Der Bericht des Insolvenzverwalters weist für den Hamburger Profiboxstall eine dramatische Unterdeckung aus. Eine Rettung ist ausgeschlossen.

Hamburg. An diesem Donnerstag hat Waldemar Kluch einen wichtigen Termin. Vor dem Landgericht Hamburg muss sich der 54 Jahre alte Deutsch-Kasache wegen Menschenschleusung verantworten. Zwischen 2006 und 2009 soll er laut Vorwurf der Staatsanwaltschaft in Kooperation mit dem früheren St.-Pauli-Profi Juri Sawitschew neun russische Fußballer nach Deutschland geschleust haben. Bei einer Verurteilung drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Dieser Fall wäre indes kaum eine Meldung wert, hätte Kluch nicht eine weitaus spektakulärere Geschichte zu bieten. Der Unternehmer ist als Geschäftsführer für die Insolvenz der Universum Boxpromotion, des einst weltgrößten Profiboxunternehmens, verantwortlich. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war am 23. Oktober 2012 vom früheren Mittelgewichtsweltmeister Sebastian Zbik gestellt worden. Am 19. November hatte Kluch einen Eigenantrag folgen lassen.

Welches Ausmaß das wirtschaftliche Fehlverhalten angenommen hatte, hat sogar Insider verblüfft. Aus dem Bericht des Hamburger Insolvenzverwalters Hendrik Rogge, der dem Abendblatt vorliegt, geht hervor, dass die Unterdeckung 4,1 Millionen Euro beträgt. Rogges schriftliches Fazit besagt, dass Erhaltungsaussichten zu keinem Zeitpunkt bestanden hätten und Möglichkeiten für einen Insolvenzplan ausdrücklich nicht vorliegen. Damit dürfte das 1994 vom Hamburger Geschäftsmann Klaus-Peter Kohl gegründete Unternehmen endgültig Geschichte sein.

Das Gläubigerverzeichnis, also die Übersicht über die Unternehmen und Privatpersonen, denen die Universum GmbH Geld schuldet, umfasst 58 Positionen und ist gespickt mit prominenten Namen. So fordert beispielsweise der russische Schwergewichtler Denis Boytsov 505.950 Euro Schadenersatz. Ehemalige Weltmeister wie Sebastian Zbik (191.936,39 Euro), Karoly Balzsay (175.000), Firat Arslan (158.003,50), Dimitri Sartison (124.000), Ruslan Chagaev (88.000) oder Ina Menzer (24.097,50) warten auf die Auszahlung ihrer vertraglich vereinbarten Kampfbörsen. Der mittlerweile an den Bundesstützpunkt Schwerin ins Amateurlager abgewanderte ehemalige Cheftrainer Michael Timm hat Honorarrückstände von 57.197,30 Euro angemeldet. Und auch die Hamburger EC Boxpromotion des türkischen Unternehmers Erol Ceylan wartet auf 108.305,20 Euro, die ihr aus einem am 11. Mai 2012 in Göppingen gemeinsam organisierten Kampfabend zustehen.

Warum der Insolvenzverwalter am 14. Januar überhaupt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte, ist aus dem Bericht nicht klar ersichtlich. Eine Insolvenzmasse, aus der die Gläubiger auch nur ansatzweise befriedigt werden könnten, ist derzeit nicht vorhanden. Das Guthaben auf Firmenkonten und in der Barkasse summiert sich auf gerade einmal 28.270,75 Euro. Das mehrfache Ersuchen um ein persönliches Gespräch, um diese und andere Fragen zu klären, lehnte Rogges Büro mit Verweis auf die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamburg ab, das wiederum einzig Rogge selbst als auskunftsbefugt auswies. In seinem Bericht schreibt Rogge, eine quotale Befriedigung der Insolvenzgläubiger sei zumindest denkbar, hänge jedoch entscheidend vom weiteren Erfolg der Masseverwertung ab. Er wolle Forderungen von rund 3,07 Millionen Euro bestreiten, außerdem sehe er in der Verwertung eines 2000 Beta-Kassetten umfassenden Bildarchivs und der Wort-Bildmarke Universum noch kapitalisierbare Masse.

Entscheidende Bedeutung bei der Bewertung, welche Erfolgsaussichten die Gläubiger tatsächlich haben und in welcher Form Kluch rechtlich belangt werden könnte, kommt deshalb einer Maßnahme bei, die Ende März 2012 vollzogen wurde. Damals erhielt die Universum GmbH von Investoren, deren Identität bislang nicht bekannt ist, ein Darlehen in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Um dieses Darlehen abzusichern, wurden per Sicherungsabtretung Werte wie das gesamte Anlagevermögen, vor allem aber auch die Rechte an diversen Boxern an verschiedene Gesellschaften übertragen. Den größten Anteil macht dabei die von Kluchs Geschäftspartner Burkhard Pilgrim geführte Nord-Ostsee-Betriebs GmbH, die allein 1.124.056,17 Euro, aufgeteilt auf vier Darlehen, überwies.

Sollte sich dieser Vorgang als rechtlich anfechtbar erweisen, könnten die übertragenen Rechte an die Universum GmbH zurückgehen und im besten Fall kapitalisiert werden. Allerdings schreibt Rogge in seinem Bericht, dass die Boxerverträge seiner Ansicht nach jederzeit kündbar waren. Demnach wären die Sportler vertragsfrei und die Rechte an ihnen verfallen. Die meisten Gläubiger haben sich deshalb damit abgefunden, leer auszugehen. "Jeder, der von Universum noch Geld zu kriegen hat, wird zweiter Sieger sein", sagte ein beteiligter Anwalt dem Abendblatt.

Da Kluch selbst einen Insolvenzantrag gestellt hatte und zudem schon am 22. Juni 2012 eine - früher Offenbarungseid genannte - eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, könnte er persönlich nur dann rechtlich belangt werden, wenn ihm nachgewiesen werden könnte, dass er die Insolvenz verschleppt oder sich der Untreue oder des Betrugs schuldig gemacht hat. Angesichts der Rechteübertragung an die Nord-Ostsee-Betriebs GmbH bereits im März 2012 muss Kluch schon damals Zahlungsunfähigkeit mindestens befürchtet haben. Der Vorwurf der Insolvenzverschleppung wurde deshalb schon mehrfach geäußert. Entsprechende Anzeigen sind angekündigt, sofern die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus in diese Richtung ermittelt.

Eine Strafanzeige wegen Untreue liegt bereits vor, diese hatte Sebastian Zbik gestellt, nachdem ihm seine Kampfbörse aus dem Duell mit Felix Sturm im April 2012 nicht ausgezahlt worden war. Dabei soll sie von Sturm, damals auch Veranstalter, auf ein Treuhandkonto eingezahlt worden sein. Anhängig ist zudem weiterhin der Streit zwischen Kluch und seinem Vorgänger Kohl, der die Geschäfte im Juni 2011 übergeben hatte. Kluch schuldet Kohl weiterhin rund 1,5 Millionen Euro aus der Kaufsumme, die Kohl durch die Zwangsversteigerung des Dima-Sportcenters am Havighorster Weg, wo bis heute die verbliebenen Universum-Profis trainieren, eintreiben will. Ein Termin dafür steht noch aus. Allerdings zählte das Gelände nie zum Vermögen der Universum GmbH, sondern es gehört der von Kluch geleiteten World International Sport Promotion GmbH. Daher ist die Insolvenzmasse von diesem Vorgang nicht berührt.

Kluch hat trotz aller Vorwürfe sein Selbstbewusstsein nicht verloren. Der Mann, dem schon 1996 nach einem Brand in seinem Sportcenter Versicherungsbetrug vorgeworfen worden war, weist weiterhin alle Anschuldigungen zurück. Ihm Insolvenzverschleppung vorzuhalten sei "völliger Schwachsinn", mittlerweile gebe es sogar Signale dafür, "dass Universum gerettet werden" könne. Und auch den Vorwurf der Menschenschleusung könne er entkräften. "Nächste Woche wird es Neuigkeiten geben", sagt er. Seine vielen Gläubiger kennen diesen Satz zur Genüge. Es obliegt nun den zuständigen Gerichten, sich mit den Machenschaften des Waldemar Kluch zu beschäftigen.