüt der 46-jährige Becker („Lasst uns beginnen„) stehen. Doch trotz der vielen - auch kritischen - Schlagzeilen über die Überraschungs-Combo glaubt Murray nicht, dass zwischen seinem Coach Ivan Lendl und dessen altem Rivalen Becker ein neues Duell auf der Trainerbank entsteht. „In einem Match ist der Einfluss eines Trainers sehr begrenzt“, sagte der Weltranglistenvierte Murray den Gulf News: „In dem Moment, wenn der Spieler auf den Platz geht, kann der Trainer wenig Einfluss auf den Verlauf des Matches nehmen, selbst wenn er Becker oder Lendl heißt.“
Allerdings setzten in den vergangenen Wochen auffallend viele Profis auf eine Blutaufrischung an exponierter Stelle. Bei den Männern wechselten fünf Spieler aus den Top Ten zuletzt ihren Trainer, bei den Frauen waren es immerhin fünf der besten Zwölf.
Für John McEnroe ist die Fluktuation keine Überraschung: „Viele versuchen so, neue Impulse zu setzen und die paar Prozentpunkte mehr aus sich herauszukitzeln. Und wenn einer damit anfängt, ziehen die anderen nach“, meinte die US-Ikone, während Magnus Norman scherzend anmerkte: „Mittlerweile gibt es so viele klangvolle Namen, die wieder auf der Tour sind. Da bin ich wohl nicht mehr topgesetzt.“ Die frühere Nummer zwei im ATP-Ranking verhalf in der zurückliegenden Saison US-Open-Halbfinalist Stanislas Wawrinka (Schweiz) zum Durchbruch.
Gut möglich, dass Norman bald einen schwedischen Landsmann im Gros der namhaften Trainer begrüßen kann. Grand-Slam-Rekordsieger Roger Federer spielt mit dem Gedanken, den zweimaligen Wimbledonsieger Stefan Edberg zu verpflichten. Es wäre die Fortsetzung der Retro-Coach-Welle.
Auch die deutsche Nummer eins Angelique Kerber hofft, mit einem neuen Mann an ihrer Seite den Abstand zur Spitze verringern zu können. Schon nach dem frühen Ausscheiden in Wimbledon 2013 hatte die 25-Jährige das Gefühl, „neue Impulse setzen zu müssen“. Statt des introvertierten Torben Beltz hat jetzt der wesentlich extrovertiertere Benjamin Ebrahimzadeh das Sagen.
Auch von Becker erwarten die Experten, dass er mit besonderen Ansprachen bei Djokovic den Horizont in Sachen Motivation erweitert. „Auf diesem Level“, so Becker, „gibt es kleine Dinge, die entscheiden, ob du den großen Pokal gewinnst oder Zweiter wirst.“
Die harsche Kritik an der Verpflichtung Beckers hält Diplom-Psychologin Eva Pfaff für verfrüht. „Beide respektieren sich sehr. Man sollte sie jetzt erstmal in Ruhe arbeiten lassen und alles mit Spannung und Interesse verfolgen“, sagte die frühere Top-20-Spielerin Pfaff dem SID.
Jüngst hatte der frühere Davis-Cup-Teamchef Niki Pilic im Spiegel erklärt: „Boris wird bestimmt versuchen, etwas zu verändern. Aber er weiß ja nicht zu hundert Prozent, wie das geht“. Für ein Stück Unvoreingenommenheit wäre in diesen Tagen sicher auch Becker dankbar.