Der einst erfolgreichste deutsche Boxstall meldet Insolvenz an. Geschäftsführer Waldemar Kluch verstrickt sich in Widersprüche.
Hamburg. "Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Tag" stand auf den Tischkärtchen, die im Konferenzraum Händel des Maritim-Hotels am Hauptbahnhof auf jeden Platz gelegt worden waren. Umso brutaler war der Kontrast der Worte, die Gastgeber Waldemar Kluch gestern Morgen wählte. "Für mich ist das Kapitel Universum seit gestern abgeschlossen. In der jetzigen Form ist das Unternehmen nicht zu retten", sagte der Geschäftsführer des Hamburger Profiboxstalls Universum, um zu erklären, warum er am Montag beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen die Universum Boxpromotion GmbH gestellt hatte.
Mit dem Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit endet ein erfolgreiches Kapitel Hamburger Sportgeschichte. Das 1984 von Klaus-Peter Kohl gegründete Unternehmen hatte sich Mitte der 90er-Jahre zu einem Stall mit Weltruf entwickelt. Sportler wie die Brüder Vitali und Wladimir Klitschko, Dariusz Michalczewski oder auch Regina Halmich sorgten für weltweit beachtete Kämpfe, die von 2002 bis 2010 im ZDF live übertragen und von dem Sender mit rund 20 Millionen Euro jährlich finanziert wurden.
Mit Auslaufen des Vertrags verschlechterte sich die Lage rapide. Kohl übergab im Juni 2011 die Geschäfte an Kluch, der ankündigte, mithilfe finanzstarker Investoren aus Osteuropa den Neuanfang zu starten. Doch daraus wurde nichts. Im Gegenteil: Der 54-Jährige hat in den 17 Monaten seines Wirkens viele neue Verbindlichkeiten angehäuft. Der härteste Fall ist der des Mittelgewichtlers Sebastian Zbik, dem Kluch aus dem WM-Kampf gegen Felix Sturm im April noch rund 187 000 Euro Kampfbörse schuldet. Auch Erol Ceylan, Chef der Hamburger EC-Promotion, wartet auf rund 140 000 Euro. Zbik, der gestern Kluchs Erklärungen lauschen wollte, aber wie Ceylan des Raumes verwiesen wurde, hatte deshalb Ende Oktober einen Insolvenzantrag gegen Universum gestellt und Kluch zudem wegen Untreue angezeigt. Er könne beweisen, dass die Börse auf ein treuhänderisches Konto eingezahlt worden sei.
Gestern holte Kluch wieder einmal zum Rundumschlag aus. Es seien "künstliche Baustellen geschaffen worden". Er verwies auf "eine Menge komischer Rechnungen, die in den vergangenen Tagen aufgetaucht sind, um Universum fertigzumachen". Dass Gläubiger angesichts eines erfolgten Insolvenzantrags ihre Forderungen geltend machen, ist indes ein völlig normales Vorgehen.
Eine Anwaltsrechnung über 415 000 Euro aus den Jahren 2007 bis 2009, die Kluch als Beleg vorwies und die erst am 12. November eingegangen sein soll, war nach Abendblatt-Informationen Inhalt des 2011 mit Kohl geschlossenen Kaufvertrags. Auch ein anhängiger Rechtsstreit mit dem früheren Halbschwergewichts-Weltmeister Zsolt Erdei, in dem es um rund 700 000 Euro Schadenersatz geht, hätte Kluch - anders als er es darstellte - nicht unbekannt sein dürfen, wenn er vor Vertragsabschluss eine eingehende Unternehmensprüfung veranlasst hätte.
Mehrfach verstrickte sich Kluch in Widersprüche. So behauptete er zunächst, über die finanzielle Lage Universums keine Auskünfte geben zu können. Auf die Nachfrage, ob das Insolvenzverfahren mangels Masse überhaupt eröffnet werden könne, sagte er dann, er habe dafür gesorgt, dass ausreichend Masse vorhanden sei.
Die Rolle, die er in der Zukunft spielen will, ist unklar. Zunächst behauptete er, mit dem Boxen nichts mehr zu tun haben zu wollen, dann gab er an, dass er, sollte der Insolvenzverwalter Universum retten, zum Weitermachen bereit sei. Auch wolle er sich weiter für Sportler einsetzen, die es wert seien. Eine Freigabe für Schwergewichtler Denis Boitsow, mit dem sich Kluch unheilbar zerstritten hat, werde es nicht geben. Überhaupt seien die Verträge der verbliebenen Boxer wie die Ex-Weltmeister Ina Menzer, Dimitri Sartison oder Vitali Tajbert von der Insolvenz nicht berührt, er habe sie schon vor Monaten als Sicherheit für seine Darlehensgeber in vier Gesellschaften überführt. Mit diesen habe er aber nichts zu tun. Merkwürdig nur, dass bei zweien der Geschäftsführer Waldemar Kluch heißt, und dass vor zwei Wochen eine neue Firma gegründet wurde. Geschäftsführer soll dort Kluchs Sohn Felix sein.
Der Insolvenzverwalter, der in den kommenden Tagen benannt werden soll, muss nun nicht nur prüfen, ob Werte beiseite geschafft wurden, sondern auch, ob der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung gegen Kluch geltend gemacht werden kann.
Dieser allerdings ist sich keiner Schuld bewusst. "Alle Vorwürfe sind falsch", sagte er. Er werde Verleumdungsklage gegen Zbik stellen, außerdem gegen die Zwangsversteigerung seines Dima-Sportcenters in Lohbrügge, mit der Kohl die offene Kaufsumme von 1,5 Millionen Euro eintreiben will, gerichtlich vorgehen. Weiter will er von Kohl rund zwei Millionen Euro zurückfordern, die seine Investoren in Universum gesteckt hätten - und auf Rückabwicklung des Kaufvertrags klagen. Allerdings hat Kohl, so sein Anwalt Peter Wulf, einen vollstreckbaren Titel, sodass an der Forderung keine juristischen Zweifel bestehen. In der kommenden Woche wird ein Gutachter das Gelände bewerten.
Kohl sagte gestern nur, er sei "maßlos traurig über das Ende von Universum". Das Kapitel Universum mag beendet sein. Aber die Nachwehen könnten zu einer unendlichen Geschichte werden.