Steffen Justus wird beim Hamburger Triathlon Dritter, Anne Haug Vierte. Aber auch die “Jedermänner“ finden sich hier mit ihrem Foto wieder.

Hamburg. Zwei Meter vor dem Ziel bremste Steffen Justus plötzlich ab. Er griff nach seiner Schirmmütze, drehte sich nach rechts in Richtung der voll besetzten Tribünen am Hamburger Rathausmarkt und verneigte sich. Es war eine Geste der Dankbarkeit, aber auch der Erleichterung, die der 30 Jahre alte Thüringer dem Publikum am Sonnabendabend nach 750 Metern Schwimmen, 20 Kilometern Radfahren und fünf Kilometern Laufen entgegenbrachte. Nur zwei Triathleten waren schneller auf der Sprintdistanz: der Spanier Javier Gomez, 30, der sechs Sekunden vor dem Deutschen ins Ziel gestürmt war, und Richard Murray aus Südafrika, 23, der den fünften von acht Läufen in der WM-Serie dank eines starken Schlussspurts in der Hamburger City nach 51:48 Minuten für sich entscheiden konnte. "Es war ein Rennen am Anschlag", bekannte Justus im Ziel, "aber ich denke, es war eine perfekte Vorbereitung für London."

Auch bei Olympia würde sich Justus am 7. August gern auf dem Podium sehen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Neben der Form hat er sich in Hamburg auch die nötige Portion Selbstvertrauen für den Medaillenkampf geholt. "Beim Schwimmen habe ich meine beste Leistung seit fast drei Jahren gezeigt", sagte Justus. Das gebe einen "Schub, auf den ich in den nächsten 14 Tagen aufbauen kann". Maik Petzold, 34, aus Bautzen als Fünfter und Olympiasieger Jan Frodeno, 30, auf Rang zehn komplettierten die starken Leistungen der deutschen Hoffnungsträger für London. "Wir hatten in Saarbrücken harte Einheiten, haben gut zusammen trainiert", sagte Petzold, "eine Medaille für uns Deutsche bei Olympia ist sicherlich möglich. Bis auf die Brownlees sind alle in Schlagweite."

+++ Alle Teilnehmer vom Sonnabend im Bild +++

+++ Alle Teilnehmer vom Sonntag im Bild +++

Die Brownlees, die favorisierten Brüder Alistair und Jonathan aus Großbritannien, hatten sich gegen einen Start in Hamburg und für die Vorbereitung im britischen Yorkshire entschieden. "Der Wettkampf in London wird mit ihrer Beteiligung natürlich eine andere Qualität haben", bremste Wolfgang Thiel, Sportdirektor der Deutschen Triathlon Union (DTU), die Erwartungen an das deutsche Trio. Im Kampf um Platz drei sei aber alles offen. Dieser Ansicht ist auch Olympiasieger Frodeno, der nach überwundenen Waden- und Achillessehnenproblemen wieder in die Weltspitze vorgelaufen ist. "Was bei mir gefehlt hat, sind Spritzigkeit und Ausgeruhtheit", sagte Frodeno. In beiden Bereichen, da ist sich der Triathlet aus Saarbrücken sicher, werde er bis zum olympischen Wettkampf noch entscheidende Fortschritte machen.

Frodeno scheint zudem noch weitere Kapazitäten zu haben angesichts seines unglücklichen Wechsels am Rathausmarkt. Beim Übergang vom Radfahren ins Laufen gelang es ihm nicht, zügig seinen Helm abzustreifen. "Da hat irgendetwas geklemmt, am Ende habe ich mir das Ding vom Kopf gerissen." Zufrieden war er dennoch mit seinem Auftritt - und vor allem mit der Unterstützung, die das Hamburger Publikum den Profis auch in diesem Jahr bot. Rund 300 000 Menschen hatten sich am Wochenende an den Straßen in der City postiert und die Triathleten mit aufmunternden Rufen und lautem Applaus immer wieder nach vorn gepeitscht. "Die Leute feuern einen so an - da vergisst man glatt seine Schmerzen", befand die Münchnerin Anne Haug, die am Sonntag als beste Deutsche Platz vier im Eliterennen der Frauen belegte. Wie die anderen fünf deutschen Teilnehmer träumt wohl auch Haug von einer Olympiamedaille. "Mein Ziel ist es erst einmal, mit der bestmöglichen Form in London an den Start zu gehen", sagte die 29-Jährige, "alles andere wird man dann sehen."

+++ Ein Wettkampf für die ganze Familie +++
+++ 10.000 Starter: Triathlon-Elite zu Gast in Hamburg +++

In Hamburg verhinderte eine mäßige Performance im Wasser ein besseres Ergebnis. Mit mehr als 40 Sekunden Rückstand auf die Spitze wechselte die 29-Jährige auf das Rad und arbeitete sich von dort nach vorn. Ihre London-Mitstreiterin Anja Dittmer (Saarbrücken), die aufgrund einer Oberschenkelverhärtung nach Absprache mit Wolfgang Thiel "entspannt laufen und sich nicht voll belasten sollte", erreichte als Elfte das Ziel am Rathausmarkt, Teamkollegin Svenja Bazlen aus Freiburg wurde 16. Beide waren "ganz zufrieden" mit ihrer Leistung. "Ich glaube nicht, dass hier in Hamburg jeder seine Karten ausgespielt hat", sagte Dittmer, "für London habe ich mir hoffentlich ein paar Kräfte aufgespart."

Vollen Einsatz zeigte indes die Australierin Erin Densham. Die 27-Jährige überzeugte vor allem beim abschließenden Laufen und gewann den Dreikampf über die Sprintdistanz in 56:07 Minuten vor ihrer Landsfrau und Vorjahressiegerin Emma Moffatt, 27.

Wenngleich es mit einem Sieg der Deutschen in der Hansestadt nichts wurde, zeigte sich Sportdirektor Thiel insgesamt zufrieden: "Für unsere Olympiastarter sind die Platzierungen als Abschluss einer harten Trainingsphase ein Top-Resultat." Den Feinschliff holen sich die deutschen Männer sowie Bazlen und Dittmer nun in der Sportschule Kienbaum bei Berlin. Sie fliegen erst nach der Eröffnungsfeier Anfang nächster Woche nach London. Anne Haug hingegen bereitet sich mit einer Gruppe um den australischen Trainer Darren Smith separat vor.