Neuling Daniel Brands sichert Deutschland den Klassenerhalt im Davis Cup, nachdem sich Führungsspieler Philipp Kohlschreiber unpässlich gefühlt hatte. Brands ließ dem Brasilianer keine Chance.
Neu-Ulm. Hinter der Bande sammelte Philipp Kohlschreiber seine letzten Kraft-Reserven: Für einen Einsatz im Einzel hatte die Energie nicht mehr gereicht, doch als Ersatzmann Daniel Brands gegen Thomaz Bellucci seinen dritten Matchball zum 6:4, 6:2, 6:3 verwandelte, sprang Kohlschreiber von seinem Stuhl in die Höhe. Gemeinsam mit Bundestrainer Carsten Arriens und seinen Teamkollegen feierte die Nummer eins des deutschen Davis-Cup-Teams den Klassenerhalt in der Weltgruppe.
Beim Stand von 3:1 gegen Brasilien war das letzte Einzel von Florian Mayer unbedeutend geworden. Die Deutschland-Flagge über den Schultern ließ sich Brands vom Publikum feiern und genoss den seltenen Moment der Aufmerksamkeit. „Das gibt mit sicher einen Schub für die Zukunft“, sagte der Weltranglisten-60. bei Sat1 Gold: „Als ich gehört hatte, dass ich spielen werde, war ich zuerst angespannt. Ich habe ein paar Spiele gebraucht, um mich freizuspielen.“ Arriens lobte seinen Schützling: „Diese Aufgabe hat er großartig gelöst. Das freut mich für das Team, aber auch für ihn persönlich. Er ist so ein guter Junge und ein professioneller Tennisspieler.“
Kohlschreiber hatte sich vor dem Schlusstag unpässlich gefühlt und durchkreuzte damit die Pläne seines Teamchefs Arriens, der in Neu-Ulm auf den Routinier als Führungsspieler und Punktegaranten gesetzt hatte. Magenprobleme hatten Kohlschreiber „ein bisschen schlapp“ fühlen lassen, er wollte nicht riskieren, womöglich über fünf Sätze spielen zu müssen. „Ich war zwölfmal auf dem Klo“, klagte Kohlschreiber, „das hat zu viel Energie gekostet“. Anders als Rafael Nadal und Novak Djokovic, die vier Tage nach ihrem US-Open-Finale mit Jetlag in den Knochen im Davis Cup Verantwortung übernahmen, traute sich Kohlschreiber sein zweites Einzel nicht mehr zu.
Von Ex-Profi und TV-Experte Nicolas Kiefer erntete der Augsburger dafür Kritik: „Er hat sich am Freitag auch nicht fit gefühlt und hat trotzdem gespielt, ich denke, er hätte es heute auch versuchen können.“ Kohlschreiber entschied sich dagegen und gab den Druck weiter - an einen der beiden Neulinge im Team. Daniel Brands hatte am Tag zuvor das Doppel an der Seite des Magdeburgers Martin Emmrich verloren, nachdem er übernervös gespielt hatte. Kaum eine Rückhand traf er zu Beginn und spielte sich erst im dritten Satz bei der klaren Niederlage gegen Bruno Soares und Marcelo Melo frei.
Die Leistungssteigerung kam zur rechten Zeit, denn schon hatte Brasilien wieder Morgenluft gewittert. „Das Doppel war eine hilfreiche Erfahrung für ihn“, sagte Arriens. Der 26 Jahre alte Brands, jüngster Spieler im deutschen Team, zeigte gegen Bellucci, warum ihm Arriens das Vertrauen geschenkt hatte. Vor erneut nur halb gefüllten Zuschauerrängen dominierte der 1,96 Meter große Hüne die Partie gegen den ehemaligen Top-30-Spieler. Nachdem er im ersten Aufschlagspiel einen Breakball abgewehrt hatte, wurde Brands sicherer, selbst mit der Rückhand, eigentlich die große Schwachstelle in seinem Spiel, gelangen ihm sehenswerte Punkte. Die Aufschläge zischten mit bis zu 230 km/h an Bellucci vorbei. Auf der Bank lehnte sich Teamchef Arriens entspannt zurück, er hatte nie an Brands gezweifelt, darum war der Deggendorfer seine Absicherung, falls den Einzelspielern Kohlschreiber und Mayer etwas passieren sollte.
Auf sich aufmerksam gemacht hatte Brands in dieser Saison bereits bei den French Open in Paris, als er gegen Sandplatzkönig Nadal kurz vor einer 2:0-Satzführung stand. Im Sommer in Gstaad schlug er Rekord-Champion Roger Federer und feierte damit den größten Erfolg seiner Karriere. Der Brasilianer Bellucci, nach Verletzungspausen aus den Top 100 gerutscht, machte es Brands und dem deutschen Team allerdings auch einfach. Sein erstes schwaches Aufschlagspiel im ersten Durchgang und damit auch Satz eins schenkte er mit einem Doppelfehler ab. Danach baute Bellucci völlig ab. Bereits zum Auftakt am Freitag hatte er gegen Florian Mayer in drei glatten Sätzen verloren. Den Sieg vor Augen musste Brands noch einmal Breakbälle abwehren und zeigte mutig, dass er in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen.