Tanzeinlagen zum Triumph – mit einer rauschenden Party hat der FC Bayern seine Krönung in Europa zelebriert. Und der BVB? Nach einem großen Fußball-Abend blickte Jürgen Klopp trotzig nach vorn.
London. Bastian Schweinsteiger trieb Europas neue Fußball-Könige auf der Bühne des Bankettsaals zu meisterlichen Party-Leistungen, sogar Jupp Heynckes ließ beim nächtlichen Titel-Tänzchen die Hüften kreisen. Auch bei der Feier des großen Triumphs präsentierten sich die Bayern-Stars als Champions – jetzt soll noch das historische Triple her. „Wir haben in sechs Tagen wieder ein Finale, aber ich glaube, mit 1,8 Promille haben wir trotzdem eine Chance“, rief Karl-Heinz Rummenigge den Titel-Helden zu. Im Rausch der Gefühle kündigte Siegtorschütze Arjen Robben einfach mal eine Feier über „zwei, drei Tage“ an, während drei Kilometer weiter beim Dortmunder Empfang Tränen kullerten.
Ausgelassen tanzten Schweinsteiger, Robben & Co. vor 2000 geladenen Gästen in ihren „FOOTBALL IS COMING HOAM“-Shirts mit dem Henkelpott, den Kapitän Philipp Lahm nach dem glorreichen 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund um 22.54 Uhr im Londoner Wembley Stadion in den Abendhimmel gereckt hatte. Von Bundestrainer Joachim Löw bis zu FIFA-Präsident Joseph Blatter gab es Glückwünsche nach einer Sternstunde im deutschen Vereinsfußball, an der auch der unterlegene Ruhrgebiets-Rivale großen Anteil hatte. Für Schweinsteiger und Lahm gab es kurz vor der Trophäen-Übergabe noch eine Extra-Umarmung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Kings of Europe 2013“ zeigte die Leuchtschrift an, als der Pott endlich bei ihnen war.
„Ich freue mich besonders für die Generation Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, dass sie den großen Titel heute gewonnen haben“, betonte ein tief bewegter und immer wieder mit „Jupp, Jupp, Jupp“-Rufen gefeierter Bayern-Trainer Heynckes nachts im „Grosvenor House“. „Es ist für diese Generation die Krönung ihrer Laufbahn, wenn man nicht gerade Weltmeister wird – das steht uns noch bevor...“ Der 68-Jährige selbst darf nach dem DFB-Pokal-Finale in einer Woche gegen den VfB Stuttgart auf dem Höhepunkt seiner Schaffensphase abtreten.
„Wir wollen das Triple gewinnen“, verkündete Kapitän Lahm, als er am Sonntagabend im regnerischen und windigen München zusammen mit Trainer Heynckes als Erster den Sonderflieger verließ. Fix und fertig sahen die Helden des Vortages nicht aus, aber einen weiteren Tag zur Erholung von den Party-Nachwirkungen gibt es dennoch. Erst am Dienstag nimmt das Team die Vorbereitung auf den nächsten Titel für das erste Triple der Vereins-Geschichte auf.
Weiter riesengroßer Titelhunger bei den Bayern, dagegen Tränen und Trotz beim BVB. Bei allem Stolz regierte bei den Dortmundern der Frust, daran konnte auch aufmunternder Applaus der rund 1400 Gäste bei der „schwarz-gelben Nacht“ im imposanten Natural History Museum von London nichts ändern. „Es fühlt sich immer noch ein bisschen Scheiße an“, bekannte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bei seiner Rede. Gegen den Fußball-Riesen Europas war man Stunden zuvor trotz aller Leidenschaft und phasenweisen Volldampf-Fußballs verdientermaßen als Verlierer vom Rasen geschlichen.
„Jetzt gehen wir in den Urlaub, und dann kaufen wir ein paar Spieler. In zwei Jahren ist das Finale in Berlin. Das wäre vielleicht ein guter Platz, um in ein weiteres Champions-League-Finale einzuziehen“, erklärte ein mitgenommener Klopp, der als erster Gratulant bei Heynckes zur Stelle war. Der Bayern-Trainer erzählte wenig später, dass er davon ausgeht, dass Robert Lewandowski wie Mario Götze bald zum FC Bayern geht. Das schmeckte den Borussen nicht, passte aber zum traurigen Abend des entthronten deutschen Meisters. Die Titel sind weg – und nach Götze wohl noch ein weiterer Weltklasse-Spieler.
Dagegen stehen die Bayern als neue Fußball-Macht in Europa da. „Bayern München und Borussia Dortmund errichten dem Fußball ein Monument. Es ist nicht wichtig, wer der Sieger war. Gewonnen hat der Fußball. Gewonnen hat Deutschland“, huldigte das spanische Blatt „Sport“ (Sonntag). „Natürlich merkt man: Der deutsche Fußball ist auf dem Vormarsch und hat Europa bestimmt“, schwärmte auch Teammanager Oliver Bierhoff nach dem gemeinsamen TV-Nachmittag des DFB-Teams in Florida. In der Heimat feierten oder trauerten derweil Hunderttausende beim Public Viewing; mit 21,61 Millionen TV-Zuschauern bei der ZDF-Übertragung wurde der höchste Wert bei einem Club-Spiel in Deutschland gemessen.
„Was für ein Kampf, was für eine Klasse! Europa hat ein ganz großes Endspiel erlebt“, betonte Bierhoff. Eine neue Ära im europäischen Vereinsfußball könnte durch Heynckes und die Seinen eingeleitet worden sein. „Pep Guardiola übernimmt eine perfekt funktionierende Mannschaft“, bemerkte Heynckes, der 15 Jahre nach dem Erfolg mit Real Madrid als erst dritter Trainer mit zwei verschiedenen Teams die Champions League gewann. Heynckes' Satz erinnerte an Franz Beckenbauer, der nach dem WM-Triumph mit dem DFB-Team 1990 in Italien an Berti Vogts ebenfalls eine Mannschaft übergab, die er „auf Jahre hinaus“ für unschlagbar erklärte. Vogts hatte unter dieser „kaiserlichen“ Vorgabe zu leiden; auch Guardiola wird ein schwieriges Erbe antreten.
Rührselig ging es am Samstagabend zu, als Schweinsteiger dem von seiner Steueraffäre geplagten Präsidenten Uli Hoeneß auf der Tribüne den Pokal in die Hände drückte und dieser ihn unter frenetischen „Uli-Uli-Uli“-Rufen der Fans gerührt, aber nur sehr dezent in die Höhe hob. „Das ist nicht mein Titel“, sagte der angeschlagene Vereinspatron. Es war eine Fußball-Nacht mit großen Gesten und Emotionen. „Meine Frau hat zu mir gesagt, ich habe die Spieler umarmt wie meine eigenen Söhne“, erzählte Rummenigge gerührt auf der Bühne: „Mir treibt's gerade ein bisschen die Tränen in die Augen.“
Im ersten deutschen Königsklassen-Finale wurden die Bayern in London für alles entschädigt, was sie in den verlorenen Endspielen 2010 gegen Inter Mailand und beim Elfmeter-Drama „dahoam“ gegen den FC Chelsea durchleiden mussten. „Was wir heute erlebt haben, war das Sport-Comeback des Jahres“, schwärmte Rummenigge.
Emotional war auch das Fußball-Märchen um Robben. Ausgerechnet der Niederländer, der im Vorjahr mit Elfmetern im Champions-League-Finale gegen Chelsea und gegen Dortmund in der Meisterschaft gescheitert war, erzielte nach der Führung durch Mario Mandzukic (60.) und dem Ausgleich durch Dortmunds Ilkay Gündogan (68./Foulelfmeter) kurz vor Schluss (89.) das Tor seines Lebens. Vor einem Jahr war Robben noch einer der größten Verlierer unter den geprügelten Vize-Bayern, nun war er völlig losgelöst. Innig umarmte und küsste er im Festsaal seine Frau Bernadien. „Das ist ein Traum nach vielen großen Enttäuschungen. Du willst am Ende nicht der Loser sein.“