Der gebürtige Hamburger will bei der Leichtathletik-EM den internationalen Durchbruch schaffen und in die Spuren eines ganz Großen laufen.
Hamburg/Helsinki. Arne Gabius' kühnsten Traum hat Mo Farah bereits am 18. Juni zerschlagen. An diesem Tag entschied der 5000-Meter-Weltmeister, seinen Titel bei der Leichtathletik-EM in Helsinki zu verteidigen, obschon er noch am vergangenen Wochenende bei der britischen Olympiaausscheidung am Start war. Die Goldmedaille dürfte damit vergeben sein in der einzigen Entscheidung des heutigen ersten Tages (Start: 18.40 Uhr). Doch hinter Farah scheint alles möglich für Gabius. Anfang des Monats hat der gebürtige Hamburger seine vier Jahre alte Bestzeit um sagenhafte 13 Sekunden auf 13:13,43 Minuten gesteigert. Nur ein Europäer war in diesem Jahr schneller: Farah (12:56,98).
Es wäre demnach keineswegs überraschend, sollte Gabius genau dort, wo sein früherer Lehrmeister Dieter Baumann vor 18 Jahren Gold gewann, selbst den internationalen Durchbruch schaffen. Nur soll hinterher keiner behaupten, dass sich das seit Langem abgezeichnet hätte. Nach dem ersten Leistungssprung, der sich 2005 nach dem Wechsel von der LAV Hamburg-Nord nach Tübingen eingestellt hatte, blieb Gabius zwar in Deutschland unangefochten, doch die Fortschritte waren meistens nur noch in Zehntelsekunden messbar. Im vergangenen Jahr verlor selbst der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) den Glauben an bessere Zeiten und strich Gabius aus der höchsten Förderstufe.
Inzwischen ist Gabius 31 Jahre alt und sein eigener Herr. Das Medizinstudium hat er erfolgreich abgeschlossen, das Training, dem er sich nun uneingeschränkt widmen kann, gestaltet er nach der Trennung von Dieter Baumann nach eigenen Vorstellungen: mit mehr Variationen und höherer Grundgeschwindigkeit. So kann er besser reagieren, sollte es heute wie erwartet zu einem taktischen Rennen kommen.
"Die Konkurrenz ist sehr stark, ich muss hellwach und im richtigen Moment da sein", sagt Gabius und verspricht ein "hochklassiges Rennen". Am Selbstvertrauen dürfte der deutsche Serienmeister nicht scheitern: "Ich habe gesehen, dass ich Talent habe. Und es wäre doch schlimm, wenn man es vergeudet." Arne Gabius klingt wie einer, der durchstarten will. In diesem Jahr darf er erstmals bei den Olympischen Spielen starten. Aus Zürich erhielt er kürzlich eine Einladung für das dortige Weltklasse-Meeting am 30. August. "Ein Ritterschlag", sagt Gabius: "Da laufen über 5000 Meter nur zwölf Leute."
Inzwischen schiebt auch der DLV den vor Kurzem noch Verschmähten nach vorn. Sportdirektor Thomas Kurschilgen erhofft sich von einem guten Abschneiden Gabius' "eine Signalwirkung für den Rest der Woche". Ein wenig Rückenwind können die insgesamt 90 deutschen Aktiven in Helsinki gut gebrauchen. Weitsprung-Titelverteidiger Christian Reif, die aus Hamburg stammende Hürdensprinterin Carolin Nytra, Speerwurfweltmeister Matthias de Zordo, der frühere Kugelstoß-Europameister Ralf Bartels und Langstreckler André Pollmächer mussten ihre Starts aufgrund gesundheitlicher Probleme absagen. Gestern meldete sich auch noch 200-Meter-Hoffnung Aleixo-Platini Menga ab - Verdacht auf Kreuzbandriss.
Die ARD berichtet von 8 bis 15 Uhr und von 17.15 bis 19.50 Uhr live vom ersten EM-Tag, Eurosport von 8 bis 14.30 Uhr und von 16.45 bis 20 Uhr.