Seit ihrer Rückkehr aus Wimbledon hatte Lisicki kaum Zeit zum Durchatmen. So viele Interviewanfragen wie nie zuvor warteten auf sie. „Zwei, drei Tage“ wolle sie nun gar nichts machen, sagte die 23-Jährige. Doch die nächsten Ziele sind schon formuliert.
Berlin. Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki hat keine Angst vor den gestiegenen Erwartungen und strebt zum Saisonabschluss die WTA-WM der besten acht Spielerinnen des Jahres an. „Das ist relativ realistisch. Natürlich muss ich den Rest der Saison sehr gut spielen, um da hinzukommen. Aber da kommen halt nur die Besten acht hin“, sagte die 23 Jahre alte Berlinerin. In der Jahreswertung liegt sie derzeit auf Platz neun. „Darum kämpfen werde ich auf jeden Fall. Wenn man die einstellige Zahl sieht, ist das noch ein zusätzlicher Ansporn.“
Der frühere Wimbledon-Sieger Michael Stich (44) traut Lisicki in der Zukunft viel zu - sogar den Titel bei den kommenden Grand-Slam-Turnieren. „Wenn sie sich weiterentwickelt, noch mehr lernt und sich verbessert, kann sie ohne Frage die US Open und auch die Australian Open gewinnen“, sagte Stich. Lisicki habe das Talent dazu und nehme diese Erkenntnis von ihrer Finalteilnahme im All England Club von Wimbledon mit: „Sie muss jetzt dranbleiben und auch den Anspruch stellen, dass sie das erreichen will. Das tut sie ja auch.“
Lisicki war beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon bis ins Finale vorgedrungen, hatte dort jedoch gegen die Französin Marion Bartoli verloren. „Da ist Sabine sicherlich mehr an ihren Nerven gescheitert und nicht an ihrem Vermögen“, sagte Stich, der nach dem Turnier einen „Hype“ im deutschen Tennis feststellt: „Wir haben eine größere mediale Aufmerksamkeit, und auch die Jugendlichen haben wieder jemanden, dem sie nacheifern können“, sagte der frühere Weltranglistenzweite: „Wir brauchen immer wieder Erfolge. Sabine hat das toll und super sympathisch gemacht, auch wenn sie dann im Finale verloren hat.“
In den ersten Tagen nach ihrem verlorenen Endspiel in London und der Rückkehr nach Deutschland hatte die neue deutsche Tennis-Queen kaum Zeit zum Durchatmen. Bei der Rückkehr am Flughafen gab sie schon wieder Interviews für Funk und Fernsehen, am Montag lud sie zu einer Pressekonferenz, für Dienstag und Mittwoch waren weitere Fototermine und Gespräche angesetzt. Auch der „Spiegel“ und die „Grazia“ hatten sich angesagt.
Erst Ende der Woche wolle sie „zwei, drei Tage ganz frei nehmen“, sagte Lisicki. „Ich werde hier in Berlin Freunde treffen, shoppen gehen, das ganz normale Programm. Ich werde dem Körper Regeneration geben und dem Kopf auch.“ Spätestens am kommenden Montag beginnt dann aber in Florida die Vorbereitung auf die Hartplatzsaison.
Nach ihren sensationellen Wimbledon-Wochen mit den Siegen gegen die fünfmalige Turniersiegerin Serena Williams oder die Weltranglisten-Vierte Agnieszka Radwanska weiß Lisicki genau, dass der Druck nun immens gewachsen und die öffentliche Aufmerksamkeit extrem gestiegen ist. Ihre außergewöhnlichen Ergebnisse auf Rasen muss sie nun auch auf den anderen Belägen bestätigen.
„Ich habe im Prinzip bis nächstes Jahr zur Sandplatzsaison nicht sehr viele Punkte zu verteidigen. Das ist auch schön, dann kann es nach oben gehen und einen Schritt weiter nach vorne“, sagte Lisicki.
In der Weltrangliste verbesserte sie sich auf Platz 18 und ist damit zweitbeste Deutsche hinter Angelique Kerber auf Rang neun. Während sich die Kielerin aktuell als Gejagte und deutsche Nummer eins etwas schwerzutun scheint, fürchtet Lisicki diese Rolle nicht. „Ich habe das ja schon gehabt, deutsche Nummer eins zu sein und das Druckgefühl zu haben“, sagte sie. „Es ist am Anfang schwer, es ist was Neues. Aber mittlerweile sehe ich es wirklich so, dass Druck ein Privileg ist. Das heißt auch, dass Leute wirklich an deine Stärke glauben, dass du gewinnen kannst.“
Trotzdem hat sie sich für das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres kein konkretes Ziel gesetzt. Ihr bislang bestes Ergebnis bei den US Open war 2011 das Achtelfinale. „Jetzt will ich mit dem Selbstvertrauen, das ich aus Wimbledon mitgenommen habe, weiterspielen“, sagte Lisicki. Vor Flushing Meadows (26. August bis 8. September) wird sie wahrscheinlich die Turniere in Toronto (5. bis 11. August) und anschließend in Cincinnati und New Haven spielen.
„Die Vorbereitung wird für mich wichtig sein. Deswegen möchte ich mir auch ein bisschen Zeit nehmen, um den Körper sich erst einmal erholen zu lassen und dann eine gute Vorbereitung zu haben“, sagte Lisicki und ergänzte: „Damit ich mich bereit fühle, Turniere spielen zu können. Gut spielen zu können.“