Vor den Videoleinwänden war zum Start des Champions-League-Finalkrimis viel freier Platz. Kälte, Regen und eine Terror-Warnung schreckten die Massen ab. Zehntausende beim Public Viewing in München.
Berlin/München/Dortmund. Dauerregen statt Sommermärchen: Zur Übertragung des Champions-League-Finales zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund aus London säumten in Berlin nur wenige tausend Hartgesottene die Fanmeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule. Die feierten zwar gut gelaunt, doch die große Fußball-Party fiel buchstäblich ins Wasser. „Touristen und Familien sind ganz weggeblieben“, teilten die Veranstalter am Abend mit, machten aber zunächst keine Angaben zu Teilnehmerzahlen. Auch das Bühnenprogramm wurde teilweise abgesagt, da manche Instrumente dem Dauerregen nicht gewachsen waren.
Wer nichts gegen den Regen dabei hatte, versuchte sich unterzustellen – oder ging lieber wieder. In den Berliner Kneipen mit Übertragung des Spiels nahm der Zulauf bis zum Abend stark zu. Eine britische Fan-Gruppe etwa enterte ein Restaurant nahe dem Brandenburger Tor und wärmte sich mit Fangesängen. Wer sich draußen unter die eigens aufgebauten roten oder gelben Farbpulver-Duschen stellte, hatte nur kurze Freude am farblichen Fanbekenntnis: Der Regen wusch es gleich wieder ab. Bedienungen an den Getränkeständen mussten sich derweil immer wieder mit Gymnastik warmhalten, weil so wenig los war.
Neben dem Wetter hatten möglicherweise auch Berichte über eine Terror-Warnung die erwarteten Besuchermassen abgeschreckt. Nach Aussage von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gab es aber keine konkreten Erkenntnisse über Anschlagspläne von Islamisten auf Fußball-Fanmeilen. Die ohnehin hohen Sicherheitsvorkehrungen würden polizeilich nicht zusätzlich verschärft.
Am Einlass in Berlin wurde aber jeder Rucksack geöffnet, sagte eine Sprecherin des Veranstalters. Die Maßnahmen seien „leicht verschärft“. Rund 400 Ordner waren neben der Polizei im Einsatz, um für Sicherheit zu sorgen. Nennenswerte Zwischenfälle gab es laut Polizei bis kurz vor Spielbeginn nicht.
„Mit 30 000 bis 40 000 Besuchern wäre ich glücklich bei dem Wetter“, hatte Veranstalter Rainer Wohlthat zuvor noch gesagt – doch der seit dem Morgen anhaltende Regen machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Unter dicken, dunklen Regenwolken gehörten Regenschirme und Capes zur Pflichtausstattung der Besucher. Regenschirme mit Stahlspitzen allerdings waren aus Sicherheitsgründen ebenso tabu wie Flaschen oder Feuerwerk.
„Als echter Bayern-Fan macht mir der Regen nichts aus“, sagte Sonja Beth (36) aus Tempelhof zuversichtlich. „Zwischendurch kann ich mich unterstellen. Dann gibt es warme Getränke und schick ist.“ Ingo Frenzel hofft auf den BVB: „Wir sind extra von Dortmund nach Berlin gekommen – und zwar wegen der Fanmeile. Wir feiern auch mit Bayern-Fans, die sind ja alle lieb und friedlich.“ Einer von diesen ist Jens – er kam schon nachmittags trotz Nässe in kurzen Hosen und harrte mit Gänsehaut auf den Beginn des Spiels am Abend. „Ich werde nicht krank. Wenn die Bayern spielen, muss ich dabei sein.“
Besser ausgestattet waren fünf Borussia-Dortmund-Fans aus Berlin. Angelina Heinen ist seit sieben Jahren BVB-Fan – „wegen ihres Freundes“, wie sie sagte. „Wir sind regenerprobt mit unseren gelben Regenponchos.“ Ihr Freund habe nach den Berichten über eine mögliche Terrorwarnung kurz überlegt, ob sie auf die Fanmeile gehen sollten. „Aber wir haben uns auf die Sicherheitsvorkehrungen verlassen.“
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) bestätigte diese Haltung: „Die Berliner Polizei ist heute wieder gut vorbereitet“, sagte er nach Angaben der Senatsverwaltung. „Die Sicherheitsbehörden arbeiten länderübergreifend zusammen.“ Es gebe bei der Polizei in der Hauptstadt nicht zuletzt dank der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland viel Erfahrung mit Großeinsätzen dieser Art.
Zehntausende beim Public Viewing in München
Ob die Terrorwarnungen der Grund waren oder doch nur der Regen? Die Fanmeilen in München haben sich am Finalsamstag nur langsam gefüllt – dann aber wurde richtig gefeiert. Kurz vor dem Anpfiff herrschte Party-Stimmung in der Allianz Arena, beim größten Public Viewing der Stadt. Fahnen und Schals wurden geschwenkt, Sprechchöre angestimmt, das Bier floss in Strömen. Ohrenbetäubender Jubel war dann beim Anpfiff zu hören.
Rund 45 000 Menschen verfolgten in dem Stadion das Champions League-Finale im Londoner Wembley Stadion auf Leinwänden verfolgen. Auf dem Rasen lag der „Schal des Südens“, ein rund 1,6 Kilometer langer Fanschal, den rund 2000 Bayern-Fans zur Unterstützung ihrer Mannschaft im fernen London gestrickt hatten.
Auch auf der Theresienwiese, wo mehr als 40 000 Fußball-Anhänger Karten für das Public Viewing des Spiels zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund gekauft hatten, waren am Nachmittag erst nur einige wenige Fans versammelt. Sie verfolgten die Vorberichterstattung auf drei großen Leinwänden. Kein Vergleich zum „Finale dahoam“ im vergangenen Jahr, als tausende den ganzen Tag über bei schönstem Wetter draußen feierten.
In der Münchner Innenstadt war allerdings die Finalbegeisterung schon tagsüber nicht zu übersehen und auch nicht zu überhören. Fans stimmten vor dem Rathaus auf dem Marienplatz, in der U-Bahn und an allen Ecken und Enden „Bayern“-Sprechchöre an, geschätzt jeder Dritte in der Fußgängerzone hatte sich in seine Fan-Kluft geworfen – auch zahlreiche Verkäufer in den Geschäften. Wer noch nicht über Trikot und Schal verfügte, deckte sich noch in letzter Minute ein. Vor dem Fanshop in der Fußgängerzone bildete sich eine Schlange.
BVB-Fans trotzen Terrorwarnung
Vor dem Champions-League-Finale hat das Bundeskriminalamt (BKA) nach Berichten mehrerer Medien vor einem möglichen Terror-Anschlag in Deutschland gewarnt. Nach Aussage von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gab es aber keine konkreten Erkenntnisse über Anschlagspläne von Islamisten auf Fußball-Fanmeilen.
Die BVB-Fans ließen sich von der Warnung nicht abschrecken. Schon am Samstagnachmittag stimmten sich mehr als 10 000 in der Dortmunder Innenstadt auf das Champions-League-Finale ein. Im Epizentrum der Feier zwischen Friedensplatz, Altem Markt und Reinoldikirche ließen die Schwarz-Gelben mit Gesängen ihre Mannschaft hochleben.
Für den Abend erwartete Dortmund bis zu 45 000 Menschen zum Public Viewing. Allein in den ausverkauften Westfalenhallen wollten den Erwartungen zufolge 18 000 Fans das Duell der Borussia gegen Bayern München verfolgen. Die Dortmunder Polizei sah keine Gefahren beim Public Viewing. Die Sicherheitsmaßnahmen seien seit Freitag nicht noch einmal verstärkt worden, weil sie sowieso schon hoch gewesen seien. „Wir haben von vornherein eine sichere Veranstaltung geplant“, sagte Polizeisprecher Gisbert Hoffmann.
Nach Informationen von „Spiegel online“ hat BKA-Chef Jörg Ziercke den Innenministern von Bund und Ländern in einer vertraulichen Sitzung am Freitag von Hinweisen auf ein möglicherweise geplantes Attentat berichtet. Gefährdet, so Ziercke, seien möglicherweise die Fanmeilen zur Übertragung des Spiels am Samstagabend.
Das nordrhein-westfälische Innenministerium hatte nach eigenen Angaben keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne. Allerdings sei den Behörden am Freitag noch einmal ein Erlass in Erinnerung gerufen worden, der nach dem Anschlag auf den Marathon von Boston ergangen sei. „Wir in NRW haben die Behörden unmittelbar nach den Anschlägen von Boston bereits sensibilisiert für die Gefahrenlage bei Großveranstaltungen“, sagte Ministeriumssprecherin Birgit Axler. Der Mordanschlag auf einen britischen Soldaten in London in dieser Woche habe die Aufmerksamkeit für die grundsätzlich bestehende Gefahrenlage noch einmal erhöht. „Man hat das Ganze sehr eng im Blick“, sagte Axler.
Bundesinnenminister Friedrich ging in seiner Reaktion nicht konkret auf die Aussage Zierckes ein. „Deutschland steht seit längerem im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus. Es gibt derzeit keine Hinweise auf Anschlagspläne oder Anschlagziele in Deutschland“, sagte er am Samstag nach Angaben seines Ministeriums.
Nach Informationen von SWRinfo kam der Hinweis auf eine mögliche Anschlagsplanung vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Es sei aber weder ein konkreter Ort noch eine mögliche Zeit genannt worden, meldete der Sender am Samstag.