Der mit großem Ballyhoo inszenierte Kampf zwischen David Haye und Dereck Chisora hat seine Ziele erreicht. Die Fans wurden mit einem K.o. belohnt, die Boxer kassieren eine üppige Börse, und Haye darf auf ein Duell mit Witali Klitschko hoffen.
London. Am Ende des „Hass-Duells“ hielten die Rüpel zärtlich Händchen. Nachdem David Haye seinen angeblichen Erzfeind auf die Bretter geschickt hatte, legte er Dereck Chisora den Arm über die Schulter, flüsterte ihm ein paar warme Worte ins Ohr und nahm ihn tröstend an die Hand. Die erbitterte Feindschaft, von den beiden britischen Schwergewichtsboxern seit ihrer wilden Prügelei in der Skandalnacht von München vor fünf Monaten in Perfektion inszeniert, löste sich im Londoner Upton Park mit dem K.o. in der 5. Runde in Luft auf.
Hayes Hass auf die Klitschko-Brüder, die das Duell der Briten zuvor als „Freakshow“ bezeichnet hatten, scheint jedoch ungebrochen. Nach seinem überzeugenden Sieg in einem Kampf, in dem es um keinen Titel ging, forderte der „Hayemaker“ gleich beide Weltmeister heraus. „Ich habe eine angsteinflößende Botschaft gesendet“, sagte der 31-Jährige und richtete das Wort an die deutschen Boxfans: „Hey alle in Deutschland, sagt den Klitschkos: David Haye ist die Nummer eins!“
Dass er dies nicht nur mit seinem gefürchteten Mundwerk, sondern auch mit den Fäusten ist, würde der frühere WBA-Champion nur zu gern beweisen. Dabei ist er sich selbst nicht ganz sicher, welchen der Klitschkos er vom Thron stoßen will. Direkt nach dem mit großem Ballyhoo inszenierten Kampf drängte Haye auf eine Revanche gegen Wladimir, weil er bei seiner Punktniederlage im Juli 2011 wegen Zehschmerzen gehandicapt gewesen sei. Um die zu vermeiden, boxte Haye gegen Chisora völlig unorthodox in Turnschuhen statt in Boxstiefeln.
„Wenn Wladimir nicht mehr gegen David kämpfen will, dann war es das. Dann legen wir uns an den Strand“, sagte Hayes Trainer Adam Booth. In der Pressekonferenz warf Haye aber doch noch WBC-Weltmeister Witali Klitschko den Fehdehandschuh hin. „Ich würde ihm liebend gerne den Titel entreißen“, sagte der Brite. Er glaube aber, dass der Ukrainer kneifen werde: „Er wird versuchen, gegen irgendeinen Trottel zu kämpfen, um dann zurückzutreten und in die Politik zu gehen.“
Ein zweites Duell gegen Wladimir ist ausgeschlossen. „Das ist überhaupt kein Thema. Wladimir hat den ersten Kampf überlegen gewonnen. Haye hat nur nach billigen Ausreden gesucht“, sagte Bernd Bönte, Manager der Klitschkos, dem SID. Auch Sky-Experte Axel Schulz kann über die Idee nur den Kopf schütteln: „Das ist Blödsinn, gegen Wladimir hat Haye genug auf die Fresse bekommen. Witali ist etwas steifer, unbeweglicher. Vielleicht kann er den packen.“
Witali Klitschko kann sich nichts Schöneres vorstellen, als mit einem Sieg gegen seinen Erzfeind in den Box-Ruhestand zu treten. Das T-Shirt mit den enthaupteten Klitschko-Brüdern hat der Zwei-Meter-Hüne nicht vergessen: „Er hat mich mit seinen Worten und Gesten persönlich getroffen. Ich will ihn K.o. schlagen.“
Am 8. September verteidigt „Dr. Eisenfaust“ in Moskau gegen Manuel Charr seinen Gürtel, doch die Boxwelt schaut mit mehr Spannung auf den 28. Oktober. Dann tritt Witali Klitschko mit der Oppositionspartei Ukrainische Demokratische Allianz (Udar) bei den Parlamentswahlen an. „Sollte er in ein politisches Amt gewählt werden, tritt er zurück. Es könnte aber sein, dass er für Haye noch einmal die Boxhandschuhe überziehen würde“, sagte Bönte.
Dieser Kampf dürfte die Massen elektrisieren. Gegen den überforderten Chisora feierte Haye vor 35.000 Zuschauern im Fußballstadion von West Ham United ein starkes Comeback. Seinem 17 Kilo schwereren Gegner ließ er mit seiner Schnelligkeit und Reaktionsstärke keine Chance, zudem überzeugte auch sein Punch. In der fünften Runde streckte er seinen Landsmann mit einer krachenden Rechten zu Boden. Als Chisora wieder stand, prasselte ein Schlaghagel auf ihn ein, eine wuchtige Linke besiegelte schließlich Hayes 26. Sieg im 28. Fight.
„Wenn das mein letzter Kampf war, dann habe ich mich mit einem großen Knall verabschiedet“, sagte der strahlende Gewinner hinterher. Chisora, der im Vorfeld viele verbale Tiefschläge abgefeuert hatte, gab sich kleinlaut: „Ich habe eine Sekunde nicht aufgepasst - und dann kam der Hayemaker.“