Die Macher der gescheiterten Bewerbung 2012 glauben fest an eine neue Chance für die Spiele. Hamburg könnte vom Kurswechsel des IOC profitieren.
Hamburg. Ein besseres Motiv vor einer Podiumsdiskussion konnte es kaum geben. Vor einer Luftbildmodell-Aufnahme für die Hamburger Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012 ließen sich die vier Macher dieses Projekts ablichten. Der Plan zeigt, wie die olympische Idee Hamburg verändert hätte, wäre der Zuschlag an die Hansestadt gegangen. Bekanntlich kam es anders: Hamburg unterlag schon in der nationalen Vorentscheidung dem Konkurrenten aus Leipzig, der wiederum 2005 völlig chancenlos bei der Vergabe durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) war.
Die Vision vom größten Sportfest der Welt in Hamburg lebt dennoch weiter, wie die von Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider moderierte Diskussion in der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) am Campus der Universität an der Gertrudenstraße zeigte. Prof. Wolfgang Maennig, Finanzexperte und Ruder-Olympiasieger 1988, Handelskammer-Syndikus Reinhard Wolf, Prof. Hans-Jürgen Schulke, ehemaliger Sportamtsleiter und heute MHMK-Dozent sowie Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter waren maßgeblich an der damaligen Bewerbung beteiligt. Und das Quartett ist überzeugt, dass eine neuerliche Bewerbung durchaus Chancen hätte.
Schulke bedauerte ausdrücklich das damalige Scheitern: „Wir hätten ähnlich enthusiastische Spiele veranstalten können wie dann London.“ Hamburg hätte weltweit enorm profitiert. Die Macher der Bewerbung zeigten sich allerdings auch durchaus selbstkritisch. „Wir waren ein bisschen zu sicher“, gab Maennig zu. Wolf sah als größtes Defizit, dass sich Hamburg zuvor über Jahrzehnte nicht um den Leistungssport gekümmert habe: „Wir hatten überhaupt kein sportliches Profil. Der Olympiastützpunkt stand hier sogar vor dem Aus.“ Zudem habe sich die deutsche Regierung für Leipzig starkgemacht: „Die Politik hat geglaubt, dass eine solche Inszenierung die Probleme in Ostdeutschland gelöst hätte.“
Inzwischen hätten sich die Vorzeichen für Hamburg deutlich verbessert, auch dank der Investitionen in Sportstätten. Oberbaudirektor Jörn Walter ist überzeugt, dass ein leicht modifiziertes Baukonzept für „Spiele am Wasser, Spiele im Herzen der Stadt“ optimale Bedingungen bieten würde. Auch Wolf sagte: „Keine andere Stadt in der Welt kann einen Olympiapark bieten, wo man bequem zum Rathaus und zum Hauptbahnhof spazieren“ könnte.
Bei der Finanzierung, der „großen Schlüsselfrage“ (Wolf) einer neuen Bewerbung, gab es unterschiedliche Auffassungen. Walter forderte vom IOC eine gerechtere Verteilung der Einnahmen: „Es kann nicht sein, dass das IOC Milliarden Euro für die Übertragungsrechte kassiert und die Ausrichter auf einem Schuldenberg sitzen bleiben.“
Wolf und Maennig halten dagegen manche Kostenrechnung für überzogen. Es sei ungerecht, die Kosten für den ohnehin notwendigen Bau von Flughäfen oder Bahnlinien den Spielen zuzurechnen. Wolf: „Mit Olympischen Spielen könnte auch das Milliardenprojekt einer Erweiterung der U 4 bis nach Harburg kommen. Aber das ist doch nur der Vorgriff auf dringend notwendige Maßnahmen für die Infrastruktur.“ Schulke appellierte, dass Spiele keine „Investitionsruinen“ mehr hinterlassen dürften, also keine Wettkampfstätten, die später kaum noch genutzt werden. Der frühere Sportamtsleiter sieht beim IOC unter dem neuen Präsidenten Dr. Thomas Bach einen entsprechenden Kurswechsel, „weg vom Gigantismus“.
Nur auf diesem Weg, da waren sich alle einig, könne man noch einmal eine neue Bewerbung in Angriff nehmen. „Wenn das IOC nicht nur mit Scheichs und Diktatoren Spiele veranstalten will, muss man umdenken“, sagte Wolf. Maennig plädierte für eine „freche, unkonventionelle Bewerbung“. Hamburg dürfe nicht den inzwischen branchenüblichen Weg mit dem Bau von immer aufwendigeren Arenen gehen: „Überspitzt formuliert könnte man etwa Zelte im Olympischen Dort errichten.“
Aber ist die Bevölkerung in Hamburg überhaupt noch bereit für Olympia? Für Maennig ist eine breite Zustimmung unbedingt erforderlich: „Die Olympische Familie gibt ihr Baby mit der Vergabe für sieben Jahre in andere Hände. Und sie möchte, dass dieses Baby geliebt wird. Das IOC will sehen, dass die Deutschen für die Olympischen Spiele brennen. Sonst macht eine Bewerbung keinen Sinn.“ Schulke ist überzeugt, dass das Feuer für Olympia in Hamburg wieder entflammt werden kann, was schon die enthusiastisch gefeierte Ankunft der deutschen Mannschaft bei ihrer Rückkehr von den Sommerspielen aus London gezeigt habe.
Bleibt die Gretchenfrage nach dem bestmöglichen Zeitpunkt für eine neuerliche Bewerbung. Walter plädierte für eine gewisse Wartezeit: „Sonst bringen wir Thomas Bach als deutschen IOC-Präsidenten in eine ganz schwierige Situation.“ Wolf warb dagegen vonseiten der Handelskammer für eine zügige neue Bewerbung. Das Gelände am Hafen sei zu wertvoll, um es auf Jahrzehnte für dieses Projekt zu reservieren: „Da hat der Oberbaudirektor mit seinen Kollegen viel zu gute Ideen.“
Und nach Rio (2016) und Tokio (2020) sei eine gewisse Chance da, dass sich das IOC für 2024 wieder für Europa entscheide: „Es kann natürlich sein, dass dann Nordamerika wieder den Zuschlag erhält. Dennoch sollten wir uns für 2024 bewerben, da man immer einkalkulieren muss, dass man beim ersten Mal scheitert. Und dann wären die Chancen für 2028 sehr groß.“