Sein Lauf bei den French Open in Paris ist vorbei, doch der gebürtige Hamburger hat bereits die nächsten Ziele im Auge. Sein Karriereende ist längst kein Thema mehr.
Paris. Es ist noch nicht lange her, da verging keine Pressekonferenz mit Tommy Haas ohne die Frage nach seinem Karriereende. Nicht heute, nicht morgen, aber auch nicht in allzu ferner Zukunft, lautete zumeist seine Antwort. Vielleicht nach dem Saisonende 2012, mal sehen, was der Körper sagt.
Nach seinem Viertelfinalaus bei den French Open 2013 stand das „Ende“ gar nicht mehr auf der Agenda. Mit 35 Jahren, im Kreis der besten Tennisspieler der Welt, setzt sich Haas stattdessen neue Ziele, die er bereits ab der kommenden Woche auf Rasen verwirklichen will. „Ich bin einfach nur glücklich, in der Position zu sein, nach vorne zu schauen“, sagte Haas nach dem 3:6, 6:7 (5:7), 5:7 gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic.
Mit ein paar Stunden Abstand wurmte ihn die Niederlage schon deutlich weniger, „die Herausforderung“ sei an diesem Tag „vielleicht etwas zu groß gewesen“. Im ersten Paris-Viertelfinale seiner Karriere spielte der älteste Spieler der Top 100 auf, als wäre er 15 Jahre jünger und gerade bei seinem ersten Grand Slam angekommen. Nervös und zu Beginn übermotiviert schimpfte Haas über sich selbst und seine verpassten Chancen. Geschenkt, abgehakt.
Auf der Tennistour, die beinahe jede Woche einen neuen Höhepunkt bereithält, darf der Blick nicht zurück gehen - und Haas ist vollwertiges Mitglied im Wanderzirkus. Das Rentendasein ist vorerst verschoben, auf unbestimmte Zeit. Natürlich nur, solange sein Körper hält. Doch Schulter und Hüfte, die oft operierten Schwachpunkte, haben die kraftraubende Sandplatzsaison gut überstanden. Nun freut sich Haas auf das Grün im ostwestfälischen Halle und „schnellere Ballwechsel“.
Bei den Gerry Weber Open geht er in der kommenden Woche als Titelverteidiger an den Start. „Das konnte ich nach meinem Sieg 2009 nicht tun, weil ich mal wieder verletzt war“, sagte er. Dieses Jahr ist er gesund und hat sich spielerisch seit dem Turniersieg im Finale von Halle 2012 gegen Rekordchampion Roger Federer noch einmal gesteigert. „Es ist eines meiner Lieblingsturniere, nicht zuletzt, weil ich hier auch zwei große Erfolge gegen Djokovic und Federer feiern konnte. Diese Erfolge werde ich natürlich immer in Erinnerung behalten“, sagte Haas. Federer hatte er vor einem Jahr im Finale geschlagen, bevor der Schweizer zum siebten Mal in Wimbledon gewann - im Alter von fast 31 Jahren. „31 klingt ziemlich jung, oder?“ witzelte Haas.
Ab Montag wird Haas auf Platz elf der Weltrangliste geführt, es fehlt nicht viel, dann knackt er die magische Grenze der zehn weltbesten Spieler. Daran hatte er selbst nicht mehr geglaubt, zuletzt stand er im Oktober 2007 in diesem elitären Kreis. „Ich hatte nicht mehr das Ziel, unter die besten Zehn der Welt zu kommen, das war so unfassbar, dass ich nicht mehr daran gedacht habe. Aber wenn ich weiter gutes Tennis spiele, ist es vielleicht das, um mich weiter zu motivieren“, sagte Haas.
In Halle ist er Titelverteidiger, in Wimbledon hat Haas noch etwas gutzumachen. Dort unterlag er im vergangenen Jahr in Runde eins Philipp Kohlschreiber, in dieser Saison dürfte der Auftakt gegen einen ungesetzten Spieler einfacher ausfallen. „Klar würde ich dort gerne ein paar Runden mehr gewinnen“, sagte Haas: „Wimbledon ist das Turnier schlechthin, das man als Kind unbedingt gewinnen möchte. Wenn ich jetzt einfach nur über die Anlage spaziere, ist es schon etwas ganz Besonderes.“ Nur wenige Spieler auf der Tour genießen die Reisen, das Training und die Herausforderungen derart bewusst wie Tommy Haas. „Das macht ihn locker“, schrieb Wimbledonsieger Michael Stich im Abendblatt: „Ich glaube deshalb, dass er diesen Grand-Slam-Titel, der ihm fehlt, noch holen kann.“ Wenn nicht in diesem, dann vielleicht im nächsten Jahr.