Kugelstoßerin Nadine Kleinert verdrückte nach ihrem ersten großen Titel Freudentränen. Speerwerferin Christina Obergföll holte Silber.
Helsinki. Erst Nadine Kleinert, drei Stunden später David Storl: Die deutschen Kugelstoßer waren bei der Leichtathletik-EM in Helsinki doppelt Gold wert. „Europameister war mein Ziel“, sagte der 21 Jahre alte Weltmeister, der mit 21,58 Metern für den Höhepunkt des dritten Wettkampftages sorgte und nun Topfavorit auf Olympia-Gold ist. „Klasse Vorstellung, er hat die Situation super gemeistert. Er ist ein richtiger Meisterschafts-Stoßer“, sagte Storl-Trainer Sven Lang. „Da muss ich erst 36 werden“, kommentierte Kleinert den größten Triumph ihre langen Karriere unter Freudentränen.
Mit Silber und Bronze komplettierten die Speerwerferinnen Christina Obergföll und Linda Stahl den starken Auftritt der deutschen Mannschaft am Freitag. In der finnischen Hauptstadt hatten zuvor bereits Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch und 5.000-Meter-Läufer Arne Gabius Gold sowie Silber erobert. Dagegen verpatzte Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler ihre Qualifikation und schied aus. Diskus-Weltmeister Robert Harting zog problemlos in den Endkampf ein.
David Storl stand nach seinem fünften Platz vor zwei Jahren in Barcelona zum ersten Mal auf dem Siegerpodest der EM. Gleich mit dem ersten Versuch auf 21,19 Meter schockte der 1,99-Meter-Recke aus Chemnitz die Konkurrenz und baute den Vorsprung mit der Weltklasse-Weite von 21,58 Metern sogar noch aus. Marco Schmidt (Sindelfingen/19,65 Meter) wurde Achter.
„Das war die einzige Medaille, die mir noch gefehlt hat, und jetzt ist sie da. Das gibt sehr viel Rückenwind für die Olympischen Spiele“, sagte Nadine Kleinert, die mit 19,18 Metern die Russin Irina Tarasowa um 27 Zentimeter distanzierte. Kleinerts Teamkolleginnen Josephine Terlecki und Christina Schwanitz belegten die Ränge vier und fünf. „Eigentlich sind wir ja seit vielen Jahren ein Silberpaar“, meinte auf der Tribüne Kleinerts langjähriger Trainer Klaus Schneider in Anspielung auf Olympia-Silber 2004 und drei zweite WM-Plätze. Den letzten großen Sieg hatte Schneiders Schützling vor 1997 gefeiert, als Kleinert U23-Europameisterin wurde. „In Turku, in Finnland – da schließt sich der Kreis.“
Christina Obergföll ballte gleich nach dem bei 65,12 Metern gelandeten ersten Speerwurf die Siegerfaust und führte fast eine Stunde. Bis die Ukrainerin Vira Rebrik im fünften und vorletzten Durchgang mit dem Landesrekord von 66,86 Metern konterte. Titelverteidigerin Linda Stahl gewann zwei Jahre nach ihrem Überraschungscoup von Barcelona diesmal mit 63,69 Metern Bronze. Katharina Molitor (beide Leverkusen/60,99) wurde Fünfte. „Die Weite war okay, aber natürlich bin ich enttäuscht. Schon wieder nur Silber“, sagte Obergföll, die schon 2010 und bei der WM 2005 Zweite war.
400-Meter-Hürdenläufer Georg Fleischhauer (Dresden) verpasste beim Sieg von Rhys Williams (Großbritannien/49,33) als Sechter die erhoffte Medaille und auch die Olympia-Norm. Bei den Frauen war Irina Dawidowa (Russland/53,77 Sekunden) schnellste Hürdenläuferin auf der Stadionrunde. Der Franzose Mahiedine Mekhissi-Benabbad verteidigte seinen Titel über 3.000 Meter Hindernis. Der Kieler Steffen Uliczka wurde ebenso nur Zehnter wie Eike Onnen (Hannover/2,20 Meter) im Hochsprung. Robbie Grabarz (Großbritannien/2,31 Meter) siegte.
Athen-Olympiasieger Juri Borsakowski (Russland) gewann die 800 Meter in 1:48,61 Minuten. Bei den Frauen lag Teamgefährtin Jelena Arschakowa (1:58,51) vorn. Die 400-Meter-Rennen gewannen Pavel Maslak (Tschechien/45,24 Sekunden) und Moa Hjelmer (Schweden/51,13 Sekunden). Beste Dreispringerin war Olga Saladucha (Ukraine) mit der Weltbestweite von 14,99 Metern.
Heidler patzt, Harting unzufrieden, Bayer glänzt
„Ich kann mich nur beim Publikum entschuldigen. Ich habe einfach nicht in den Wettbewerb hinein gefunden“, sagte Betty Heidler nachdem sie die ersten Tränen in ein dickes weißes Handtuch gewischt hatte. Dass die mit 79,42 Metern weltbeste Hammerwerferin nach zwei ungültigen Versuchen im dritten Qualifikationsdurchgang mit 65,06 Metern mehr als 14 Meter hinter ihrer Bestweite zurückblieb, fand ihr Trainer Michael Deyle „unterirdisch. Das geht eigentlich gar nicht. Technisch war das eine Katastrophe.“ Robert Harting fühlte sich trotz drittbester Weite von 65,49 Metern „ziemlich müde. Die Beinkraft fehlt. Ich befinde mich sozusagen im Tal und beginne, den Berg wieder hinaufzuklettern"
(dapd/abendblatt.de)